Freitag, 24. Februar 2023

Visionen

 

Lesen, und wer wüsste das besser als ihr, o vielgeliebte Lesehäschen, bildet bekanntlich. Freilich bildet es bisweilen die Meinung, dass man es sich sparen hätte können, den Blödsinn zu lesen. So wurde in der ZEIT ein Alexander Kluge befragt, wie man aus dem Ukrainekrieg herauskommen könne. Man wandte sich an einen Berufenen, denn der Gute ist anscheinend „Filmemacher, Fernsehproduzent, Schriftsteller, Drehbuchautor, bildender Künstler, Philosoph und Rechtsanwalt“. Allerdings fehlen hier mindestens noch „Komponist, Architekt und Hebamme“.

Und siehe: Er hat nicht nur eine Meinung, er hat Visionen. Nämlich: „Die Lieferung von Baumaterial für den Wiederaufbau der zerstörten Ukraine könnte die Einbildungskraft für die Zeit nach dem Krieg entzünden.“ 

Ich weiß ja nicht, wie es euch geht. Aber wenn ich ein Ukrainer wäre, und die deutsche Bundesregierung (oder auch die österreichische) stellt mir eine Palette Ziegel vor die Tür, während ich auf Telegram mitverfolgen kann, wie der russische Vorstoß in meine Richtung so läuft, dann würde das zweifellos meine Einbildungskraft entzünden, aber möglicherweise weniger in Richtung des von Kluge imaginierten gemeinsamen Wiederaufbaus als hinsichtlich dessen, was ich mit den Verantwortlichen gern anstellen würde.

Doch Kluge ist auch Realist: „Dass Panzerlieferungen helfen, den Krieg zu beenden, glaube ich nicht.“ Wie wahr. Wem es darum zu tun ist, der sollte Panzer natürlich nicht an die Ukraine liefern, sondern an Russland. Kluge reiht sich damit bei jenen Geistesgrößen vom Schlage Peter Weibels und Alice Schwarzers ein, die schon im vergangenen Jahr in einem offenen Brief dazu aufforderten, den Krieg raschest zu beenden, und diesen Appell nicht etwa an Putin richteten, sondern an Scholz.  

 A propos Geistesgrößen: Sophie Passmann hat sich, ebenfalls in der ZEIT, darüber Gedanken gemacht, wie unfair die Welt zu Madonna und zu Frauen im Allgemeinen ist. Denn:

Ausnahmslos jede Frau, die eine Karriere in der Öffentlichkeit hat, ist mit der Tatsache konfrontiert, dass ein Teil des Wertes ihrer Persona mit ihrem Aussehen zu tun hat. Das klingt gewaltvoll, als würde man einen Teil seines inneren Wertes ohnehin kompromittieren müssen, wenn man sich als Frau der Öffentlichkeit stellt.

Nun habe ich keine Ahnung, wie Frau Passmann aussieht. Ich weiß aber, dass sie zu einem nicht geringen Teil vom Schreiben lebt. Deshalb muss ich leider feststellen, dass sie einen Teil ihres inneren Wertes „kompromittiert“ hat, weil sie die Wendung „würde man müssen“ anstatt eines schlichten „müsste man“ in die Öffenlichkeit gestellt hat, von „gewaltvoll“ ganz zu schweigen. Tja, schade. Es wäre so einfach gewesen.

Schönes Wochenende!

Freitag, 17. Februar 2023

Unter Druck

 

Von der Gamification, die Billigfluglinien so attraktiv macht, war hieramts schon die Rede, o fernwehgeplagte Lesehäschen: Man zahlt ja den lächerlichen Preis nicht für den Flug (der dank Zertifikatshandel übrigens CO2-technisch wurscht ist, solange du in Europa bleibt – die Zertifikate sind gekauft und werden garantiert verbraucht, ob du fliegst oder nicht), sondern für das Privileg, sich mit der fiesen Fluglinie zu matchen und zu sehen, ob du es wirklich schaffst, um diesen Preis zu fliegen oder ob du in eine der zahlreichen Fallen tappst wie zum Beispiel jene, den Online-Check-in zu vergessen, was eine Deppensteuer in mehrfacher Höhe des Ticketpreises nach sich zieht.

Übrigens musst du zwar online einchecken, um besagte Deppensteuer zu sparen. Du kannst das aber nur für den Hinflug erledigen, weil dies erst 24 Stunden im Voraus möglich ist. Es sei denn, du klickst den kleinen Schalter, auf dem „Check-in freischalten“ steht. Dann geht es auch für den Rückflug, vorausgesetzt, du wählst bereits deinen Sitzplatz aus, was wiederum von acht Euro aufwärts kostet, während der zufällig zugewiesene ohne Extragebühr benützt werden kann. Du beschließt also, es zu riskieren, dass du in der Ferne einen Drucker findest. Es gibt aber keinen Zurück-Button. Du musst dich wieder ausloggen und von vorn anfangen.

Und so weiter – die Reise mit Billiganbietern ist wie ein schlechtes Textadventure aus den 80ern. You are in a maze of twisty little extra offers, all alike. Man fragt sich, wie das läuft, wenn man sich als Kopilot für einen Flug eintragen will, wofür man ja bekanntlich ebenfalls bezahlen muss. Da es dort schwer möglich ist, einen Platz zufällig anzuweisen, kostet vielleicht das Sitzpolster extra?

Die Ähnlichkeit mit einem Textadventure endet jedenfalls, wenn du dann wirklich so weit bist, deine Bordkarten auszudrucken. Du musst sie ausdrucken, sonst sind sie nicht gültig. (Du könntest auch die App installieren, doch leider lehrt die Erfahrung, dass diese alles andere als harmlos ist, zumal besser abgehangene Leute wie euer Ergebener, also solche, die schon länger Genossen der Zeit sind, auf dem kleinen Bildschirm Fallstricken schwerer ausweichen als auf dem großen.)

Also lädst du das PDF herunter und druckst es. Und hast verloren. Denn ganz egal, wie genau  du liest, ergeben noch einmal an den Start zurückkehrst, gut versteckte Auswahlmöglichkeiten findest und so weiter: Spätestens beim Drucken haben sie dich doch. Denn nicht nur hat die erste Bordkarte einen vollflächig blauen Hintergrund, aus keinem anderen Grund als jenem, dass irgendwer dass nett gefunden hat (die weiteren sind nämlich weiß). Die Bordkarte nimmt auch nur ein Viertel der PDF-Seite ein. Zwei weitere enthalten nützliche Hinweise, die Geld kosten, wenn du sie befolgst. Das vierte Viertel aber ist: eine vollflächige Anzeige für irgendwas anderes von Ryanair. Wie geschickt du dich also auch anstellst, am Ende schenkst du Ryanair deine Druckertinte für ihre Werbung. Guten Flug und schönes Wochenende!