Erinnert sich, o gedächtnisstarke Lesehäschen, noch jemand an Salon Helga? Das war, für alle nach – puh, sagen wir Anfang der 1990er – Geborenen, eine mit Recht berühmte Radiosendung der heutigen Willkommen-Österreich-Radiogesichter Stermann und Grissemann, die Freunde des sonderbaren Humors jeden Freitagabend sanft ins Wochenende gleiten ließ. (Seht mir nach, meine Lieben, dass euer Kolumnator sich gern der Illusion hingibt, unter euch seien nach 1990 Geborene.) Man war hingerissen von der Konsequenz, mit der dieselbe Pointe nicht nur unendlich breit ausgewalzt, sondern auch über Wochen ständig wiederholt wurde, man war gespannt, wie der Hotelportier auf den Scherzanruf reagieren würde, und man freute sich, dass Dean Martin noch lebte. Das Besondere am Salon war, dass er zwar auf FM4 gesendet wurde. Er war aber davor auf – festhalten! – Ö3 gelaufen. Denn einst war Ö3 nicht der Goldesel des ORF, der die Menschen vor allem in der Werbekernzielgruppe zwischen 16 und 49, gerne aber auch darüber und darunter, möglichst unauffällig vom Umschalten abhalten sollte. Nein. Ö3 war der Jugendsender. Klingt komisch, war aber so. Irgendwann war dann der Sender gemeinsam mit der Zielgruppe in ein dermaßen kaufkräftiges Alter gewachsen, dass die Jugendgeschichte sich zurückbildete wie der Schwanz einer Kaulquappe. Doch dann geschah ein Wunder, und Ö3 verwandelte sich von der Kaulquappe in die Eidechse. Diese ließ ihren Schwanz nicht verkümmern, sondern warf ihn auf der Flucht vor den Marktforschern ab, und er wurde zum bis heute munter zappelnden Jugendsender FM4. FM4 war ganz neu und ganz anders, aber Salon Helga durfte mit auf die neuen Frequenzen.
Ich stelle mir vor, dass es mit der ÖVP so ähnlich gelaufen ist. Die einstige Partei der Wirtschaft und der Wertschöpfung wuchs mit ihren Wählern irgendwann ins Pensionsalter hinein und warf ihren Gewerbeschwanz ab. Dieser wollte mit seinem einstigen Körper nichts mehr zu tun haben und zieht in Gestalt der NEOS die Blicke liberaler Gewerbetreibender auf sich. Die ÖVP ihrerseits alterte immer noch weiter, bis sie ≈ins Palliativsegment abzudriften drohte. Die Rettung nahte in Gestalt des menschgewordenen Enkeltricks Sebastian Kurz, der ihr wieder gerade so viele Frischzellen verabreichte (freilich um den Preis von eh allem, zu zahlen an die kurzschen – oder Kurz’schen, aufgepasst beim Apostrophgebrauch! – Familienmitglieder), dass die potenziellen Wähler ihr Kreuzerl noch hinkriegen. So zumindest vermutlich die Hoffnung des Erlöserkanzlers. Ob er die Rechnung ohne das Gerechtigkeitsempfinden der Pensionisten gemacht hat und was diese davon halten, dass das Politikwunder es sich vor lauter deppert sogar mit der Kirche verscherzt hat, wird man sehen. Einstweilen versucht ÖVP-Mikromann Andreas Hanger sein Bestes, um mit Hanger-Games (© Armin Thurnher) von der Misere seiner Gottsöbersten abzulenken, während die La-Boum-Partie der NEOS im Untersuchungsausschauss der ÖVP die Hölle heiß macht (an dieser Stelle sei ein Hut vor Frau Krisper gezogen, die das weißgott mehr verdient als so mancher ihrer 186 Parlamentskollegen).
Ob sich von der SPÖ auch irgendwann ein solches Eidechsschwänzlein trennen wird? Wir bleiben gespannt, aber die Luft halte ich einstweilen nicht an. Schönes Wochenende!