Freitag, 11. September 2020

Ist es er oder sie?

 

Ist mir, meine lieben Lesehäschen, eine persönliche Frage gestattet? Nämlich, ähem: Ist das bei den Häschen auch so wie bei den Karnickeln? Also, das mit der Herstellung kleiner Abbilder von sich selbst? Oder gehen die Häschen es ruhig an und freuen sich, wenn dann endlich ein einziger kleiner Hase hoppelt, gleich welchen Geschlechts? Beziehungsweise, wie man früher auf dem Land sagte: Ah, ein Mädchen? Na Hauptsache, es ist gesund.

Seither ist viel Wasser nicht nur die Donau, sondern auch z. B. den Colorado oder Sacramento hinuntergeflossen, und die Frage, was es denn ist, wird einerseits gendertechnisch ausgeglichener, aber offensichtlich auch angespannter gesehen. Deshalb gibt es – jeder Anlass ist recht! – die sogenannten Gender Reveal Parties, wo stolze künftige Eltern in festlichem Rahmen bekanntgeben, was beim Ultraschall herausgekommen ist. Gerne werden dabei rosa oder blaue Feuerwerkskörper – je nachdem – gezündet, was erstens doch ziemlich vorgestrig wirkt und zweites einen sehr ansehnlichen Waldbrand nahe Los Angeles ausgelöst hat. Das ist schade, zeigt aber nur, was eh klar war: dass die Gender Reveal Party nicht so recht zu Ende gedacht ist. Denn es kann sich ja bestenfalls um eine Sex Reveal Party handeln, insofern, als die primären Geschlechtsmerkmale – da haben wir die letzten 20 Jahre aufgepasst –keinen Rückschluss auf das Gender des kommenden Erdenbürgers beziehungsweise natürlich der kommenden Erdenbürg*er_in zulassen, und wenn alles gut geht, sieht die Endung eines genderistisch uneindeutigen Substantivs bald so aus wie die Sprechblasen im Asterix, wenn Majestix sich wieder einmal furchtbar ärgern muss.

Doch nicht nur die kleinen Kinder, selbst Unbelebtes bereitet einschlägige Schwierigkeiten.

Denn das Fahrrad ist zwar sächlichen Geschlechts. Aber wer irgendwann einmal in einem mehr oder weniger kapitalistischen Land war, der weiß: Man kauft kein Fahrrad. Man kauft zum Beispiel (in den finsteren 1970er- und -80er-Jahren) ein Puch Clubman, (besser: Puch Clubperson) oder, nicht viel löblicher, ein Puch Bergmeister (hier fehlt natürlich der Asterixfluch am Schluss). Heute sieht es auf den ersten Blick gendermaingestreamter aus, wenn man etwa zum „KTM Cross Line“ greift. So weit, so gut, aber halt: Daneben steht fast das gleiche Rad, mit allerdings nach hinten abfallendem Oberrohr, a.k.a. „tiefer Durchstieg“, und es heißt: Cross Line Lady.

Das geht natürlich nicht. Wenn die standardmäßige Modellbezeichnung das männlich besetzte Fahrad bezeichnet, ohne dass die Modellbezeichnung dies eigens ausdrückt, während aber die Fahrrädin ein Frauenetikett umgehängt bekommt, ist das ja ebenso untragbar, wie wenn sich Frauen umgekehrt von grammatisch männlichen Formen „mitgemeint“ fühlen sollen.

Sensiblerweise darf entweder keines der beiden Fahrradgeschlechter ein genderbesetztes Epithet bekommen – dann heißt zum Beispiel das eine „Cross Line Apfel“ und das andere „Cross Line Birne“ (unzulässig wären hingegen „Cross Line Melanzani“ und „Cross Line Pfirsich“ – Facebook-User wissen bereits, dass die entsprechenden Emojis geeignet sind, die zarten Gefühle der Facebook-Zensoren zu verletzen).

Oder aber beide bekommen gleichwertige Epitheta. Als Minimalversion gut vorstellbar wären etwa „Cross Line XX“ und „Cross Line XY“, weil wir ja wissen, wie die Krankheit heißt, bei der man nicht aufhören kann zu masturbieren: Y-Chromosom.

Da es aber gerade im Fahrradsektor nicht um eine pink tax geht (den Mehrpreis eines rosaroten Damenbeinrasierers gegenüber einem technisch identischen Herrengesichtsrasierer), sondern um greifbare Unterschiede wie das häufigere Tragen eines Rocks, ist es hier angezeigt, unmissverständlich zu werden, also etwa mit „Cross Line Hoden“ und „Cross Line Eierstock“.

Nur so als Vorschlag.

Schönes Wochenende!

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