Freitag, 23. September 2022

Einfrieren

Mit der Wertschätzung kultureller Hervorbringungen ist es, meine lieben und stets aufnahmefähigen Lesehäschen, eventuell so eine Sache. Dass der Musikgeschmack von Ottilie Normalhörerin so ab 30 allmählich erstarrt, ist ja bekannt. Nur die wenigsten unter uns bleiben bis ins reife Alter von sagen wir 50 noch so interessiert und beweglich, dass sie die aktuellen Newcomer im Popbereich auf Spotify oder gar in den Plattenladen zu locken vermögen.

So weit, so gut. Doch was heißt das für andere Disziplinen? Die Frage stellt sich, weil euer Ergebener in letzter Zeit einerseits Eraserhead zum ersten und Night of the Hunter zum wiederholten Male sah, was beides rundum erfreuliche Erfahrungen waren.

Andererseits gab es auch Uncut Gems von den hochgelobten Safdie-Brüdern mit dem diesfalls ebenfalls hochgelobten Adam Sandler. Das fand euer Zweckdichter anstrengend, wenig lohnend und streckenweise schlicht unglaubwürdig.

Liegt das daran, dass man wie bei der Musik, so auch beim Film irgendwann steckenbleibt und sich sicherheitshalber nur noch Streifen reinpfeift, die die Probe der Zeit bereits bestanden haben? Oder ist es ein Zeichen, dass mancher Film, den heute viele super finden, an ebendieser Probe eventuell scheitern wird? Wer’s weiß, gewinnt ein handwarmes Dosenbier.

Ebenfalls erfreulich, aber vergessen, und zwar zu Unrecht: das Werk von Mechtilde Lichnowsky, das kürzlich bei Zsolnay wieder erschienen ist. Gut angelegte 60 Euro, wenn ihr mich fragt. Irritierend ist nur, dass die Gute immer wieder „nach vorwärts“ oder „nach rückwärts“ geht. Aber die Ausgabe ist chronologisch angelegt, vielleicht kommt sie also noch drauf, dass hier was doppelt moppelt. (Wer grade am Handy rumgedrückt hat, anstatt aufzupassen: Die beiden Wörter tragen die jeweilige Richtung schon in sich, weshalb man voll shmoov von einer Vorwärtsbewegung sprechen kann und nicht von einer Nachvorwärtsbewegung. Sie bedeuten also schon „nach vorne“ respektive „nach hinten“. Wer „nach vorwärts“ schaut, schaut deshalb „nach nach vorne“, und wer macht denn sowas.)

Noch etwas, das länger überdauert, als man gedacht hätte: Zwei Stiche am Bauch vom Zweckdichterhund. Der hatte nämlich ein dickes Lipom an der Brustseite. Weil es im Weg war, wurde es entfernt, die Narbe ist doppelt so lang wie die, durch die mein Blinddarm mich verlassen hat. Die meisten Stiche hat der Tierarzt (nicht der Operateur, der andere) entfernt. Aber bei den letzten beiden hat sich das Vieh dermaßen gebärdet, dass der Tierarzt gemeint hat, das könne man vielleicht in Eigenregie machen, wenn er schlafe.

Habt ihr schon einmal so fest geschlafen, dass ihr es nicht mitbekommen hättet, wenn jemand mit einer Nagelschere durch eine Fadenschlaufe in eurer Bauchdecke fährt, um die abzuknipsen?

Ich auch nicht.

Deshalb heute also wieder Besuch, nämlich beim Operateur. Der hat so viele helfende Hände in seiner Praxis, dass es gelingen wird, den Kerl ausreichend lange und stabil zu fixieren, damit er auch die letzten Spuren der OP loswird. Und dann: Schönes Wochenende!


 

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