Die Treuesten unter euch, o nibelungengleiche Lesehäschen, mögen sich noch daran erinnern, wie hieramts einst das Lob des Radfahrens gesungen wurde. Leider muss euer Ergebener dies nun revidieren. Die pedalbekräftigte Fortbewegung ist stark überschätzt, da können Irregeleitete vom Hollandradhippie über den Rennradpfeil bis zum Fixiehipster ohne Bremsen (mögeihnderblitzniederstrecken) sagen, was sie wollen. Wenn du nämlich eines Morgens vors Haus trittst, um nur rasch zum Post Partner zu radeln, woselbst ein Paket deiner harrt, und ein paar Kleinigkeiten fürs Abendessen fehlen auch, dann stellst du als erstes fest, dass im Hinterrad zu wenig Luft ist. Das Vorderrad hat nicht so wenig Luft wie das hintere, sondern noch weniger. Du begibst dich also in dynamischen Hechtsprüngen in den Keller, um die Luftpumpe zu holen. Dann pumpst du beide Reifen auf. Heißa, nun kann es losgehen! Schon hast du dem treuen alten Renner die kleine Luftmucke verziehen, er trägt dich wie auf den Schwingen des Windes über die nahe Brücke, um dort spontan die Kette abzuwerfen.
Du bremst, steigst ab und stellst fest, dass die Kette vorn und hinten herausgesprungen ist, also zugleich vom Kettenblatt und vom Ritzel. Dies hat den Zweck, dass du dich beim Wiederanbringen nicht etwa halb eindreckst, sondern gleich ganz, denn Radfahrer sind ordentliche Menschen und machen keine halben Sachen. Notdürftig reinigst du dich anschließend mit deinem letzten Papiertaschentuch. An dieser Stelle ist die Frage angebracht, ob es planerisch begabte Menschen gibt, die tatsächlich daran denken, in gleicher Lage zuerst das Taschentuch hervorzukramen und dann erst an der teils rostigen, teils fettigen, jedenfalls aber verdreckten Kette zu hantieren, oder ob alle so sind wie euer Kolumnator, der sich zuerst die Finger gründlich paniert und danach vor dem Problem steht, das Taschentuch aus dem Hosensack zu kriegen, ohne auch noch die Hose zu versauen. Von jenen, die womöglich ein Paar Montagehandschuhe am Fahrrad mitführen, sei geschwiegen.
Nun kann es aber wirklich weitergehen, wobei du daran denken musst, nach der Luftmucke die Kettenmucke zu verzeihen. Wo du schon dabei bist, verzeihst du auch gleich, dass es mit den Schwingen des Windes nicht so weit her ist wie zuvor, weil irgendein Teil rhythmisch am Reifen schleift, aber wurscht, das können wir uns am Wochenende anschauen, wir sind ja gleich da.
Zuvor aber ertönt ein vernehmlicher Knall, und du hast einen platten Hinterreifen. I shit you not, wie der Amerikaner sagt. Eurem Ergebenen waren ja bisher die schleichenden Platten geläufig, bei denen man sich irgendwann fragt, ob das Fahrgefühl immer schon so schwammig war, ehe man draufkommt, was los ist. Dass es aber den Schlauch wirklich mit einem Knall zerreißt, ist neu. Du gehst also den Rest des Weges zu Fuß. Das hat den Vorteil, dass du zum Gabelfrühstück der örtlichen Bauarbeiter zurechtkommst und also an der Feinkost warten musst, bis die Feinkostfachkraft elf verschiedene Wurstsemmeln gebaut hat und dann noch drei Käsesemmeln, und zwei ledige braucht er auch noch. Dann darfst du endlich dreißig Deka Dürre am Stück fürs Erdäpfelgulasch erwerben und begibst dich auf den Heimweg. Auf halber Strecke liest du dein Rad auf und schiebst es.
Deshalb, o meine Teuren, wäre die Sache mit dem Radfahren einmal gründlich zu hinterfragen. Schönes Wochenende!
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