Freitag, 18. Juni 2021

Aus der Schule geplaudert

 

Endlich einmal gute Nachrichten, o teure Lesehäschen! Wisst ihr noch, wie euer Ergebener vor einer Weile von Sorge erfüllt war, weil der Datenschutz einfach wichtiger ist als der Virenschutz und das Contact Tracing deshalb keine Chance hat? Frohlocket, denn vielleicht gibt es einen Ausweg!

Die Sache ist nämlich so: Die letzte Zeit war nicht etwa eine schwierige, sondern, viel schlimmer, eine „herausfordernde“. Die Herausforderung bestand darin, dass die Bälger ein Gutteil der Zeit vor dem Bildschirm verbrachten. Das war einfach, solange es alle Klassenbälger gleichzeitig betraf. Dann aber teilte Onkel Faßmann die Klassen wie Moses das Rote Meer und führte den Schichtbetrieb in den Schulen ein, sodass jede Gruppe zwei Tage Präsenzunterricht hatte und zwei Tage Distance Learning und freitags alle daheimblieben.  Das war nicht einfach, weil zwar der Lehrkörper sich teilen kann, nicht aber die Körper der Lehrpersonen. In der Praxis saß deshalb die Zuhausebleiberschicht erneut vor dem Bildschirm, genoss aber nicht die heimelige Pädagogik im Teams-Meeting, sondern wurde via Webcam Zeuge, wie die jeweilige Lehrperson eine Präsenzstunde hielt, was das Laptopmikrofon weit über seine Leistungsgrenzen hinaus beanspruchte, sodass unterm Strich ein Charlie-Brown-Effekt entstand, wenn auch elektronisch vermittelt: Die Jugendlichen hörten hochgewachsenen Schemen zu, die unaufhörlich dumpfe Quaklaute ausstießen.

Deshalb fasste die Beste eures Ergebenen sich ein Herz und erkundigte sich, ob das denn sein müsse? Aber natürlich nicht, ward sie beschieden, es sei nur, weil viele Eltern Wert auf diese Form der Beaufsichtigung legten. Wo dies nicht der Fall sei, könne das Balg ruhig in Eigenregie an Lernaufträgen herumfrickeln. So geschah es auch, und alle waren glücklich.

Irgendwann war es bekanntlich vorbei mit dem Schichtbetrieb, und man versammelte sich wieder in den respektiven Bildungstempeln. Dort schaute der Lehrerkörper bisweilen über die Schultern und musste bei einem solchen Blick feststellen, dass das Zweckdichterbalg (14) auf seinem Kollegblock eine Schmierage veranstaltet hatte. Der Lehrerkörper (Mitte 30) ließ sich das Blatt geben, scannte es ein und schickte es per E-Mail den Eltern (Ende 40), um seine Besorgnis um das Fortkommen des Balgs zu illustrieren.

Das ist die gute Nachricht: Wenn ein Lehrerkörper sich Sorgen macht, weil die Mitschrift eines Lernkörpers nicht seinen Ansprüchen genügt, dann sind diese Sorgen so gewichtig, dass man die persönliche Mitschrift des Lernkörpers ruhig per E-Mail durch die Weltgeschichte schicken darf, was ja, wie wir wissen, ungefähr dem Vertraulichkeitsniveau einer Postkarte entspricht. Da tritt also der Datenschutz hinter der äußeren Form der schriftlichen Arbeit zurück. Jetzt müssen wir es nur noch irgendwie dahin bringen, dass die Lehrkörper sich stattdessen Sorgen um das Contact Tracing machen, und schon ist die Sache geritzt, weil wir uns dann um den Datenschutz nicht zu kümmern brauchen.

Restbedenken bleiben allerdings, weil das Zweckdichterbalg in der Schichtbetriebszeit auch freitags auf Distanz zum Distance Learning blieb und sich stattdessen selber mit den diversen Arbeitsaufträgen befasste. Zwei Monate später lernte man daher auf die harte Tour, dass Distance Learning am Freitag etwas anderes ist als Distance Learning im Schichtbetrieb, weshalb gedachtes Balg an sechs Freitagen hintereinander unentschuldigt gefehlt hatte, ohne es zu wissen. Außerdem lernte man, dass man zwar als Erziehungskörper noch am selben Tag ein Mail kriegt, wenn das Balg in seinem Block herumschmiert. Ist das Balg aber gar nicht da, und zwar ganze Tage nicht, und das über mehrere Wochen – dann ist das für mindestens einen Lehrerkörper noch lange kein Grund, die Eltern davon in Kenntnis zu setzen.

Bevor wir also die Pandemiebekämpfung rundweg den Lehrern anvertrauen, werden wohl noch einige Schulungen nötig sein.

Schönes Wochenende!

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