Freitag, 30. Juni 2017

Over there

Heute probieren wir einmal diese Nummerierungs-Chose aus. So manche effiziente Kolumnatrice, so mancher zielstrebige Kolumnator hat seinen Werken einen beinahe völlig überzeugenden Anstrich von Schlüssigkeit verliehen, nur indem sie hie und da aufeinanderfolgende Ziffern eingestreut haben.
Los geht’s! England, meine teuren Reading-Rabbits, war mir immer höchst sympathisch, aus mehreren Gründen.
Erstens: Winston Churchill. Grantig schauen, Whisky trinken, Hitler besiegen und außerdem einen Literaturnobelpreis abräumen – in seinem kleinen Finger wohnt mehr awesomeness als ein Sterblicher bewundern kann.
Zweitens: The full English. Ein Tag, der mit einem englischen Frühstück beginnt, hat schon so hervorragend begonnen, dass er nicht mehr ganz mies werden kann, egal wie weit es bergab geht.
Drittens: Wertschätzung für weltliche Errungenschaften. Weil bei uns im Westen die Tradition gleich neben der Kirche wohnt, befinden sich die ehrenwertesten Flecken meist in derselben. Doch kann man sich im Stephansdom die Augen ausgucken, ohne dass man ein prunkvolles Denkmal für Ernst Mach oder Erwin Schrödinger entdecken wird. In Westminster Abbey hingegen stolpert man alle naselang über Memorabilia für Forscher vom Kaliber eines Newton oder Faraday.
Viertens: Charlotte Brontë. ’nuff said.

Umso betrüblicher ist es, dass es mit dem Empire bergab zu gehen scheint. Zu dieser Meinung hat mich ein verlängertes Wochenende in London geleitet. Mehr braucht ein vernünftiger Mensch nicht, um sich ein fundiertes Urteil über ein traditionsreiches Gemeinwesen zu bilden.
Erstens: Auch in England wird es (Herr Trump, hören Sie eh zu? Falls nicht: Türme Koran IS POTUS) mitunter warm, also genau genommen: zu warm. Zu warm fürs Sightseeing, aber normalerweise nicht zu warm fürs Ubahnfahren, außer die in Rede stehende Ubahn ist die o wie traditionsreiche tube, in welcher bei schwülem Wetter Verhältnisse herrschen wie am unteren Ende des Maurerdekolletés eines übergewichtigen Barabers bei vierzig Krügel im Schatten, aber ohne Schatten noch Krügel. Kurz: So eine tube journey vermittelt bei entsprechender Witterung einen schönen Eindruck davon, wie sich öffentlicher Personennahverkehr in Schwellenländern anfühlt.
Zweitens: London ist zu voll. Das erregt meine Besorgnis, denn Touristen hat es dort eher wenige: knapp 32 Millionen pro Jahr. Das sind nur vier Touris für jeden Londoner. Auf jeden Hallstätter kommen pro Jahr fünfzehn – nicht fünfzehn Touristen, sondern fünfzehn Busse. Trotzdem wurlt es an der Themse wie in Tokio.
Drittens: Es gibt trotzdem Hoffnung für England. Solange man gratis ins British Museum darf und das Bitter angenehm kohlensäurearm serviert wird, ist nicht alles verloren. Cheers!

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