Freitag, 26. Juli 2019

Guter Rat

Sauregurkenzeit ist! Mögen Häschen saure Gurken? Oder ist das auch bei Häschen Geschmackssache? Von Hunden ist ja bekannt, dass bei ihnen die Geschmäcker verschieden sind – ein Leckerli, für das dir Bello vor Begeisterung beinahe die Hand gleich mit abbeißt, lockt Waldi nicht hinter dem Ofen hervor. Weil aber saure Gurken zur Kühlung beitragen, öffnen wir angesichts der Hitze das kolumnatorische Glasl. Wie serviceorientiert die Bildung am Freitag ist, merkt ihr daran, dass es lauter handverlesene Tippgurken für ein besseres Leben sind. Wir fangen an mit einem Tipp für Betreiber öffentlicher Verkehrsmittel.
Gut ist, wenn ihr Tickets zum Selberausdrucken für zwei Personen in Gestalt zweier Tickets versendet.
Schlecht ist, wenn ihr ein Ticket für zwei Personen versendet, denn vielleicht wollen die zwei nicht beieinander sitzen oder nicht einmal mit demselben Zug fahren!
Idiotisch ist, wenn ihr nur ein Ticket für zwei verschickt, das nicht gegen zwei Tickets getauscht werden kann, und dies damit begründet, man gehe halt bei einer Buchung von zwei Tickets davon aus, dass zwei gemeinsam fahren. Es waren nämlich nicht zwei Tickets, sondern drei, und das dritte kam – ebenfalls ungefragt – als separates Ticket. Es war jenes für den Hund, und ich freue mich sehr, dass die ÖBB sich zwar nicht vorstellen kann, dass zwei Verwandte eines Menschen an einem Tag in verschiedenen Zügen fahren, sehr wohl aber, dass der Hund auf eigene Faust reist.
Ein Tipp für alle, die ihren Gebrauchtwagen privat verkaufen wollen, besonders, wenn ihr dafür einen fünfstelligen Preis zu erlösen hofft: Schlecht ist, wenn ihr bei der Probefahrt auf dem Rücksitz mitfahrt und die prospektiven Käufer durch sämtliche 30er-begrenzten Nebenstraßen lotst, damit sie nicht etwa in Versuchung kommen, in die Dritte zu schalten. Idiotisch ist, wenn ihr in jeder zweiten Ablage eine Ersatzwindel bereitliegen lasst, denn in der 30er-Zone macht sich garantiert keiner an. Gut ist, dass die Windeln noch frisch waren.
Wer ein Schriftstück zu gestalten hat, der meide die leere Gliederung. Man freut sich zwar bei Windeln, dass sie leer sind, aber bei wenig anderen Dingen. Der gesunde Menschenverstand sagt, dass man keine Gliederungsebene einziehen soll, wenn es auf dieser Ebene nichts zu gliedern gibt. Wo nur eines ist, muss man es nicht in eines und nichts aufteilen. Wer schon einmal eine Abschlussarbeit verfasst hat, weiß, wovon die Rede ist: Unterhalb von 2.2 kommt nur dann 2.2.1, wenn es auch 2.2.2 gibt. Gut ist daher, dass man mit Aufzählungspunkten für mehr Übersichtlichkeit sorgt. Idiotisch ist, dass man einem einsamen kleinen Thema, mit dem in der großen Pause keiner auch nur pfitschigogerln will, einen Aufzählungspunkt aufsetzt, nur weil links und rechts davon die coolen Themencliquen abhängen, die immer hinterm Fahrradstall rauchen und mit ihren blanken Aufzählungspunkten einen auf Bling-bling machen. Da soll man bitte sehr das einsame kleine Thema in Ruhe lassen, das wird auf der Uni alles ganz anders, dort findest du sicher auch Freunde.
Gut ist auch, wenn man der Werbeagentur ein Briefing gibt, damit sie weiß, was sie machen soll. Wenn du bei Zalando bestellst, ist das für die bei Zalando auch viel einfacher, wenn du ihnen sagst, welche Schuhe sie einpacken sollen. Schlecht ist hingegen, wenn man unter der Überschrift „Briefing“ nur die anvisierten Zielgruppen auflistet. Wenn du an Zalando schreibst „bitte was, wo ich im Winter anziehen kann“, kommen die total ins Grübeln.
Sehr, sehr gut ist es schließlich, wenn dein wording besser wird anstatt schlimmer. Den Texter freut es, wenn er nicht mehr schreiben muss „Kaufen Sie das Produkt Mausefalle“ sondern einfach „Kaufen Sie Mausefallen“. Die Tätigkeit Texten ist ja so schon schwer genug, gerade weil es jeder kann. Mit diesem tiefsinnigen Satz endet der dieswöchige Lesestoff Bildung am Freitag.

Freitag, 19. Juli 2019

Vergangenheiten

O teure und klassisch gebildete Lesehäschen, euer ergebener Kolumnator beschäftigt sich derzeit mit der Vermittlung lateinischen Grundwissens. Die Gründe dafür würden zu weit führen, genügen muss einstweilen ein lateinisches Sprichwort: Duo si faciunt idem, non est idem. Auf gut Deutsch: Wenn zwei das Gleiche tun, ist es noch lange nicht dasselbe.
Wie betrüblich wahr das ist, merkst du zum Beispiel daran, dass dir schon nach der achten Hochschaubahnfahrt schlecht wird, während es dein Kind erst nach der fünfundzwanzigsten reckt. Früher war halt alles besser, auch das eigene Gleichgewichtsorgan!
Dass die Sprache feinere Unterschiede zwischen scheinbar gleichen Formulierungen kennt als deine Mudda zwischen Schwammtuchmarken, versteht sich von selbst. Höchst erfreulich, dass auch Kunden ein Ohr dafür haben, wie der Zweckdichter kürzlich erfahren durfte. Beinahe wäre ein Werbemittel in Druck gegangen, in dem zu lesen stand: Sie überzeugen zum richtigen Zeitpunkt mit dem passenden Angebot. Dem scharfen Auge auf Kundenseite ist es zu verdanken, dass dieser Fauxpas der Zielgruppe erspart blieb, in deren Sprachzentrum sich nun stattdessen eine weit geschmeidigere Formulierung schlängelt: Sie überzeugen mit dem passenden Angebot zum richtigen Zeitpunkt.
Schwein gehabt! Noch besser wäre vielleicht gewesen: Sie überzeugen mit dem richtigen Angebot zum passenden Zeitpunkt. Aber über Geschmäcker soll man ja nicht streiten, deshalb genug vom Feedback und her mit einer noch weit geschmäcklerischeren Frage.
Es begaben sich nämlich folgende beiden Wendungen:
Eine Idee entsteht, ohne dass ein Briefing hat stattfinden müssen.
und
Eine Idee entsteht, ohne dass ein Briefing stattgefunden haben muss.
Ist das nun das Gleiche oder nicht? In beiden Fällen ist ein Umstand formuliert, auf dessen Vorhandensein es nicht ankommt. In beiden Fällen drückt die Zeitenfolge (Präsens im Hauptsatz, Perfekt im Modalsatz) aus, dass das Eintreten jenes Umstandes vorgelagert ist. Und doch sind sie verschieden: hat stattfinden müssen lässt alles in der Vergangenheit stattfinden, weil hat müssen das Perfekt von müssen ist, mit stattfinden als vom Modalverb abhängigem Infinitiv.
Im zweiten Fall hingegen liegt in der Gegenwart eine Notwendigkeit vor (freilich verneint): etwas muss, nämlich stattgefunden haben. Damit ist hier klarer ausgedrückt, dass eine Handlung in der Vergangenheit Auswirkungen in der Gegenwart hat (oder eben nicht), und darum geht es ja in diesem Satz.
So zeigt sich wieder, dass die Sprache für gar manche Eventualität eine unvermutete Feinheit bereithält. Wolltest du zum Beispiel etwas über ein erhaltenes Feedback sagen, so könntest du dich für die erste Version entscheiden:
Änderungen werden eingekippt, ohne dass eine Reflexion hat stattfinden müssen. Darin spiegelte sich aufs Angemessenste, dass die Änderungen sich zwar auf dein aktuelles Befinden auswirken, dass es aufs Nachdenken zuvor jedoch keineswegs ankommt.
Schönes Wochenende!

Freitag, 12. Juli 2019

Vorher/nachher

Die Welt, o teure Häschen, ist wunderbar, nämlich so wunderbar wie der Shoppingkanal. Die dortigen Angebote zeichnen sich ja dadurch aus, dass man nicht 90 Euro zahlt, auch nicht 80, ja nicht einmal 60 Euro, leider aber auch nicht 20 Euro wie im Baumarkt. Vielmehr zahlt man 40 Euro, erhält dafür jedoch zwei Stück. So wird der TV-Shopper automatisch zum unbezahlten Vertriebsmitarbeiter, indem man für das nicht benötigte Geschenk einen Abnehmer finden muss, will man nicht irgendwann den Keller bis zur Decke mit unerwünschten Draufgaben zugemüllt haben.
Auch der türkise Messias erweist sich immer mehr als Messias 2.0. Der Messias 1.0 brauchte nämlich noch 1 Stück Bergpredigt und bei anderer Gelegenheit 1 Stück wundersame Vermehrung, um die Qualität seines Wirkens so richtig unzweideutig darzutun. (Für die nicht so Bibelfesten: Messias 1.0 genügten fünf Brote und zwei Fische, um die 5.000 zu verköstigen. Rechnet man pro Nase ein Brot und – zwecks gleichmäßiger Vermehrung – 40 % von einem Fisch, dann ergibt sich daraus ein Vermehrungsfaktor von 1.000.)
Sebastian 2.0 erledigt beides in einem Aufwasch, wie uns die einschlägigen Mediakanäle kürzlich miterleben ließen. Es wanderte nämlich Sebastian auf einen Berg – natürlich nicht in wahlkämpferischer Absicht, sondern weil ihm gerade nach Wandern war, ist ja auch schön, jetzt, wo die größte Hitz’ einmal vorbei ist, klar, dass da auch der Arbeitslose nach Höherem strebt, und sei das Erstrebte nur ein größerer Abstand zum Normalniveau (Normalniveau: auch bekannt als „Meeresspiegel“, also der Nullpunkt von Höhenangaben).
Ein glücklicher Zufall wollte es, dass sich der eine und die andere Mitwandererin zu ihm gesellten. Keine Ahnung, wie das passiert ist, wenn euer Ergebener (selten genug!) auf einen Berg geht, ist immer sonst keiner da. Aber unsereiner ist halt auch nur Kolumnator und nicht die Rettung Österreichs, da muss schon ein Unterschied sein. Nicht weniger als 800 Begleiter fanden sich, die – anders als bei Messias 1.0 im Ölberg – bereit waren, mit ihm nicht nur zu wachen, sondern auch zu walken und dabei, man stellt sich das so lauschig vor, seiner improvisierten Predigt zu lauschen (die nicht wahlkämpferisch gehalten war, natürlich, mehr so allgemein menschlich-gesellschaftlich-zukunftsorientiert). Kein Wunder, dass der Segensbasti sich über dieses schöne Erlebnis betwitterte!
Ein noch glücklicherer Zufall wollte es freilich, dass die Lichtgestalt der österreichischen Politik samt ihrer Entourage von einer Webcam festgehalten wurde. Auf den Bildern waren aber nicht die ertwitterten 800 Begleiter zu sehen, sondern nur ungefähr 40. Kleingeistige User wollten darin eine unzulässige Übertreibung erkennen und warfen dem Aufsteiger Größenwahn vor. Richtig ist vielmehr: Das Gezwitscher des Sicherbaldwiederkanzlers ist aktuell vielleicht etwas dick aufgetragen, mittelfristig aber nur recht und billig. Er hat ja schließlich nicht behauptet, dass alle 800 im Fleische mit auf den Berg gegangen seien, sondern nur, dass sie „dabei“ waren. Das aber waren sie gewiss, wenn auch vorerst nur in potentia. Denn für einen wahren Heilsbringer sind 40 rechtgläubig türkise Mitgeher wertvoller als für einen herkömmlichen Politiker 800 schwarze Mitläufer. In Nullkommanix überzeugt jede dieser treuen Pilgerinnen für das Gute mindestens – nicht zwanzig, nicht dreißig, nein, zweimal fünfundzwanzig weitere, sodass also in Wahrheit nicht nur 800, sondern gleich 1.000 „Menschen da draußen“ mit dem Keineswegsmehrkanzler munter fürbass schritten. Dass 960 von ihnen auf dem Foto nicht zu sehen sind, beweist keine Übertreibung, sondern ist lediglich eine chronologische Unschärfe. Die kommen schon noch. Spätestens bei der nächsten Wahl.
Schönes Wochenende!

Freitag, 5. Juli 2019

Oben ohne

Euer Kolumnator sonnt sich ja gerne in den wärmenden Strahlen des Ruhms, d.h. erfreut sich an der Vermutung, dass es auch außerhalb der Bundeshauptstadt Lesehäschen gibt, die gelegentlich hier reinschauen. Was, meine Teuren, habt ihr euch gedacht, als ihr medienweise erfahren habt, dass in der Wiener U-Bahn derzeit testbeduftet wird, inkl. public voting über den bevorzugten Duft? Einerseits stehen dahinter nur hehrste Beweggründe, nämlich die Attraktivität der Öffis zu steigern. Andererseits fragt man sich, ob die Wunderbaumtaktik dafür der richtige Weg ist. Bisher blieb die Beduftung ja der individuellen Initiative der Fahrgäste überlassen, und ob man jetzt Irrésistible, das gute alte Pitralon oder aber Käsekrainer in Achselschweißbakterien zu riechen bekam, diese Frage machte jeden Öffieinstieg um das entscheidende Quentchen spannender. Angesichts generell steigender Temperaturen wird vielleicht bald die Frage virulent, wie vielen Nippeln welchen Geschlechts man mit gelassener Miene ins, nunja, Auge sehen kann? Die Hausordnung der Wiener Linien enthält nämlich wohl den Hinweis, dass der Konsum von Alkohol in den Öffis oft Unmut erregt, schweigt sich aber darüber aus, wie umfassend der Fahrgast seinen Körper zu bedecken habe.
Damit sind wir bei der Frage, wie die Hipster das sehen (wie Fettes Brot das sehen, weiß man ja). Das ist leicht herauszufinden, sofern man boshaft genug ist, um das Onlinemagazin ze.tt als ihr Sprachrohr ernst zu nehmen. Von ze.tt war hieramts ja schon das eine und andere Mal die Rede. Für heute genügt uns die Gewissheit, dass man sich dort der Themen annimmt, die junge Menschen von heute umtreiben: Sind Avocados vertretbar? Wie retten wir das Klima? Soll man auf einem Festival sein T-Shirt ausziehen?
Zu letzterer Frage hat ze.tt, weil sie ja wirklich auf den Nägeln brennt, eine kleine Umfrage veranstaltet. Hintergrund war natürlich nicht die Frage, ob Männer auf Festivals ihr T-Shirt ausziehen dürfen sollen – das wäre zu platt und kündete von einem betrüblichen Mangel an gesellschaftlichem Problembewusstsein. Vielmehr ging es darum, ob es genderpolitisch ein Bringer ist, wenn Festivalveranstalter ihren männlichen Besuchern verbieten, blank zu ziehen, weil es sozial unverträglich ist, weibliche Brüste auf Festivals dauerhaft zu entblößen und man daher als moderner Mann solidarisch verhüllt bleiben sollte. Der Tenor unter den befragten Männern: „von mir aus“. Der Tenor unter den befragten Frauen: „recht geschieht ihnen“. Besonders schön die Antwort von „Anna & Fox (22)“, die in nicht weniger als zehn Zeilen schulaufsatzmäßig zusammenfassten, worum es bei der Sache geht, um schließlich zu dem Fazit zu gelangen, dass strukturelle Ungleichbehandlung durch eine T-Shirt-Pflicht für Männer nicht zu beseitigen sein wird. No shit, Sherlock! Einhaken müssen wir jedoch bei Jolan, der zu bedenken gab: Was haben wir davon, wenn sich am Ende niemand mehr ausziehen kann, obwohl es ja viele vielleicht gerne wollen?
An dieser Stelle ist es Zeit für euren Ergebenen, sich (nicht zum ersten Mal!) als konservativer Scheißer zu outen. Noch nie habe ich mich bemüßigt gefühlt, mich abseits beschwimmbarer Wasserflächen in der Öffentlichkeit „frei zu machen“. Das sei vorausgeschickt, ehe ich Jolan erkläre, was wir davon haben, nämlich an einem Beispiel: Was haben wir davon, wenn am Ende niemand in der Straßenbahn furzt und sich dann selber applaudiert, obwohl es ja viele vielleicht gerne wollen? Die Antwort haben wir alle in der Schule in Philo gelernt: Persönliche Freiheit geht vollrohr in Ordnung, solange die Ausübung meiner Freiheit die deinige nicht einschränkt. Beziehungsweise, wie die möglicherweise baldige SPD-Chefin Franziska Giffey einmal gesagt hat: Die Freiheit, deinen Arm zu schwingen, endet dort, wo meine Nase beginnt. Man unterschätze also nicht die Anzahl der Menschen, die gerne ihre Freiheit ausüben, in der Öffentlichkeit keine unbekleideten fremden Oberkörper zu sehen. Das Ausziehverbot für Männer dient der Erhaltung dieser Freiheit. Schönes Wochenende!