Viele Häschen und Häsinnen haben sich in den letzten Wochen
Sorgen gemacht. Denn es naht die Zeit, in der man von seinen Nebenmenschen
wieder viel mehr zu sehen kriegt, als man in vielen Fällen gern zu sehen
bekäme. Kurz: Man redet von der Bikinifigur. Gar manche versagt sich im Vorfeld
der Entblößung so allerlei. Von Zucker ist da oft die Rede, denn Zucker, so ein
landläufiger Aberglaube, mache dick. Auch ich hing lange der Überzeugung von
der morphologischen Nährwertidentifikation an: Der Körper verwertet
Nahrungsmittel zu jenem Organ, dem sie ähnlich sehen. Deshalb sind Karfiol und Walnüsse gut fürs Hirn, Eier nützen den Augen (Schweindi!) und
von Schnitzel kriegt man Muckis.
Nimmt man aber etwas zu sich, das mit keinem bekannten Organ Ähnlichkeit hat –
zum Beispiel Schokoschirmchen, oder
zweifarbig spiralig gedrehte Zuckerstangen – dann macht der Körper daraus Fett. So einleuchtend, so überzeugend.
Wahr ist vielmehr: Das stimmt gar nicht. Die Europäische Union hat mich eines Besseren belehrt. Von Zucker kann
man gar nicht dick werden!
Aber der Reihe nach. Es begab sich, dass euer Zweckdichter
eine zuckerhaltige Süßigkeit zu beschriften hatte. Der erste Vorschlag lautete:
„Kraftstoff“. Dies erwies sich nach
juristischer Auskunft des Produzenten als – wie sagt man auf Amtsdeutsch?
Genau: als untunlich. Denn ein
Konsument könnte nach Lektüre der Kraftstoff-Beschriftung
auf den Gedanken kommen, dass ihm vermehrte Kraft durch Verzehr der Süßigkeit
verheißen werde. Damit wäre der Tatbestand einer unzutreffenden
gesundheitsbezogenen Behauptung im Sinne der einschlägigen EU-Verordnung
erfüllt. Und das geht natürlich nicht.
Der nächste Vorschlag lautete deshalb Energieschub. Denn
Zucker, so dachte ich naiv, enthält ja unstreitig Energie. Das darf man also
gewiss wahrheitsgemäß draufschreiben.
Denkste.
Alsbald ward mir die Erhellung, dass dies nicht gehe, da
weiterhin ein unzulässiger Bezug zu den verheißenen Auswirkungen des
Lebensmittels bestehe. Der zuständige Produzent schlug als Alternative Treibstoff
vor, was ich nicht guten Gewissens durchgehen lassen konnte, umso
weniger, als die Nascherei pillenartig, wenn auch nicht blau war.
Nun zog ich mich auf die vermeintlich befestigte Position Energie
zurück. Auf Zucker Energie zu
schreiben, das ist ja so, als schriebe man auf eine Zitrone Vitamin C oder auf eine Seife Reinigung, so dachte ich mir.
Aber weit gefehlt. Der Produzent teilte mit, dass es im
EU-Lebensmittelrecht nicht um Logik geht (meine Interpretation), sondern dass „grundsätzlich nicht erlaubt ist, was nicht
angeführt ist“. Und es ist zwar ausdrücklich erlaubt, auf ein Lebensmittel low energy zu schreiben (wenn der
Kaloriengehalt unter einem bestimmten Schwellenwert liegt). Das bedeutet aber
noch lange nicht, dass man oberhalb dieses Wertes Energie versprechen darf. Denn low
energy ist als erlaubt angeführt, energy
aber nicht. Mithin ist juristisch erwiesen, dass Zucker nicht ausreichend
Energie enthält, um deine häschenschlanke Bikinifigur zu gefährden. Lass es dir
ruhig schmecken.
Im Übrigen schreibe ich wieder einmal ein Forschungsstipendium aus, dotiert wie
immer mit einer Leberkässemmel und einem Bier: Es gründe ein berufenes Häschen
bitte eine Briefkastenfirma mit dem einzigen Zweck, eine Tafelwassermarke zu
lancieren, und zwar unter dem Namen Feucht.
Feuchtigkeit nämlich ist nicht in der Liste erlaubter Behauptungen
angeführt. Es handelt sich aber eindeutig um eine gesundheitsrelevante Angelegenheit,
da Austrocknung lebensgefährlich ist. Ich bin gespannt, ob die Marke Feucht in der EU reüssieren kann, oder
ob sie nur unter der Budel vertrieben wird, an Feuchtigkeitsjunkies in the know, wie wir Bescheidwisser
sagen.
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