Es ist so weit, o teure Lesehäschen: Die Genderisation frisst ihre Kinder. Einerseits werden immer noch gerne die Mitglieder zu Mitglieder*innen korrigiert, woraus man vielleicht schließen sollte, dass die Genderisation ihre Kinder*innen frisst, weil einfach jedes -er sein Sternchen braucht. Andererseits kommen die ersten Klagen. Es ist ja hieramts seit Jahren bekannt, dass es mit Satzzeichen so eine Sache ist. Besonders der Gedankenstrich und der Doppelpunkt brennen vielen in den Augen, denn was ein ordentlicher Text ist, bei dem soll man nimmer innehalten und etwa gar einen Gedanken fassen wollen, man soll nur immer weitersausen. Der Doppelpunkt ist solchen Geistern, was die Verbotspyramide auf den Rolltreppen der Wiener Linien: Zwischen den Rolltreppen befindet sich eine nur allzu verlockende Rutsche. Damit die Kinder*innen nicht auf blöde Ideen kommen und dann einen haftungsverdächtigen Sprungrekord aufstellen, sind diese Eben-doch-nicht-Rutschen mit faustgroßen Pyramiden bewehrt. Deshalb ist es in den U-Bahn-Stationen Essig mit der großen Rutschsause. Das wirkt zwar spaßhemmend, hat aber den Vorteil, dass man dort kaum je Menschen mit eingeschränktem Urteilsvermögen und gebrochenen Knochen herumliegen sieht.
So ähnlich ist es auch mit den Doppelpunkten und Gedankenstrichen. Manchmal hat es durchaus etwas für sich, wenn der vielzitierte Lesefluss nicht in einem überregulierten Betonbett dahinschießt, sondern auch einmal einen Mäanderhaken schlagen darf. Leider regiert in so manchem Marketingstübchen aber noch der Geist der Wildbachverbauung in den 70er-Jahren (damals bekannt als „die Wildbach“), als jedes noch so kleine Rinnsal mit reichlich glatten Steinen eingehegt wurde, auf dass es rascher zu Tale schieße.
Nun stellt sich in besagten Stübchen die Schwierigkeit, dass man zwar Satzzeichen blöd finden darf, aber Gendersternchen nun einmal sein müssen, umsomehr, wenn man als Unternehmen die Installation von Sternchentoiletten hartnäckig verweigert. Irgendwo muss man schließlich zeigen, dass man weiß, was die Stunde geschlagen hat, und wie schon einmal angemerkt: Ein Sternchen ist deutlich preisgünstiger als eine Installateurspartiestunde. Wenn dann in drei Zeilen ein Sternchen, ein Strichelchen und ein Doppelpünktchen zusammenfinden, ist es laut Feedback Zeit wofür?
Genau: fürs Optimieren.
Aus dem Marketingstübchen nebenan wurden zeitgleich Zweifel angemeldet angesichts der Behauptung, dass „ein Unternehmen seine Stärken“ inszeniere. Natürlich nicht hinsichtlich der Stärken. Vielmehr stellte sich die Frage, ob es sich um seine oder ihre Stärken handle. Letzteres erforderte freilich die Erfindung der Unternehmenin oder vielmehr des*der Unternehmen*in, der*die seine*ihre Stärken nach Gusto ins Rampenlicht stellt.
Oder lieber doch nicht, weil das grammatische Genus halt ist, wie es ist und man einem Neutrum keine Keimdrüsen andichten muss.
An die Kund*innenkarteninhaber*innen hingegen, einen selten graziösen Tausendfüßler von einem Wort, sollten wir uns hingegen vorerst gewöhnen. Schönes Wochenende!
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