Dass euer Kolumnator mitten in der
Umschulung zum alten Sack begriffen
ist, ist für euch treue Häschen ja nichts Neues. Damit geht manche Veränderung
einher: Man wacht früher auf, hat mehr schon mal gesehen und nervt gerne mit
der Versicherung, dass das jetzt aber nichts Neues ist. Positiv formuliert: Man
neigt verstärkt der Skepsis zu.
Diese hat heute einen
mittelmäßigen Ruf. Denn wir wissen eh, was Sache ist. Leistungsbereitschaft ist
gut, Selbstausbeutung ist schlecht. Sexismus ist schlecht, Gender-Mainstreaming
ist gut. Einbahnkommunikation ist schlecht, Vernetzung ist gut. Palmfett ist
schlecht, vegan ist gut, dass Avocados nicht super sind, spricht sich gerade
herum.
Weil wir eh immer schon Bescheid
wissen, braucht niemand mehr skeptisch zu sein. Aber ehrlich: Ich wäre da
skeptisch.
Denn was ist Skepsis anderes als die Schwester der Neugier? Die
vernünftige, die dir die Autoschlüssel wegnimmt, wenn du lieber fahren würdest,
weil du dir mit Gehen schon schwertust. Die langweilige, die eh verliebt ist,
aber lieber trotzdem ein Kondom nimmt. Die uncoole, die das neue Gadget eh lässig
findet, aber erst die zweite Generation kauft, wenn die Kinderkrankheiten
geheilt sind.
Skepsis ist nicht geil, aber wenn
man hin und wieder skeptisch ist, lebt man länger und erlebt vielleicht später
noch was Geiles.
Das wissen sogar Ratten. Bei Häschen bin ich mir nicht
sicher, da dürft ihr mir gerne gelegentlich Bescheid stoßen. Ratten aber sind
skeptisch. Zumindest die reiferen unter ihnen. Denn Ratten, da erzähle ich euch
jetzt nichts Neues, konkurrieren mit uns um die Spitze der Nahrungskette. Wir
stellen Fallen auf, sie besiedeln den Vorratskeller. Sie verbreiten
Krankheiten, wir kontern mit Gift. Aber Ratten sind nicht doof: Wenn eine von
ihnen was scheinbar Köstliches frisst und kurz darauf die Patschen streckt,
bleibt die restliche Köstlichkeit übrig. Nun stellt sich natürlich die Frage,
wie man den Unterschied feststellt. So als Ratte.
Die Antwort ist einfach: Die
alten, erfahrenen Ratten spielen die Skepsiskarte und schicken eine jüngere –
nennen wir sie early adopter – vor,
um einmal riskant zu naschen.
Passiert dem early adopter nichts,
dann tun sich auch die andern gütlich. Wenn doch, ist das Rattenvolk zwar um einen
jungen Enthusiasten ärmer, aber der Erfahrungsschatz der Skeptiker bleibt
erhalten, zum Wohle der Rattenheit (oder muss das Rattheit heißen?). Irgendwo steckt darin eine wichtige Lektion. Ich
sage das als jemand, der kürzlich einen Fire-TV-Stick ausprobiert hat und
feststellen musste, dass das so mittelsuper funktioniert. Beziehungsweise: Solange
ich Blur sage und Alexa bla versteht, fange ich noch nicht an,
einen Bunker für den Krieg gegen die Maschinen auszuheben. So skeptisch bin ich
auch wieder nicht.