Ich
lese in letzter Zeit allerlei über Flüchtlinge, die sich – angeblich oder
tatsächlich – sexistisch verhalten. Entsprechende Meldungen breiten sich, ob
wahr oder nicht, schneller aus als iPhone-Gewinnspiele. „Raumgreifend und bedrohlich“ sei das, meint Frau Johanna Sigl, die
in Marburg an einer politikwissenschaftlichen Dissertation über rechtsextreme
Frauen (glaubich) schreibt. (Natürlich meint sie damit die rasche Verbreitung
der Falschmeldungen.)
Sie
führt weiter aus: „Das Bedrohliche, das
in diesem Fall die Frauenverachtung ist, wird an den ‚fremden Mann’ delegiert.
Das ist auch ein Schutzmechanismus, um sich nicht mit dem Sexismus in den
eigenen Reihen auseinandersetzen zu müssen.“ Leider verstehe ich das nicht.
Vor allem verstehe ich nicht, warum sexistische Inländer ihren eigenen Sexismus
bedrohlich finden sollten, noch auch, warum der
„fremde Mann“ in Anführungszeichen steht.
Da
lese ich lieber den Artikel von AdamSoboczynski, der der Frage nachgegangen ist, warum die Lebensgefährten und
Ehemänner der Frauen in der Kölner Silvesternacht nicht verteidigt und
beschützt haben, sondern, in einem bekannt gewordenen Beispiel, ihrer Freundin
die Hand gehalten haben. Er zitiert zwei russische Autorinnen, die – sicherlich
zurecht – erklärten, ein solches Szenario sei in Russland undenkbar.
Das
ist, so auch Soboczynski, kein Wunder. Wir heutigen Männer in Deutschland und
Österreich haben vollstes Verständnis für den Konstruktcharakter von
Geschlechterrollen. Und für ein soziales Konstrukt riskieren wir ungern eine
aufs Maul.
So
ist das Kölner Dilemma entstanden: Einerseits sind wir uns darüber einig, dass
Frauen nicht begrapscht werden dürfen. Andererseits sind wir so reflektiert und
vernünftig, dass wir hilflos sind, wenn es doch geschieht. Mich erinnert das an
einen Witz, der angeblich im
Ständestaat kursierte: Auf den Landeshauptmann zu schießen ist 3.000 Schilling
und sechs Monaten Kerker bedroht, beim Kanzler sind es 10.000 Schilling und
fünf Jahre Kerker, und auf den Herrn Bundespräsidenten zu schießen – das ist
überhaupt verboten.
Was
also tun? Wir haben Frauen, die sich außerstande sahen, sich gegen die
Angreifer zur Wehr zu setzen, und Männer, die nicht wussten, wie sie im Rahmen
ihrer reflektierten, Gender-maingestreamten Identität korrekt reagieren
sollten. (Auch dazu eine Anekdote: Vor etlichen Monaten kam es zu einer
Rempelei zwischen der Tochter eures ergebenen Kolumnators und einer
Mitschülerin. Deren Vater meinte, die Kinder sollten Konflikte verbal regeln.
Da ich die rhetorischen Fähigkeiten beider Prinzessinnen ungefähr kenne, habe
ich seiner Kleinen dabei viel Glück gewünscht. Ob das die Sache für irgendwen
besser macht?)
Denn
das Problem besteht ja nicht nur darin, ob man sich als moderner westlicher
Mann traut, wen zu hauen. Ebenso
schwer wiegt die Frage, ob man das überhaupt darf, ohne sich der mühsam
erworbenen, emanzipatorisch wertvollen Identität zu begeben bzw. ohne die
Emanzipation der betroffenen Frau in Frage zu stellen, die dann doch wieder
einen männlichen Beschützer gebraucht hat.
Wenig
hilfreich ist leider auch der „DachverbandMännerarbeit Österreich“, der sich kürzlich gegründet hat. Ihm geht es vor
allem um „Care-Aufgaben“, denen sich Männer
verstärkt widmen können sollen. Leider rutschen da knackige Aussagen mit wie „Selbstwert statt Ego-Shooter“. Das
trifft mich hart als eingefleischten Shooter-Zocker, der dennoch seit vielen
Jahren redlich bemüht ist, seinen Teil an Care-Aufgaben zu versehen. Auch auf
die Frage, ob es zu den Care-Aufgaben zählt, seine Geliebte vor unerwünschten
Nachstellungen zu bewahren, bleibt der DMÖ leider die Antwort schuldig.
Doch
ich muss gestehen: Im Grunde verstehe ich das Dilemma nicht so recht. Warum
stellt sich in einer gedeihlichen Paarbeziehung überhaupt die Frage, wer wen beschützt oder auf sich selbst
aufpassen kann? Wäre es nicht viel einfacher, die vom DMÖ angestrebte reale
Arbeitsteilung nicht nur auf Betreuungsaufgaben und Broterwerb zu beschränken,
sondern sich ganz fest vorzunehmen: Wenn wir gemeinsam unterwegs sind, und es
kommt jemand, der einem von uns Böses will, dann hauen wir ihm (oder ihr!) mit vereinten
Kräften aufs Maul? Ob’s klappt, weiß ich nicht, aber eines weiß ich: Ich bin dafür.
Nachtrag: In dieStandard schreibt Nils Pickert heute: Statt also darauf zu hoffen, dass ein mit einer Gewaltvollmacht ausgestattetes männliches Geschlecht nur die Handlungsaufträge annimmt, die wir für richtig halten, sollten wir dazu kommen, gesamtgesellschaftlich aktiv zu werden und Verantwortung zu übernehmen. Damit niemand, wirklich niemand sich dadurch in seiner Geschlechtsidentität bestätigt fühlt, dass er Gewalt gegen andere einsetzt.
Dem kann ich mich nur vollrohr anschließen. Allerdings mit dem Zusatz, dass gesamtgesellschaftliches Aktivwerden eher eine langfristige Strategie ist. Also, wenn du eine Hand an deinem Hintern spürst, ist es dafür bissi spät. Da hast du dann doch besser einen Plan B, ohne dass der unbedingt deine Geschlechtsidentität bestätigen muss. Statt also darauf zu hoffen, dass ein mit einer Gewaltvollmacht ausgestattetes männliches Geschlecht nur die Handlungsaufträge annimmt, die wir für richtig halten, sollten wir dazu kommen, gesamtgesellschaftlich aktiv zu werden und Verantwortung zu übernehmen. Damit niemand, wirklich niemand sich dadurch in seiner Geschlechtsidentität bestätigt fühlt, dass er Gewalt gegen andere einsetzt. - derstandard.at/2000031706763/Der-windelweiche-Mann
Nachtrag: In dieStandard schreibt Nils Pickert heute: Statt also darauf zu hoffen, dass ein mit einer Gewaltvollmacht ausgestattetes männliches Geschlecht nur die Handlungsaufträge annimmt, die wir für richtig halten, sollten wir dazu kommen, gesamtgesellschaftlich aktiv zu werden und Verantwortung zu übernehmen. Damit niemand, wirklich niemand sich dadurch in seiner Geschlechtsidentität bestätigt fühlt, dass er Gewalt gegen andere einsetzt.
Dem kann ich mich nur vollrohr anschließen. Allerdings mit dem Zusatz, dass gesamtgesellschaftliches Aktivwerden eher eine langfristige Strategie ist. Also, wenn du eine Hand an deinem Hintern spürst, ist es dafür bissi spät. Da hast du dann doch besser einen Plan B, ohne dass der unbedingt deine Geschlechtsidentität bestätigen muss. Statt also darauf zu hoffen, dass ein mit einer Gewaltvollmacht ausgestattetes männliches Geschlecht nur die Handlungsaufträge annimmt, die wir für richtig halten, sollten wir dazu kommen, gesamtgesellschaftlich aktiv zu werden und Verantwortung zu übernehmen. Damit niemand, wirklich niemand sich dadurch in seiner Geschlechtsidentität bestätigt fühlt, dass er Gewalt gegen andere einsetzt. - derstandard.at/2000031706763/Der-windelweiche-Mann