Bald stellen wir ja wieder die Uhren um. Aber in welche
Richtung? Merkt euch, o sonnenhungrige Häschen: Im Frühling STELLEN wir die Gartenmöbel VOR das Haus. Alles klar?
Genau. Und weil du die Uhr vorstellen
musste, ist die Nacht eine Stunde kürzer. Macht aber nix, dafür darfst du eine
Stunde eher wieder schlafengehen. Warum tun wir uns das an? Ich glaube, dass
der Kapitalismus schuld ist. Einst war es dem Werktätigen irgendwann am Spätnachmittag
zu dunkel, und der Chef wollte sich das Petroleum sparen, das die Weiterarbeit
ermöglicht hätte. Da ging der Werktätige heim zu seiner Familie und man
verbrachte den dunklen Abend damit, einander Gruselgeschichten zu erzählen oder
die Bibel aus dem Gedächtnis
aufzusagen. Schön!
Doch irgendwann beschwerten sich die Chefs beim Staat, der
beschloss die Uhr vorzustellen, und die Sommerzeit
war geboren. Seither kann man in der Übergangszeit länger arbeiten und die
Kinder schlafen im Sommer schwerer ein. Dafür bietet die Sommerzeit, wie
alljährlich in den Medien vermerkt, den Vorteil, dass das Vieh geistig gefordert ist, sich umzustellen. Die dabei
ausgeschütteten Botenstoffe machen das Fleisch zarter, wovon die Landwirtschaft
profitiert.
In Österreich gab es nach 1948 keine Sommerzeit mehr, weil
sie legistisch mit einer Menge anderem Nazikram entsorgt wurde. Erst Kreisky, der Sonnenkönig, besann sich
auf das ihm zugeeignete Gestirn und wollte, dass die Bevölkerung dessen
sozialistisch wärmende Strahlen länger genieße und nebenbei Energie spare, weil
Ölkrise.
Die Sommerzeit zeigt auch, dass der Humor ähnlichen
Gesetzmäßigkeiten folgt wie unsere Gestalt. In Bio haben wir ja gelernt, dass
der menschliche Embryo laut Ernst
Haeckel die Evolution im Schnellvorlauf durchläuft. Er sieht zunächst aus
wie jener eines Fisches, dann eines Amphibiums und eines Säugetiers, ehe er
unverkennbar menschlich wird. Deshalb könnte einem schon beim Betrachten der
ersten Ultraschallbilder (awww!) klar
sein, dass hier eventuell ein kleiner Schleimer
heranwächst! Da hat Haeckel zwar ein bisschen was dazuerfunden, aber er hat
sich immerhin Mühe gegeben.
Die Evolution des Humors verläuft ähnlich. Denn wir wissen
ja, dass sich die Leute einst über jeden Schmarren zerkringelt, zerkugelt,
weggeschmissen oder abgehaut haben. Die Scherze, mit denen Hans Wurst im Biedermeier zu Lachstürmen hingerissen hat, ziehen
heute höchstens noch im Villacher
Fasching, der nur deshalb praktiziert wird, damit ein Urmeter nicht des
Humors, sondern des Mangels daran existiere, ein absoluter Nullpunkt der Komik, an dem einem das Lachen im Hirn
gefriert, sodass dieses Supraleitfähigkeit erwirbt und einem noch vor dem
ersten Witz klarwird, dass jetzt Schluss mit lustig sein wird.
Hauptmanns Biberpelz
aus etwas späterer Zeit wird heute deshalb als Komödie gehandelt, damit
Germanistikseminare sich daran abarbeiten, warum es in einer solchen nicht
unbedingt etwas zu lachen geben muss. Es folgten die Varietés der
Zwischenkriegszeit inklusive Hendl-den-Kopf-Abbeißern,
ehe wir endlich auf dem Höhenkammhumor heutiger Sitcoms ankamen.
Diese historische Humorevolution muss jede von uns im
Kleinen durchmachen: Im Kindergarten zerwuzeln wir uns, wenn einer Gacksi! sagt. Unter Volksschülern der
70er und frühen 80 blieb ein Sommerzeit-Scherz ewig jung: Man zog dem anderen
die Mütze über die Augen und erklärt dazu: Licht
sparen, hat der Kreisky gesagt! Worauf jener empört erwiderte: Du Klomuscheltaucher mit
Spaghettiausrüstung!
Und so weiter: Noch vor der Matura tauschen wir lustige
Katzenvideos, um dann endlich bei Kleinkunst erster Güte ein humoristisches Happy Ending zu genießen. Ohne
Sommerzeit hätten wir das nie erfahren. Schönes Wochenende!