Ach, Lesehäschen, der deutschsprachige Qualitätsjournalismus
ist nicht mehr das, was er einmal war. Als hätten wir nicht schon an der
Geschichte vom erfinderischen Relotius zu kiefeln – bitte? Relotius? Schon
vergessen? Das war der vielfach preisgekrönte Jungjournalist, der dem Spiegel und anderen Höhenkammorganen der
Meinungsbildung allerlei Geschichten unterjubelte, bei denen er viele schöne
Sachen dazuerfunden hatte. Man sieht daran, dass die gern durchs Dorf
getriebene Sau mit der Aufschrift „Das Leben schreibt doch die schönsten
Geschichten“ eine verlogene Sau ist. Die schönsten Geschichten schreibt
ein Journalist, vorausgesetzt, er nimmt es mit den journalistischen Grundwerten
nicht gar so genau. Aber wer wollte ihm daraus ernstlich einen Strick drehen?
Wahrnehmung ist immer subjektiv, und das Schöne ist bekanntlich das Wahre.
Irgendwie total ungerecht, dass der Herr Relotius,
der doch nur im Umkehrschluss das gut Erfundene zur höheren Wahrheit erheben
wollte, jetzt unter seinem ästhetischen Drang nach mehr leiden muss.
Ähnlich ging es Herrn Walter
Rosenkranz im Interview mit Armin Wolf. Es wäre natürlich sehr schön, wenn keine
der aktuellen Regierungsparteien irgendetwas mit den Identitären am Hut hätte, einer Lausbubenpartie, die genauso viel
Gusto am Räuber-und-Gendarm-Spiel hat wie daran, die Rettung ertrinkender
Flüchtlinge zu hintertreiben. Dass man bei letzterer Initiative ausreichend dilettantisch
vorging, um schhließlich von einer Flüchtlings-NGO gerettet werden zu müssen,
ist kein Anlass zur Hoffnung, sondern zur Furcht, irgendwann nicht einfach von
einer Bande herzloser, missgünstiger Demagogen regiert zu werden, sondern von
einer Bande herzloser, missgünstiger, demagogischer Vollidioten. Deshalb, und
damit zurück zum Thema, wäre es natürlich sehr schön, wenn die FPÖ sich
glaubwürdig von den Identitären distanzierte. Aber wahr ist es deshalb noch
nicht, genausowenig wie die Reportagen von Herrn Relotius.
Damit jetzt wirklich zurück zum Thema! Erinnert sich noch
jemand, wie die Kolumen angefangen hatte? Eben nicht mit Herrn Relotius,
sondern mit Sorge um den Qualitätsjournalismus. Anlass dazu gab eine Filmkritik
in der ZEIT, worin ein seltsames Wort
vorkam. Es ist ein Wort, das jedem halbwegs Englischkundigen geläufig ist, oder
selbst einem jeden, der von Fahrrädern eine Ahnung hat. Das Wort heißt händelbar,
und man kann dahinter nur die missglückte Schreibweise der englischen
Lenkstange vermuten. Verwunderlich, dass die ZEIT der Mich-e-lin-/Koll-gah-te-Fraktion
angehört! Aber nein, Entwarnung! Gemeint ist nicht die Lenkstange, vielmehr ist
der Autor anscheinend beim Schreiben über dieselbe geflogen, was, wie beim
Radfahren, passieren kann, wenn man zu spät die Bremse zieht: Man pedalt volle
Lotte durch die deutsche Sprachlandschaft, plötzlich hat ein truck, vielleicht war es auch eine lorry, mitten auf der Fahrbahn einen
englischen Brocken verloren, und dann geht’s heidewitzka! Händelbar meint natürlich soviel wie kontrollierbar, bewältigbar, fassbar, übersichtlich. Sogar handlich würde passen. Dass man aber
plötzlich über die händelbar fliegt,
schmerzt auch beim Lesen, zumindest euren sehr Ergebenen. Nicht einmal der
Duden kennt es, aber das wird sich bis zur nächsten Ausgabe sicher noch ändern.
Das ist nicht schön, aber vermutlich wahr. Schönes Wochenende!
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