Hat jemand, o stets gepflegt auftretende Lesehäschen, meine Sockenhalter gesehen?
Natürlich nicht. Nicht einmal ich selbst habe meine Sockenhalter schon einmal gesehen, weil nämlich die elastanhaltige und somit selbsthaltende Socke schon zur Zeit meiner Geburt erfunden war. Einst aber trug der Herr von Welt ums Knie oder die Hüfte eine Art Strumpfbandgürtel, um seine Socken mit Bändern daran zu befestigen, die andernfalls eine Wollwurst um seine Knöchel gebildet hätten. Kein Mann ohne Strapse, sozusagen.
Heute ist der Sockenhalter gänzlich abgekommen. An der Sneakersocke wäre er nutzlos, weil diese ja keinen Schaft besitzt, der absacken könnte. Stattdessen zeigt man oberhalb des Sneakers Knöchel, und zwar auch als Dame, ein Anblick, nach dem der durchschnittliche Sockenhalterträger sich mal eben ein kaltes Sitzbad gegönnt hätte.
Es ist also kein Wunder, dass in den Läden keine Sockenhalter mehr zu finden sind. Irgendwann hat es wohl eine Übergangszeit gegeben, in der sich Leute alt fühlten, weil sie sich noch an die gute alte Sockenhalterzeit erinnern konnten.
Heute geschieht dies eurem Ergebenen, nur nicht mit Sockenhaltern, sondern mit Schuhcreme. Denn galt lange Zeit das Butterschmalz als das Produkt mit dem höchsten Durchschnittskaufalter, so ist es nun offenbar das Schuhpflegeprodukt. Seit euer Ergebener in einer Runde von mindestens zehn Personen der Einzige ohne Sneakers war, ist auch klar, woran das liegt: Es trägt niemand mehr Schuhe, die man putzen müsste oder auch nur vernünftig putzen könnte. Wer es sich leisten kann, greift vielmehr zu Golden Goose, welche Marke keineswegs glänzt, aber umsomehr auffällt, weil die Schuhe schon zart vorbeschmuddelt sind, was mit Preisen ab 550 Euro (der Name ist Programm) nicht teuer bezahlt ist, wenn man bedenkt, wieviel Putzarbeit man sich erspart. Der Einzelhandel trägt dem Rechnung. Einst gab es im Drogeriemarkt ein Schuhpflegeregal. Dort fand man klassische Schuhcreme, Sofortglanz mit Applikator für die Faulen, Imprägnierspray, Nubukzeugs, Bürsten und so weiter und so fort. Man trug das Gewünschte nach Hause und widmete sich dem Schuhwerk, auf dass es wieder durch Schönheit erfreue.
Heute gibt es an der entsprechenden Stelle ungefähr vierzig Regalzentimeter. Darauf befindet sich Sofortglanz von zwei verschiedenen Marken in den Geschmacksrichtungen braun, schwarz und farblos. Aus. Erst kürzlich fragte sich euer Zweckdichter, wie es kapitalistisch möglich ist, dass im dritten Bezirk immer noch ein Spezialgeschäft für Schuhzubehör existiert. Ja, wirklich: Man bekommt dort keine Schuhe, sondern Cremes, Lotionen, Tüchlein, Schuhspanner und so fort. Wovon der Laden lebt, ist nun klar: Es dauert noch eine Weile, bis alle weggestorben sind, die Schuhe außer Sneakers ihr eigen nennen und diese zumindest hin und wieder putzen.
Fraglich bleibt erstens, wie die Sache heutzutage beim Bundesheer gehandhabt wird. Früher war dort ausschließlich klassische schwarze Schuhcreme in der Blechdose zulässig (nicht die, die in amerikanischen Soldatenfilmen gern vor dem Auftragen zwecks Erweichung kurz in Brand gesetzt wird, aber so ähnlich). Tipp: Glänzen am besten mit einem Nylonstrumpf, geht in Nullkommanix.
Und zweitens, was die Drogeriemärkte in die frei gewordenen Regalmeter gestellt haben. Wahrscheinlich Barfußsneakerpuder, denn auch die Sneakersocke wird nicht ewig währen. Schönes Wochenende!