Freitag, 26. April 2019

Muntermacher

O Häschen, nichts wird leichter. Das ist nicht unbedingt schlecht, aber anders. Heute wenden wir uns einem First World Problem zu, das sicherlich gar manchen unter euch auf den Nägeln brennt. Denn als einst die Griechen den Trojanern das bewusste Hohlpferd unterjubelten, durchschaute der Priester Laokoon den Betrug und versuchte die Troer zu warnen. Den Göttern aber gefiel es, ihn mitsamt seinen Söhnen von zwei Schlangen erwürgen zu lassen. Das würgliche Gewirks, als welches diese Bluttat sich präsentierte, kennen wir als bildhauerische verewigte Laokoongruppe. Wer sie sieht, dem wird so recht bewusst, wie nichtig menschliches Streben im Angesicht höherer Widrigkeiten ist, oder, wie man in Wien sagt: Wann der Herrgott net wü, nutzt des gor nix.
Die Laokoongruppe hat ihre Funktion jedoch überlebt. Wer heute in jenen Abgrund schauen will, der bei zu langer Betrachtung zurückschaut, dem stellt das moderne Leben stattdessen die Frage der Kaffeebereitung.
Einst war es einfach: Man hatte einen porzellanenen Filterhalter und eine Kaffeekanne. Papierfilter in Filterhalter, Halter auf Kanne, Kaffeepulver in Filter, heißes Wasser drüber, Zeit, fertig. Andernorts gab es ingenieursseitig hochentwickelte Siebträgerlösungen mit Hebeln, Manometern und einem Gefühl, wie wenn du im Führerstand einer Dampflok auf eine Haarnadelkurve zurast, nachdem die Bösewichte den Lokführer in die Schlucht geworfen haben. Die klassische Bialetti war immer ganz okay, nur war keine Herdplatte so klein wie die Maschine, weshalb über kurz oder lang der Kunststoffgriff schmolz. Dann kam die Kapselmaschine und brachte die Demokratisierung des Espressogenusses. Dafür zahlten wir freilich einen hohen Preis, weil Kaffee in Kapseln fünfmal soviel kostet wie richtig guter Kaffee in der Kilopackung. Dafür gab es das schlechte Gewissen für die Aluminiumverschwendung gratis dazu. Wer also nicht Kaffee kochen will wie Oma, der steht wieder vor der Entscheidung zwischen dem Wahren, Guten und Schönen, also der klassischen Siebträgermaschine, die nach Infrastruktur in Form von Mühle, Milchzubereitung sowie nach technischer Aufgewecktheit schon vor dem Frühstück verlangt, und dem Praktischen: dem, horresco referens (lat.: mir graust, wenn ich’s sage), Kaffeevollautomaten. Dieser tut alles selbst, kann alles ziemlich gut, kümmert sich um die Milch und braucht keine Kapseln. Jedoch enthält er, und damit sind wir endlich dort angelangt, wo die Entscheidungskraft beim Kauf von Schlangen erwürgt wird, die Brühgruppe. Die Brühgruppe ist leider keine genial benamste Postpunk-Kombo, sondern gehört zu den Eingeweiden des Vollautomaten. Hier finden Kaffeepulver und heißes Wasser zusammen, auf dass Kaffee entstehe.
Nun ist schon die Entscheidung zwischen Siebträger und Vollautomat wie ein Hundewelpe, indem nämlich jeder davon mehr Ahnung hat als du, der den Welpen pflegt und hegt, und diese Ahnung auch gerne zu Markte trägt. Wenn du aber schon schwach geworden bist und dich für den leichteren Weg entschieden hast, lauert hier, (ebenfalls wie in der griechischen Sage), der nächste Schrecken: Wie hältst du es mit der Brühgruppe? Soll sie herausnehmbar sein, sodass du sie liebevoll reinigen kannst? Oder vertraust du darauf, dass der Hersteller sich die Sache mit der Reinigung gut überlegt hat? Nur eines ist gewiss: Sobald du das Wort „Brühgruppe“ in eine beliebig zusammengesetzte Runde wirfst, erfährst du wie Laokoon, dass du dich besser anders entschieden hättest. Im Unterschied zu Laokoon überlebst du das wahrscheinlich. Doch was du auch tust, Kaffee wird nie mehr der unschuldige Genuss sein, der er einst war. Schönes Wochenende!

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