Ihr wisst, o teure Häschen, dass euch hieramts stets Rat
wird, wenn die Not am größten ist.
Aus gegebenem Anlass drängt sich heute die Frage aufs Tapet: Wie man es mit der
Körperpflege in der Öffentlichkeit
halten soll? Erfreulicherweise hat mir
die Beste von Österreichs bestsortiertem Flohmarkt ein Benimmbuch aus den 50er Jahren mitgebracht, dass so betulich
daherkommt, als wären es die 1850er und nicht die 1950er. Aber dazu vielleicht
ein andermal mehr, denn bedauerlicherweise habe ich nicht nachgeprüft, was der
unglaublich redselige Autor („wie ich
einmal ein Empfehlungsschreiben an einen Minister bekommen habe, das sofort
eine Freundschaft zerstört hat“) über hygienische Verrichtungen zu sagen
hat, bei denen man zuschauen kann.
Ich jedenfalls bin kürzlich U-Bahn gefahren (nein, es war
die U3, nicht die U6), und tat, was man so tut, wenn man nichts Besseres zu tun
hat, nämlich Zeitung lesen. Neben mir saß eine Frau, die drückte ein Weilchen
an ihrem Handy herum. Dass sie noch jung war, sieht man daran, dass sie ohne
Schwierigkeiten an ihrem Handy herumdrückte, obwohl sie auch in der U-Bahn ihre
sehr dunkle Sonnenbrille trug. Schließlich war sie mit Herumdrücken durch,
griff in ihre Handtasche, brachte das entsprechende Werkzeug zum Vorschein und
hub an, sich die Haare (dunkel, halblang) zu bürsten. Natürlich dachte ich mir sofort, was sich in solchem Falle
jeder denkt, nämlich Oida! Weil ich
aber ein KS (konservativer Scheißer) bin, dachte ich mir als Nächstes: Gehört sich das?
So etwas will reiflich erwogen sein. Mit einem vorschnellen
Urteil macht man sich ungebührlich wichtig. Denn wir sind ja nur zufällige Weggefährten zwischen
Landstraße und Gasometer, und wir könnten ja auch einfach weiter Zeitung lesen
oder selber am Handy herumdrücken, anstatt der Tante beim Bürsten zuzuschauen.
Doch am andern Ende der Nahrungskette warten Kolleginnen oder Sexualpartner,
denen die dunkelhaarige Tante, mit ungebürsteten Haaren entgegentreten müsste,
nur damit wildfremde U-Bahn-Mitbenützer nichts über ihr Ghörtsich zu meckern
haben. Auch haben wir ein Beispiel öffentlichen Haarbürstens aus der besten, ja
allerbesten Gesellschaft, nämlich jener, die so exklusiv ist, dass ihr
überhaupt niemand angehört, zumindest niemand Realer: Ist doch die Loreley berühmt für nichts anderes als
Singen und Bürsten. (Habt ihr übrigens gewusst, dass Brentano die Loreley
vollrohr erfunden hat? Ich nicht. Ich habe Heine das mit dem Märchen aus uralten Zeiten abgekauft und
erst jetzt erfahren, dass besagtes Märchen
gerade mal 23 Jahre alt war, als Heine seinen berühmten Vers geschrieben hat.)
Aber zurück zum Thema. Soll man nun, oder eher nicht? Ist
man die Loreley, dann natürlich ja, selbstverständlich, sowieso! Und wenn
nicht?
Generell gilt ja die Benimmregel, dass man coram publico keine Verrichtungen
vornimmt, nach denen man etwas hinterlässt.
In die Ecke pinkeln, aus dem Fenster erbrechen, Nasenbohren, Nägel schneiden –
all das erledigt der Mensch von Welt unter Ausschluss der Öffentlichkeit,
während es gerade noch zulässig ist, sich an unverfänglichen Stellen zu
kratzen. Die Frage ist mithin, ob es der sonnenbebrillten Tante lediglich um
die Verschönerung des Haarbildes (so
heißt das glaubich in Fachkreisen) zu tun war (war da nicht was mit 100
Bürstenstrichen?), oder aber um die Beseitigung abgestorbenen Haarmaterials,
welches sich gegebenenfalls in der Bürste verfangen hätte, wobei aber nicht ausgeschlossen
hätte werden können, dass sich gedachtes Haarmaterial, und sei es auch nur
teilweise, selbständig und im U-Bahnwagen breit macht. Dann also natürlich:
nein, kein Gebürste, bitte morgen den Wecker früher stellen, dann geht sich das
alles aus. Danke.
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