Freitag, 2. Juni 2017

Sex und Sexismus

Wie an dieser Stelle schon bemerkt, sind die sogenannten Sozialen Medien nicht nur solche, sondern auch ein Netz aus Fallstricken, behängt mit Narrenschellen. Natürlich bekommen das auch Menschen zu spüren, denen es mehr schadet als dir und mir, weil sich mehr Leute für sie interessieren als dafür, was euer Zweckdichter hier so absondert. Kürzlich hat sich ein SPÖ-Bezirksrat – naja, nicht aus dem Fenster gelehnt. Eher mit Anlauf durchs Fenster in ein Fettnäpfchen gestürzt, ohne sich vorher zu vergewissern, ob es tief genug sei. Er gab dem Drang nach, dies über die neue ÖVP-Generalsekretärin zu auf Facebook zu posten:
Aus autobiografischen und stadthistorischen Motiven möchte ich da schon anmerken, dass die jungen Damen der ÖVP Innere Stadt aus den frühen 80er Jahren, die mit mir schliefen, weil sie mich wohl für einen talentierten Revolutionär hielten, genauso aussahen, genauso gekleidet waren und genauso sprachen.
Natürlich erhob sich ein Shitstorm, weil das sexistisch sei, und ein Bezirksrat darf auf Facebook keine sexistischen Sachen posten, das ist schon klar.
Ich finde, damit macht man es einem möglichen Dummbären zu leicht. Denn das Posting ist gewiss eines Politikers unwürdig. Ich bezweifle aber, dass es sexistisch ist. Ich weiß schon, ich marschiere hier auf dünnem Eis. Nehmen wir also, bittesehr, an, dass mir Sexismus fernliegt. Nur so als Arbeitshypothese.
Sexismus, so lehrt uns Wikipedia (und wer zweifelt schon an Wikipedia?), ist eine geschlechtsbezogene Diskriminierung, die soziale Ungleichheit von Männern und Frauen bewirkt oder zum Ziel hat.
Also auf zur Gegenprobe. Nehmen wir an, eine ÖVP-Bezirksrätin hätte angesichts eines neuen SPÖ-Generalsekretärs öffentlich geäußert: Ich möchte schon anmerken, dass die jungen Genossen der SPÖ Simmering aus den frühen 80er Jahren, die mit mir schliefen, weil sie mich wohl für eine arrivierte Bourgeoise hielten, genauso aussahen, genauso gekleidet waren und genauso sprachen. Mir scheint, hier wird auf allerlei reflektiert, nur eben gerade nicht auf das Geschlecht.
Versuchen wir es mit einem frei erfundenen schwulen FPÖ-Politiker: Ich möchte aus autobiografischen Gründen anmerken, dass die jungen Männer der Grünen auf der Wieden, die in den 90ern mit mir schliefen, weil sie mich wohl für einen anständigen Leistungsträger hielten, genauso aussahen, genauso gekleidet waren und genauso sprachen.
Hm. Ich finde da vieles, das mir nicht gefällt. Aber Sexismus? Wir müssen wohl etwas klären: Nur weil ein Thema mit Sex und Frauen zu tun hat, ist nicht jede Äußerung dazu automatisch sexistisch. Nicht einmal, wenn ein Mann äußert, dass er schon mit mehreren Frauen Sex hatte (beziehungsweise, das ist Herrn Schrage anscheinend wichtig, sie mit ihm). Wenn ihr mich fragt, hat Herr Schrage eben nicht auf Frau Köstingers Geschlecht reflektiert, sondern auf ihre ÖVP-Mitgliedschaft. Eine Leserbriefschreiberin erklärt im Standard vom 1. Juni: Ich als junge Frau möchte nie, dass jemand etwas Ähnliches über mich in einem sozialen Netzwerk schreibt, und falls das doch passieren sollte, will ich darauf vertrauen können, dass die Person von keinem Medium geschützt, verteidigt oder porträtiert wird. Abgesehen von den seltsamen Einschränkungen auf Jugend und soziale Netzwerke kann ich das nachvollziehen: Man will nicht öffentlich mit jemandem verglichen werden, die (oder der) mit dem Sprecher Sex hatte. Sex ist, bei aller Durchpornographierung, immer noch eine private Angelegenheit, und man will nicht durch einen solchen Vergleich von einem Wildfremden in dessen Sexualsphäre hineingezogen werden. Ein solcher Vergleich ist aber nicht sexistisch, er ist übergriffig, unhöflich und dumm. Sexistisch kann ich ihn nicht finden. Ich ersuche daher hiermit um Durchführung eines neuen Shitstorms, weil Herr Schrage etwas Dummes, Unhöfliches und Übergriffiges gepostet hat. Danke.

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