Freitag, 29. Januar 2021

Traritrara

 

Meine lieben und hoffentlich gut durchwärmten Lesehäschen, im Leben gibt es bekanntlich Höhen und Tiefen. Tiefen tun sich auf, wenn es im Jänner eine Woche durchschneit und am achten Tag der Regen einsetzt. Wer in frostige Winterlandschaft schaut, glaubt eher an das Gute im Menschen, als wer auf nassem Eis am Steißbein landet. Fakt!

Im Gegenzug feiern wir nach längerer Pause wieder einmal ein – Tusch! – Feedback der Woche. Hurra! Es lautet ungefähr: Briefe tragen eine Adresse und sind daher nicht im Kuvert.

Warum das fürs FdW gereicht hat, dazu später. Zuerst kommt noch ein neues Wort, das euer Kolumnator gelernt (danke, ZEIT!) und das echt gefehlt hat: Es heißt concept creep, sträubt sich gegen eine gelungene Übersetzung und bedeutet, dass Begriffe ihre Bedeutung schleichend und auf nachgerade unheimlich selbstverständliche Weise erweitern. Man kennt das zum Beispiel vom Trauma: Einst musstest du eine über den Schädel kriegen, um ein Trauma davonzutragen. Heute genügt es, davon zu lesen, wie jemand eine über den Schädel gekriegt hat. Und das ist noch milde ausgedrückt.

Ein anderes Schleicherwort ist toxisch, das noch zu Zeiten, als ihr alle schon aus der Schule raus wart, ein Vorzeichen des Magenauspumpens war, während es heute lediglich bedeuten muss, dass dir jemand ernstlich auf den Senkel geht, kraft seiner toxischen Männlichkeit/Weißheit/Beziehungsunfähigkeit und was es da noch für Feinheiten gibt. Es ist durchaus möglich, dass jemand ein Trauma davonträgt, weil er davon liest, wie jemand anderer unter toxischer Männlichkeit zu leiden hat.

Damit schließt sich der Kreis zum Feedback der Woche. Es gibt nämlich das Kuvert, an das wir alle als Erstes denken, wir Fancy-pantsy-Gourmets, nämlich das Kuvert (oder Couvert, weil fancy-pantsy) im Restaurant, also das Gedeck.

Dann gibt es das Kuvert, in das du einst deine Häschenpost gesteckt hast, wahrscheinlich war ein Pony drauf, bevor du die Lasche abgeschleckt und ein Blümchen zur Adresse gemalt hast.

Mittlerweile hat das Kuvertkonzept still und heimlich seinen Aktionsradius erweitert. Heute bedeutet das Kuvert auch den Umschlag, in den die Post die Prospekte einpackt, damit sie sich nicht mit den Briefen in den wichtigen Kuverts mischen. Auf diesem Umschlag (oder Kuvert) ist meistens wer drauf, der gerade voll glücklich ist, dass er ein Prospekt bekommen hat, eventuell eins mit einem Pony drauf.

Und warum ist das jetzt ein Feedback der Woche? Weil es uns allen in Coronazeiten Hoffnung spendet, dass man beim großen Gelben arbeiten kann, ohne parat zu haben, dass ein Kuvert auch ein Briefumschlag ist. Wenn das so ist, gibt es gewiss auch für dich und mich irgendwo ein produktives Plätzchen mit Gehaltsempfang!

Schönes Wochenende!

Freitag, 22. Januar 2021

Blut

 

Wir haben uns, o flauschige Lesehäschen, ja letzte Woche wohl oder übel wieder einmal der Doofheit gestellt. Diese Woche setzen wir noch einen drauf und schauen, was los ist, wenn die Doofheit sich im Wege des Shitstorms Luft macht. Ein Shitstorm kann entstehen, wenn ein geistiges Tiefdruckgebiet an eine Bergkette stößt. Die warme Luft, die solche Tiefflieger gern absondern, ist dann zum Aufsteigen gezwungen, oben wird es ihr aber zu ungemütlich, und sie stürzt sich schleunig wieder in die vertrauten Niederungen, wo sie sich umsomehr aufheizt, und wenn einem zu heiß ist, will der Körper Ballast abwerfen, und dann ist es zum Shitstorm nur noch ein Schritt. Oder so ähnlich.

Betrüblicherweise scheint sich die Trans-Community zu einer kleinen Shitstormwetterküche zu entwickeln, indem man dort das Angerührtsein auf einem Niveau kultiviert, wo die Luft schon dünn und die Sauerstoffversorgung fürs Gehirn entsprechend prekär wird. Euer Kolumnator stellt sich das ein bisschen so vor wie mit den Ländern: Es ist ja bekannt, dass kleine Länder, deren größere Nachbarn dieselbe Sprache sprechen, gegen jene gerne das eine oder andere Ressentiment hegen. Ist ja klar, dass die Österreicher eher was gegen die Deutschen haben als umgekehrt, wäre ja sonst gemein, auf die Kleinen auch noch hinhauen. Insofern ist es vielleicht verständlich, wenn Trans-Menschen Cis-Äußerungen eher in den falschen Hals bekommen als umgekehrt. Aber doof bleibt doof, da helfen keine Pillen, wie die Piefke sagen. Zu spüren bekommt das zum Beispiel Frau Rowling, die sich seltsamerweise nicht auf ihren Harrypottermilliarden ausruht, sondern weiterhin Romane schreibt, allerdings unter Pseudonym. Ihr jüngstes Werk, Troubled Blood, handelt von einem Serienmörder, der sich als Frau verkleidet, um seine weiblichen Opfer in Sicherheit zu wiegen. Das sei schon einmal sehr verdächtig, weil es Männer in Frauenkleidern in ein schiefes Licht rücke.

Wohl wahr, aber wie schief ist erst das Licht, in das sich unsereiner angesichts von Tausenden Männern in Männerkleidern gerückt sieht, die die Krimiregale bevölkern? Von Donald Trump ganz zu schweigen, der weiß Gott genug Unheil angerichtet hat, ohne jemals an Melanias Wäschelade zu gehen (hofft man halt). Sollte man vielleicht, um als Krimiautor auf der sicheren Seite zu bleiben, am besten nur noch nackte Mörder zur Tat schreiten lassen? Nur weil die FKK-Lobby PR-technisch derzeit gegen die Trans-Community abstinkt?

Als Beweis für Frau Rowlings Transfeindlichkeit wird ins Treffen geführt, dass sie sich einmal über die Formulierung „people who menstruate“ lustig gemacht hat, dergestalt, dass sie vorgab, das entsprechende Wort liege er auf der Zunge. Damit, so der Tenor des ihr alsbald entgegenwehenden Shitstorms, schließe sie nicht nur Transpersonen vom Frausein aus, sondern auch Frauen, die nicht mehr menstruieren.

Es ist daher zu vermuten, dass Transleute nicht selten im Faschingsbrief stehen. Denn mit dem Umkehschluss oder, wie wir Klugscheißer gern sagen, der Kontraposition, ist es so:

Wenn das Haus brennt, steigt Rauch auf. Und wenn kein Rauch aufsteigt, brennt das Haus nicht. Das ist der zulässige Umkehrschluss.

So ist es auch mit der Blutung: Wenn du menstruierst, bist du eine Frau. Und wenn du keine Frau bist, dann menstruierst du nicht. Du kannst aber sehr wohl das Menstruieren bleibenlassen und trotzdem eine Frau sein.

Wenn du das nicht so siehst, rufst du wahrscheinlich auch die Feuerwehr, sobald hinterm Haus Rauch aufsteigt. Dann stellt sich heraus, dass es bloß der Nachbar war, der den Griller angeworfen hat. Und schon stehst du im Faschingsbrief, so schnell kannst du gar nicht schauen. Schönes Wochenende!

Freitag, 15. Januar 2021

Sadomaso

 

Es ist, o teure Lesehäschen, wieder einmal Zeit, sich einem bestimmenden Phänomenen unserer Zeit zu kümmern: der Doofheit, für die es einen neuen Lackmustest gibt. Wir verdanken ihn dem Impfexperten Dr. Kollaritsch, der uns nahegelegt hat, es, wenn uns die Impfung gegen Corona nicht passt, doch mit der Erkrankung zu versuchen. Wenn man daraufhin ins Grübeln gerät, steht wahrscheinlich kein Nobelpreis mehr ins Haus.

Keinen Nobelpreis, keinen Oscar und auch sonst keine Auszeichnung gab es (vermutlich mit Recht) für den Film 50 Shades of Grey, den euer Ergebener sich versagt hat, weil man sich, wenn man nur alle heiligen Zeiten ins Kino kommt, ja dann nicht unbedingt den größten verfügbaren Schmarren reinpfeifen muss. Es ist mir aber zu Ohren gekommen, dass den SM-Szenen zumindest der Buchvorlage, jenes herausragenden Stücks Twilight-Fanfiction, mangelnder Realismus vorgehalten wurde, weil dabei gerne Kabelbinder zum Einsatz kommen. Diese lassen sich, wie jeder Heimwerker weiß, mit einem Seitenschneider durchknipsen, aber nicht mehr lösen, es sei dann, man hat einen Geldscheißer und zahlt für die Fancy-Pantsy-Kabelbinder mit der kleinen Lasche. Lösbarkeit aber wäre wichtig, denn wenn du deinem Dom das safe word ins Ohr hauchst, willst du ja nicht, dass er erst lange überlegen muss, wo er neulich den Seitenschneider hinverräumt hat, und schon gar nicht, dass er das Werkzeug zwar findet, dich aber vor lauter Aufregung ein bisschen zwickt, weil ja nicht jeder Schmerz geil sein muss.

Womit wir beim Thema sind, nämlich bei jenem Foto von der Erstürmung des Kapitols, das einen Maskierten im Kampfanzug mit einem Bündel großer Kabelbinder in der Hand zeigt. Seltsamerweise wurde dieser Kerl medial gern mit jenen Schießbudenfiguren in einen Topf geworfen, die Selfies vor großen Schreibtischen machten oder ihren Faschingspelz ins Zentrum der Macht äußerln führten – Tenor: „Hihi, der Verwirrte wollte die USA mit Billigzubehör aus der Elektroabteilung erobern.“

Das war, fürchte ich, ein bissi doof. Denn erstens sollten sich beim Anblick eines Maskierten im Kampfanzug von Haus aus mehr Augenbrauen besorgt nach oben bewegen als beim Anblick eines Wurzelsepps mit Asterixhelm.

Und zweitens könnte es ja sein, dass der Herr die Kabelbinder nicht einfach so spazierentrug, sondern, weil er damit etwas vorhatte. Wäre ich ein Amtsinhaber, dessen Sitz gerade von einem solchen Kabelbinderspazierentrager gestürmt wird, dann würde ich eventuell eins und eins zusammenzählen und mir die eine oder andere Sorge darüber machen, was der genaue Zweck dieser Kabelbinder war.

Womit wir wieder bei 50 Shades of Schamesröte (danke, Nina!) sind. Denn es hat seinen guten Grund, dass in SM-Beziehungen Kabelbinder keine Rolle spielen sollen, während der Herr im Kapitol sehr wohl Verwendung für die seinen zu finden hoffte. Der Grund ist einfach: Bei einem Putsch gibt es kein safe word.  Soviel zur Lächerlichkeit des fraglichen Maskierten. Schönes Wochenende!

Freitag, 8. Januar 2021

Daran denken

 

Willkommen, o frischgewaschene Häschen, im neuen Jahr! Umsomehr, als man mit Fug behaupten darf: So viel neues Jahr war noch nie! Denn es bemisst sich ja die Neuheit danach, wie froh man darüber ist, dass man das alte Graffelwerk endlich zum ASZ bringen kann (für Stadtbewohner: Altstoffsammelzentrum, in vielen kleineren Siedlungen ein Hotspot des gesellschaftlichen Lebens, denn wo kein NahVERsorger mehr gedeiht, gibt es oft immer noch eine ENTsorgungsmöglichkeit für all den Schrott, den man sich übers Internet bestellt). Und wer würde 2020 nicht gerne auf die Müllhalde der Geschichte kippen!

Besser wird es nicht zuletzt deshalb, und da lässt euer Kolumnator jetzt ungeniert den alten Sack raushängen, weil wir nicht etwa viele Missliebigkeiten des alten Jahres nicht mehr erinnern werden, sondern weil wir uns an gedachte Missliebigkeiten nicht mehr erinnern werden.

Wie war das?

Je nun, es gab eine Zeit, an die sich die allermeisten noch erinnern, in der erinnern ein reflexives Verb war. Man erinnerte sich an die alten Zeiten, als das Wünschen noch geholfen hat. Man erinnerte sich an die eigene Schulzeit, die sich nur in digitalen Details vom Bildungsalltag des eigenen Nachwuchses unterschied. Und man erinnerte sich daran, wie es war, als erinnern noch nicht transitiv war.

Jetzt geht es nicht ohne Einschub, weil es nämlich immer schon ein zweites erinnern gab, nämlich das transitive erinnern: Ich erinnere dich daran, vom Bäcker glutenfreie Semmeln mitzubringen. Hier ist dich ein Objekt im vierten Fall (wen oder was erinnere ich?), und wenn ein Verb ein Objekt im vierten Fall hat, nennt man es transitiv, hihi. Vielleicht erinnert ihr auch einander daran, die Mathehausübung rechtzeitig voneinander abzuschreiben. Dann ist einander das Objekt im vierten Fall. Ein solches transitives Erinnern geht nur mit Personen. Zwar kann das Handy mich daran erinnern, den Müll rauszubringen, aber nicht umgekehrt.

Mittlerweile ist uns aber ein drittes erinnern zugewachsen, das ebenfalls transitiv zu sein scheint. Wer es in Aktion sehen will, muss bis zum Anfang des Universums zurückreisen, nämlich zum Anfang des Marvel Cinematic Universe. Denn im ersten Avengers-Film diskutieren die göttlichen Hallodribrüder Thor und Loki nicht etwa, woran sie sich erinnern, sondern was sie erinnern. Als Zuschauer denkt man sich, dass das ein sprachliches Mitbringsel aus Asgard sein könnte, wo die Eisriesen vielleicht schon dies und jenes zerdroschen haben, warum also nicht auch die eine oder andere sprachliche Feinheit. Man lernt dann, dass es in Norddeutschland gang und gäbe ist, etwas zu erinnern. Man fragt sich als Nächstes, warum die Synchronisationsverantwortlichen eine Avengers-Fassung für Nordlichter erstellt haben und ob es auch eine in Standarddeutsch gibt. Bis einem einfällt, dass ja nicht nur Norddeutsche etwas erinnern, sondern auch Engländer samsing rimembern, sodass man enttäuscht zur Kenntnis nimmt, dass wir es also mit einem nicht mit einem sympathischen Fischkoppismus, sondern mit einem doofbanalen Anglizismus zu tun haben, der einstweilen noch weit eher Sinn macht als ergibt.

Und weil wir uns 2021 erinnern werden, wie es im Lockdown war, anstatt den Lockdown zu erinnern, deshalb wird 2021 so prächtig.

Schönes Wochenende!