Wie an dieser Stelle schon bemerkt, sind die sogenannten Sozialen Medien nicht nur solche,
sondern auch ein Netz aus Fallstricken, behängt mit Narrenschellen. Natürlich bekommen
das auch Menschen zu spüren, denen es mehr schadet als dir und mir, weil sich
mehr Leute für sie interessieren als dafür, was euer Zweckdichter hier so
absondert. Kürzlich hat sich ein SPÖ-Bezirksrat – naja, nicht aus dem Fenster gelehnt.
Eher mit Anlauf durchs Fenster in ein Fettnäpfchen gestürzt, ohne sich vorher
zu vergewissern, ob es tief genug sei. Er gab dem Drang nach, dies über die neue
ÖVP-Generalsekretärin zu auf Facebook zu posten:
Aus
autobiografischen und stadthistorischen Motiven möchte ich da schon anmerken,
dass die jungen Damen der ÖVP Innere Stadt aus den frühen 80er Jahren, die mit
mir schliefen, weil sie mich wohl für einen talentierten Revolutionär hielten,
genauso aussahen, genauso gekleidet waren und genauso sprachen.
Natürlich erhob sich ein Shitstorm, weil das
sexistisch sei, und ein Bezirksrat darf auf Facebook keine sexistischen Sachen
posten, das ist schon klar.
Ich finde, damit macht man es einem möglichen Dummbären zu leicht. Denn das Posting
ist gewiss eines Politikers unwürdig. Ich bezweifle aber, dass es sexistisch
ist. Ich weiß schon, ich marschiere hier auf dünnem Eis. Nehmen wir also,
bittesehr, an, dass mir Sexismus fernliegt. Nur so als Arbeitshypothese.
Sexismus, so lehrt uns Wikipedia (und wer zweifelt schon an
Wikipedia?), ist eine geschlechtsbezogene
Diskriminierung, die soziale Ungleichheit von Männern und Frauen bewirkt
oder zum Ziel hat.
Also auf zur Gegenprobe. Nehmen wir an, eine ÖVP-Bezirksrätin
hätte angesichts eines neuen SPÖ-Generalsekretärs öffentlich geäußert: Ich möchte schon anmerken, dass die jungen
Genossen der SPÖ Simmering aus den frühen 80er Jahren, die mit mir schliefen,
weil sie mich wohl für eine arrivierte Bourgeoise hielten, genauso aussahen,
genauso gekleidet waren und genauso sprachen. Mir scheint, hier wird auf
allerlei reflektiert, nur eben gerade nicht auf das Geschlecht.
Versuchen wir es mit einem frei erfundenen schwulen
FPÖ-Politiker: Ich möchte aus
autobiografischen Gründen anmerken, dass die jungen Männer der Grünen auf der
Wieden, die in den 90ern mit mir schliefen, weil sie mich wohl für einen anständigen
Leistungsträger hielten, genauso aussahen, genauso gekleidet waren und genauso
sprachen.
Hm. Ich finde da vieles, das mir nicht gefällt. Aber Sexismus?
Wir müssen wohl etwas klären: Nur weil ein Thema mit Sex und Frauen zu tun hat,
ist nicht jede Äußerung dazu automatisch
sexistisch. Nicht einmal, wenn ein Mann äußert, dass er schon mit mehreren
Frauen Sex hatte (beziehungsweise, das ist Herrn Schrage anscheinend wichtig,
sie mit ihm). Wenn ihr mich fragt, hat Herr Schrage eben nicht auf Frau
Köstingers Geschlecht reflektiert, sondern auf ihre ÖVP-Mitgliedschaft. Eine
Leserbriefschreiberin erklärt im Standard
vom 1. Juni: Ich als junge Frau möchte
nie, dass jemand etwas Ähnliches über mich in einem sozialen Netzwerk schreibt,
und falls das doch passieren sollte, will ich darauf vertrauen können, dass die
Person von keinem Medium geschützt, verteidigt oder porträtiert wird. Abgesehen
von den seltsamen Einschränkungen auf Jugend und soziale Netzwerke kann ich das
nachvollziehen: Man will nicht öffentlich mit jemandem verglichen werden, die
(oder der) mit dem Sprecher Sex hatte. Sex ist, bei aller
Durchpornographierung, immer noch eine private Angelegenheit, und man will nicht
durch einen solchen Vergleich von einem Wildfremden in dessen Sexualsphäre
hineingezogen werden. Ein solcher Vergleich ist aber nicht sexistisch, er ist
übergriffig, unhöflich und dumm. Sexistisch kann ich ihn nicht finden. Ich
ersuche daher hiermit um Durchführung eines neuen Shitstorms, weil Herr Schrage
etwas Dummes, Unhöfliches und
Übergriffiges gepostet hat. Danke.
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