Freitag, 23. Dezember 2016

Ruhe




















Heiligabend wieder naht,
dein Rechner wird bald abgedraht.
Du hast die Stunden eingetragen,
Den Boss gedrückt und, ohne Fragen,
ihm eine gute Zeit gewunschen.
Vorbei ist’s endlich mit dem Punschen.
Aufs Christkind trinken wir zuhause
Dort hat der Fusel Festtagspause.

Was soll ich euch zur Weihnacht dichten?
Ihr kennt sie doch, die alten G’schichten.
Wie der Knecht Ruprecht die Beine hebt.
Wie Loriots Förster als Filetstück auflebt.
Wie dem Englein die Kekse hinunterfallen
Und von des Weihnachtsmanns Überschall-Knallen –
Von alldem kann ich nichts Neues sagen.

Gut so! Unter Baum bleibt alles beim Alten.
Freu dich, dass du dasitzt, noch immer kaum Falten.
Schalt ein die CD, zünd an die Lichter
Und trink einen Schluck auf deinen Zweckdichter.

Freitag, 16. Dezember 2016

Brieferl


Das Wetter draußen ist furchtvoll, aber das Feuer ist recht erfreulich ... naja, so ähnlich. Jedenfalls ist bald Weihnachten, und ich habe meinen Brief ans Christkind noch nicht weggeschickt. Der Brief ans Christkind ist deshalb so wichtig, weil man dank Brief ans Christkind glauben kann. Denn außer dem Christkind kriegt heutzutage ja niemand mehr Briefe. Aber vorher dürft ihr ihn lesen. Warum? Na, weil ihr meine hochgeschätzten Lesehäschen seid! Also:



Liebes Christkind,

unterm Baum packe ich gerne aus:

1. Eine schöne Regelung für die Satzzeichen in Aufzählungen. D. h. ich will in Aufzählungen am Schluss eines Items einen Punkt setzen, wenn es sich um einen vollständigen Satz handelt, andernfalls hingegen nicht. Die Alles-oder-nichts-Geschichte finde ich blöd.

2. Dass wir € 100,– so schreiben, oder auch EUR 200,, oder meinethalben auch 200 Euro. Hingegen schenken wir es uns nächstes Jahr, 150,40 Euro so zu schreiben und das mit dem „Lesefluss“ zu begründen.

3. Eine gute Idee, wie man postfaktischen Argumenten begegnet.

4. Was Wirksames gegen unansehnliche Anglizismen, und damit meine ich nicht die Verwendung von sympathischen Fremdwörtern wie One-Night-Stand oder challenge, ich meine merkwürdige Konstruktionen wie Sinn machen oder das ist, warum. Denn es macht keinen Sinn. Gemacht werden Männer (dann sind sie gemachte Männer), Kinder (dann existieren sie im Unterschied zu vorher) und Pausen (immer gut). Sinn entsteht, wird gestiftet oder ergibt sich. Und natürlich ist das der Grund, dass. Es ist nicht, warum.

5. Einen Gutschein für Lektoratsdienstleistungen, den ich gleich dem Online-Standard weiterschenken kann. Kürzlich haben Mitterlehner und Lopatka jenem zufolge das Kriegsbeil beigelegt. Seither warte ich als mittelschichtige ÖVP-Zielgruppe mit Privatschulaffinität auf ein schickes Direct Mailing, das mich als potenziellen Wähler anspricht. Allerdings muss dem Mailing ein Kriegsbeil beigelegt sein. Sonst wähle ich nicht schwarz, da bin ich eigen. Im selben Artikel war allerdings auch vom Quertreiben der Regierungslinie die Rede, was mir ein interessanteres Problem zu sein scheint, als man zunächst glauben möchte. Denn man hat zwar den Eindruck, als läge die Schwierigkeit darin, dass der Regierungslinie eine Tätigkeit zugeschrieben wird, während sie in Wahrheit Objekt und nicht Subjekt dieser Tätigkeit ist (nicht die Regierungslinie treibt quer, sondern Lopatka treibt quer zu ihr). Doch hätte der Betreffende vom Hintertreiben der Regierungslinie geschrieben, wäre (zumindest für mein Schweinsauge) alles in Ordnung. Das Dumme ist also wohl, dass quertreiben ein intransitives Verb ist (d. h. kein Objekt im 4. Fall verträgt), hintertreiben hingegen ein transitives, sodass in der Passivkonstruktion der 2. Fall passt: Ich backe den Kuchen (im Akkusativ); das Backen des Kuchens (im Genitiv). Hingegen: Du schaust ob dem Wahlergebnis enttäuscht – das Enttäuscht-Schauen des Wahlergebnisses. Nein, das geht sich nicht aus. (Übrigens wurde das Kriegsbeil mittlerweile korrigiert, quergetrieben wird aber immer noch.)

6. Lesestoff, der dem Aubrey-Maturin-Zyklus das Wasser reichen kann.

Und natürlich 7. die Weigerung der US-Elektoren, für Trump zu stimmen, solange er sich nicht von seinen Besitztümern im Ausland trennt.
Schauen wir, ob ich auch brav war.

Freitag, 2. Dezember 2016

Tarnkappe

Verehrte Lesehäschen, gerne stelle ich mir vor, wie ihr euch allfreitäglich die BamF reinpfeift, andächtig, frisch gewaschen, und überhaupt so, wie gut euch schuf: mit nichts als eurem Lesehäschenfell an. Denn Lesehäschen sind reinen Herzens, da darf man ruhig das Fell sehen und sich nichts dabei denken.
Dass das nicht so sein muss, wissen wir. Gern wird in letzter Zeit über verhüllte Frauen diskutiert, und da reden wir nicht vom Kopftuch, sondern von der Tschador-Niqab-Kombi, für deren Trägerinnen ein Freund vor vielen Jahren den ebenso bild- wie boshaften Ausdruck „Barbapapas“ geprägt hat. Das ist nicht nur leichter zu merken als die Unterschiede zwischen Hidschab, Tschador, Niqab und Burka. Es gibt uns auch einen Hinweis auf die semantische Schlüpfrigkeit, die sich eine anwesende, aber unsichtbare Person anverwandelt, aber davon später. Denn die verhüllte Frau ist ja nicht nur verhüllt, wenn sie dir auf der Straße begegnet, sondern auch, wenn du sie zum Beispiel interviewst, mit ihr eine Proseminararbeit schreibst oder über das korrekte Ankreuzeln bei der Wahl des Bundespräsidenten diskutierst. Nur diskutierst du nicht mit ihr, sondern mit einer sprechenden Stoffbahn. Ohne Mimik und mit wenig Körpersprache.
Katholiken meines Jahrgangs erinnern sich an die Beichtstühle von einst, mit dem Sichtschutz zwischen Beichtkind und –vater. Keiner sollte das Gesicht des andern so genau sehen. Das Gespräch mit einem verhüllten Menschen stelle ich mir genauso vor, nur halt einseitig: für dich ein Telefonat, für die Verhüllte ein Gespräch zu Angesicht (aber eben nicht von).
Natürlich hat dieser unfaire Vorteil den Nachteil, dass er dem Gegenüber von vornherein klar ist und man es daher möglichst vermeiden wird, sich mit verhüllten Menschen auf eine Diskussion einzulassen, in der es um etwas geht. Wenn es aber einmal so weit ist, dann verleiht so eine Tarnkappe bestimmt Superkräfte. Kampfrhetorik ist nur so stark, wie der Kampfrhetor seinen Gegner lesen kann. Kurz gesagt: Hätte van der Bellen sich vor jenen Diskussionen, an die wir so ungern zurückdenken, rechtzeitig eine Burka übergestülpt, dann hätte Nobsi bestimmt dumm aus der Wäsche geschaut.
Merkwürdig scheint mir auch die Logik der Verhüllung: Die Vollverschleierung, darüber sind sich alle einig, ist ein Mittel der Unterdrückung. Zwar dient sie vordergründig dazu, die Frau vor der unkontrollierbaren Sexualität der Männer zu schützen (die die Frau, mit deren unverborgenen Reizen konfrontiert, umstandslos bespringen würden). Damit geht aber natürlich einher, dass die Frau aus der Öffentlichkeit entfernt wird, die den Männern damit allein bleibt. Die Verhüllung ist also politisch, doch ebenso politisch kann, mit umgekehrtem Vorzeichen, die Enthüllung sein: Während die islamische (oder, wenn man Fachleuten glauben darf, unislamische) Verhüllung dem Schutz der Frau vor dem hemmungslosen Mann dienen soll, befreite frau (hier einmal unverzichtbar!) sich in den 70ern vom BH und entsorgte damit auch gleich ihren Objektcharakter als Lustziel des Mannes, der ein Stimulans vertragen konnte, um sexuell in die Gänge zu kommen, har-har. Ob frau sich die Burka über- oder den BH wegwirft – in beiden Fällen wird dem Begehren des Hodenkartells getrotzt. Politik, scheint mir, ist echt kompliziert, und Kleidung auch. Sogar Burkas sind komplizierter als vermutet. Wusstet ihr, dass es Burkas nicht nur in Ist-dieses-Kleid-weiß-und-gold-oder-schwarz-und-Blau gibt, sondern auch in Gelb, Grün und Weißdergeier? Guckt ihr auf Amazon, kriegt ihr Bescheid.