Freitag, 24. November 2023

Herren in Strapsen

 

Hat jemand, o stets gepflegt auftretende Lesehäschen, meine Sockenhalter gesehen?

Natürlich nicht. Nicht einmal ich selbst habe meine Sockenhalter schon einmal gesehen, weil nämlich die elastanhaltige und somit selbsthaltende Socke schon zur Zeit meiner Geburt erfunden war. Einst aber trug der Herr von Welt ums Knie oder die Hüfte eine Art Strumpfbandgürtel, um seine Socken mit Bändern daran zu befestigen, die andernfalls eine Wollwurst um seine Knöchel gebildet hätten. Kein Mann ohne Strapse, sozusagen.

Heute ist der Sockenhalter gänzlich abgekommen. An der Sneakersocke wäre er nutzlos, weil diese ja keinen Schaft besitzt, der absacken könnte. Stattdessen zeigt man oberhalb des Sneakers Knöchel, und zwar auch als Dame, ein Anblick, nach dem der durchschnittliche Sockenhalterträger sich mal eben ein kaltes Sitzbad gegönnt hätte.

Es ist also kein Wunder, dass in den Läden keine Sockenhalter mehr zu finden sind. Irgendwann hat es wohl eine Übergangszeit gegeben, in der sich Leute alt fühlten, weil sie sich noch an die gute alte Sockenhalterzeit erinnern konnten.

Heute geschieht dies eurem Ergebenen, nur nicht mit Sockenhaltern, sondern mit Schuhcreme. Denn galt lange Zeit das Butterschmalz als das Produkt mit dem höchsten Durchschnittskaufalter, so ist es nun offenbar das Schuhpflegeprodukt. Seit euer Ergebener in einer Runde von mindestens zehn Personen der Einzige ohne Sneakers war, ist auch klar, woran das liegt: Es trägt niemand mehr Schuhe, die man putzen müsste oder auch nur vernünftig putzen könnte. Wer es sich leisten kann, greift vielmehr zu Golden Goose, welche Marke keineswegs glänzt, aber umsomehr auffällt, weil die Schuhe schon zart vorbeschmuddelt sind, was mit Preisen ab 550 Euro (der Name ist Programm) nicht teuer bezahlt ist, wenn man bedenkt, wieviel Putzarbeit man sich erspart. Der Einzelhandel trägt dem Rechnung. Einst gab es im Drogeriemarkt ein Schuhpflegeregal. Dort fand man klassische Schuhcreme, Sofortglanz mit Applikator für die Faulen, Imprägnierspray, Nubukzeugs, Bürsten und so weiter und so fort. Man trug das Gewünschte nach Hause und widmete sich dem Schuhwerk, auf dass es wieder durch Schönheit erfreue.

Heute gibt es an der entsprechenden Stelle ungefähr vierzig Regalzentimeter. Darauf befindet sich Sofortglanz von zwei verschiedenen Marken in den Geschmacksrichtungen braun, schwarz und farblos. Aus. Erst kürzlich fragte sich euer Zweckdichter, wie es kapitalistisch möglich ist, dass im dritten Bezirk immer noch ein Spezialgeschäft für Schuhzubehör existiert. Ja, wirklich: Man bekommt dort keine Schuhe, sondern Cremes, Lotionen, Tüchlein, Schuhspanner und so fort. Wovon der Laden lebt, ist nun klar: Es dauert noch eine Weile, bis alle weggestorben sind, die Schuhe außer Sneakers ihr eigen nennen und diese zumindest hin und wieder putzen.

Fraglich bleibt erstens, wie die Sache heutzutage beim Bundesheer gehandhabt wird. Früher war dort ausschließlich klassische schwarze Schuhcreme in der Blechdose zulässig (nicht die, die in amerikanischen Soldatenfilmen gern vor dem Auftragen zwecks Erweichung kurz in Brand gesetzt wird, aber so ähnlich). Tipp: Glänzen am besten mit einem Nylonstrumpf, geht in Nullkommanix.

Und zweitens, was die Drogeriemärkte in die frei gewordenen Regalmeter gestellt haben. Wahrscheinlich Barfußsneakerpuder, denn auch die Sneakersocke wird nicht ewig währen. Schönes Wochenende!

Freitag, 17. November 2023

Endlich vereint

 

Es ist, o mit Recht enttäuschte Lesehäschen, auch dies zum Kotzen: Was hat eigentlich Greta Thunberg geritten? Weiß man das, irgendwie? Dass viele Aufgeweckte sich schwer damit tun, Israels Existenzrecht anzuerkennen, ist ja leider nichts Neues. Noch auch, dass sie deshalb gern mit Wörtern wie „Kolonialmacht“ oder „Apartheid“ um sich werfen, die nichts belegen als ihre mangelnde Vertrautheit mit der handelsüblichen Bedeutung dieser Begriffe. (Merke: Wenn Angehörige einer bestimmten Ethnie in einem bestimmten Staat, der von einer anderen Ethnie regiert wird, mehr demokratische Rechte haben als in den umliegenden Staaten, die von ihrer eigenen Ethnie regiert werden, wie das bei den arabischstämmigen Israelis der Fall ist und bei den Schwarzen in Südafrika aber sowas von nicht der Fall war, dann ist Apartheid nicht das Wort, das du suchst.)

Noch ist es etwas Neues, dass die Linke sich mit Leuten auf ein Packl haut, die Juden gern tot sehen. Schon die RAF hat sich ja von palästinensischen Terroristen erklären lassen, wie man Leute in die Luft sprengt. Angesichts der Hamas haben nun auch Denkerinnen auf Wettkampfniveau wie Judith Butler gemerkt, dass sie sich in den letzten Jahren irgendwie blöd in die Ecke geschrieben haben. Einerseits ist offensichtlich, dass die Hamas eine Terrororganisation ist, für die die ärgsten Greuel eine Riesengaudi sind. Andererseits will man anscheinend nicht zugeben, dass man ideologisch aufs falsche Pferd gesetzt hat. Nun wissen die klügsten Köpfe nicht mehr, was sie eigentlich sagen sollen. Von der ZEIT nach ihrer Bewertung des Terrorangriffs der Hamas und der israelischen Reaktion darauf befragt, behauptet Butler wortreich, gefragt worden zu sein, wer die Schuld trage, und weist „bei allem Respekt“ darauf hin, dass man „alle Schäden und alle Akteure benennen“ müsse. Anscheinend hat Butler ein Rhetorikseminar bei Herbert Kickl gemacht, um endlich zu lernen, wie man nicht auf die Frage antwortet, vielleicht ergänzt durch ein Sparring mit Arming Wolf.

Und weil wir schon bei „allen Schäden und allen Akteuren sind“ und weil euer Ergebener eben kein Politiker ist, deshalb einfach mal hingerotzt: Wenn Ägypten, Jordanien und Syrien Israel nicht angegriffen hätten, dann hätte Israel den Gazastreifen im Sechstagekrieg nicht besetzt. Falls jemand unter all jenen, die den Hamas-Terror „im Kontext“ betrachtet wissen wollen und für die dieser Kontext typischerweise immer erst nach der Shoah anfängt, hier mitliest, kann er mir vielleicht erklären, warum gerade dieser Kontext nicht erheblich ist.

Aber das nur nebenbei.

Mir scheint, wenn die internationale Top-Philosophie auf dem Interviewniveau der österreichischen Innenpolitik angelangt ist, ist es Zeit für eine kleine Erholungsphase. Selbst dann, wenn sich dabei nur der Eindruck weiter verfestigt, die größte Stärke von Judith Butler sei es, den Schmäh am Dekonstruktivismus nicht verstanden zu haben.

Angesichts solcher Fehltritte darf man sich nicht wundern, wenn auch Greta Thunberg einen Schmarrn daherredet (die Witzchen über Schulstreik und so darf bitte jeder selber ergänzen). Traurig ist es aber schon, dass Murphys Gesetz selbst hier so hart reinhaut. Es gäbe so harmlose Berührungspunkte zwischen Greta und Elon Musk – die alternativen Energien, die Überzeugung, etwas bewegen zu können und zu müssen, und so weiter und so fort. Aber wo sind sie sich einig? Beim Antisemitismus. Na bravo.

Ich wünsche euch ein den Umständen entsprechendes Wochenende.

Freitag, 10. November 2023

Reisen bildet

Man muss sich, o schwer geprüfte Lesehäschen, auch über die kleinen Dinge freuen. Zum Beispiel gab es unter den Facebook-Freunden eures Ergebenen nur eine einzige Person, die nach dem 7. Oktober begonnen hat, antisemitischen Dreck zu teilen. Das ist kein schlechter Schnitt, meine Lieben! Facebook wird es freilich nicht heilen. Angesichts dessen, was der Algorithmus für Werbebotschaften hält, die für mich relevant sein könnten, können wir alle noch ein bisschen trainieren, ehe es mit dem Kampf gegen die Maschinen so richtig losgeht.

Apropos: Texas ist eine Reise wert. Einzige Enttäuschung: Texas ist zwar wie die meisten Bundesstaaten ein open carry state, sodass man nur für das versteckte Tragen einer Schusswaffe eine Genehmigung braucht, die auch nicht sonderlich schwer zu bekommen ist. Trotzdem läuft niemand (außer natürlich Polizisten) mit einem Revolver am Gürtel herum. Ansonsten ist es aber so, wie man es sich vorstellt, nur mit besserem Essen. Allen, die der österreichischen Tradition anhängen, an warmen Samstagnachmittagen Fleisch in Kohle zu verwandeln und sich anschließend einzureden, man habe gerade Essen zubereitet, sei ein Besuch im texanischen Barbecue ans Herz gelegt, wo sogar Pute als saftig-zarte Köstlichkeit serviert wird. Eine weitere österreichische Tradition, die man in Texas vergeblich sucht und die keineswegs auf den Osten des Landes beschränkt ist, ist das Sudern, auch bekannt als Motschkern, Raunzen, Jammern und so weiter. Sympathisch ist auch die Selbstverständlichkeit, mit welcher der Texaner die Welt in hier und anderswo einteilt. Sie findet ihren Ausdruck in der Wendung, mit der er Kontakt zu Fremden sucht: Y’all visiting from out of town? Ja, mein Bester, wir sind nicht aus der Stadt. Freilich auch nicht aus dem county, dem Bundesstaat oder überhaupt dem Kontinent. Out of town ist halt ein ähnlich dehnbarer Begriff, wie wenn dir die Stimme sagt, deine voraussichtliche Warteschleifenzeit betrage „mehr als 20 Minuten“. Je nun, es kann sich also ausgehen, ehe wir in einer Supernova verglühen. Muss aber nicht.

Irritierend wirkt eine gewisse Blindheit gegenüber globalen Sachverhalten. Dass man einen Zweieinhalbtonnen-Pickuptruck als mittelgroßes Familienauto sieht, geht dem europäischen Besucher heute nicht mehr als liebenswerte Schrulle ein. Noch seltsamer wird es im mehr oder weniger akademischen Umfeld. So bekommt man im Houston Space Center in zahlreichen Videos von Wissenschaftlern und anderen gebildeten Menschen erzählt, wie sehr der Blick von der ISS auf die Erde ihnen geholfen habe, unseren Planeten als verletzlich und schützenswert zu begreifen. Das ist erfreulich. Aber warum bringt man diese Botschaft in Räumen unters Volk, die tiefer herunterklimatisiert sind, als wir die Heizung hinaufdrehen, wenn wir uns putinbedingt eh schon die gewohnte Komforttemperatur versagen? Also Tipp: Auch bei sommerlichen Außentemperaturen Pullover einstecken, für den Fall, dass man irgendwo hineingeht. Es muss nicht unbedingt das obgedachte Space Center sein. Wenn man vom Parkplatz aus die Boeing mit dem Space Shuttle obendrauf erspäht hat, hat man das Beste eigentlich schon gesehen, vielleicht mit Ausnahme des originalen Mondlandekontrollzentrums inklusive originaler Aschenbecher, die, und das macht den Charme der Sache aus, mit fast originalen Stummeln befüllt wurden, wobei man nämlich – wer kennt sich heutzutage mit Tschicken noch aus – die Asche vergessen hat.

Schönes Wochenende!