Freitag, 16. Januar 2015

Von wegen gläsern


Meine hochgeschätzten und mir sehr teuren Lesehäschen, gibt es irgendwas, was die Welt noch nicht über euch weiß oder mit ein paar fragwürdigen Abfragen herausfinden könnte?

Natürlich nicht. Haben wir doch alle schon alle Informationen über uns beim Smartphone-Betriebssystemanbieter unserer Wahl gegen Komfort eingetauscht, 1-Click-Bestellung aktiviert, auf Facebook gepostet und mit Kreditkarte bezahlt. Und wenn alles nichts hilft, können Wissbegierige immer noch in unserem Mist stierln, dann bleibt nichts mehr verborgen. Im Jahr 2015 ist Privatsphäre eine kuschelige Illusion. Zwar darf ich hoffen, in der Masse unterzugehen. Aber nicht, weil es über mich nichts zu wissen gäbe, sondern weil es keinen interessiert. Das Thrillermäßigste, was bei der Überwachung herausschaut, ist gezielte Bannerwerbung. Trotzdem ist uns allen klar: Nichts, was wir tun, bleibt verborgen. Alles hat Konsequenzen. 

Alles, bis auf eines.

Wenn der Trottel vor dir sein Geld im Bankomaten vergessen hat und du es dir vor dem sehenden Auge der Überwachungskamera einnähst, passiert gar nichts.

Der in Rede stehende Trottel war natürlich ich, letzten Samstag mittags in der Raiffeisen. Und als ich elf Minuten später wieder dort war, war die Kohle natürlich weg. Am Dienstag bin ich dann auf Anraten meiner Bank zur Polizei marschiert (50 Euro Haben und Nichthaben sind schließlich 100 Euro, dann noch die Mehrwertsteuer sind 120, 13. und 14. sind 144, dann hast du vielleicht noch ein bisschen Glück im Casino, da reden wir gleich von fünf, sechshundert Euro). Dort hat mich ein netter Polizist begrüßt. Anfangs war ich etwas irritiert, denn er trug Dienstpullover mit einem T-Shirt darunter, und ich bin mit den maßgeschneiderten Uniformen samt Hemd und Krawatte aufgewachsen, die den besser Abgehangenen unter uns z. B. aus dem Förster vom Silberwald vertraut sind.

Der Nette hat mir dann erklärt, dass er selbstverständlich gerne bereit sei, meine Anzeige aufzunehmen, und dass dabei nichts herausschauen werde. Denn die Staatsanwaltschaft, so der Ordnungshüter, lasse sich in solchen Fällen auf nichts ein, wenn es um weniger als einen Tausender geht. Nicht einmal dann, wenn auf dem Überwachungsvideo jemand zu sehen ist, den die Polizei schon beim Vornamen kennt (keine Übertreibung).

Die gute Nachricht lautet also: So arg ist das mit den Überwachungsvideos nicht. Solange man sich auf Schadenssummen unter EUR 1.000,- beschränkt, steht nicht mal irgendjemand auf, um sich das Video anzuschauen. Merkt euch das wohl, denn diese Erkenntnis habe ich euch mit einem Fünfziger erkauft.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen