Freitag, 15. November 2013

Mund nach Art


Dialekt in der Werbung ist wie Whisky statt Frühstück: Entweder es ist super, oder du speibst ohne Ansage. Woran liegt das bloß?
Als Werber nehmen wir Werbung intensiver wahr als die Zielgruppe. Das ist einfach so, da können wir nicht aus, das kommt mit dem Beruf: Mikrobiologen haben die saubersten Klos, der Friseur macht sich zuerst selber die Haare schön, und Werber schauen Werbung. Texter lesen sogar die Copy, wodurch wir angeblich einer höchst exklusiven Runde angehören. Manchmal reicht es aber schon, die Headline zu lesen, und oft gibt es auch nichts anderes, z.B. am Plakat. Plakate haben ja nur in Fällen extremer Ahnungslosigkeit oder Verzweiflung eine Copy. Eine Copy zu haben ist der größte Fehler, den eine seit längerem affichierte Charity-Kampagne NICHT macht. Äußerst fragwürdig, also auf gut Deutsch: vollkommen daneben, finde ich die Art, wie Dialekt und Standardsprache hier im Headline-Dialog eingesetzt werden, nach dem Muster:
"I sog afoch, wos i ma deng." - "Der Gebildete erkennt hier einen Deutungskomplex aus autochthoner Sprechweise und Wahrheitsanspruch." 
(Hier geht es zu den Originalbeispielen)
Nämlich:
Liegt es an mir, oder ist es tatsächlich so, dass wir dazu neigen, Dialektsprechern einen niedrigeren Status, eine geringe Bildung zuzuschreiben?
Liegt es an mir, oder ist es tatsächlich so, dass der Dialektsatz dem Klienten in den Mund gelegt ist, die standardsprachliche Erläuterung dagegen von der werbenden Organisation kommt?
Wenn es nicht an mir liegt, kann ich nur sagen: Konzept, Text und Beratung haben dem Kunden hier je 1 Bärendienst erwiesen. Weil für Bosnigl wie mich sofort klar ist, wie die Ressourcen an Macht und Bildung im Verhältnis von Organisation und Klienten verteilt sind. Nicht umsonst rät Nestroy: "Sprich, wie dir der Schnabel wuchs!"
Recht ordentlich finde ich übrigens die Fotos, aber davon verstehe ich ja nichts.

Das soll natürlich nicht heißen, dass Dialekt in der Werbung immer schlecht ist. Freudig erinnern wir uns an das Ottakringer 16er Blech. Schön sprechen!

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