Freitag, 17. September 2021

Heimlichkeiten

 

Bevor wir, o bereiste Lesehäschen, die versprochenen Feedbacke (Feedbäcker?) kritisch beschnuppern, müssen wir uns der Frage stellen, ob Tschechien in Europa angekommen ist. Wer nämlich vorigen Donnerstag von Tabor nach Linz fahren wollte, konnte sich natürlich einfach ins Auto setzen. Aber kann das Auto in unseren Zeiten immer die Antwort sein? Natürlich nicht. Man nimmt also den Zug. Dabei hat man die Wahl zwischen der Website der ÖBB und jener der CD (also der tschechischen Staatsbahn). Die CD bot erfreulicherweise mehrere Direktverbindungen, die ÖBB leider nicht. Die aufgelegte Lösung für Optimisten wäre es natürlich gewesen, Tickets bei CD zu kaufen. Realisten schauten bei den ÖBB ins Kleingedruckte und erfuhren, dass die fraglichen Züge erst eine Woche später wieder verkehren sollten.

Wir wissen daher, dass Tschechien sehr wohl zu Europa gehört, jedoch nicht in unserem Multiversum. Deshalb Vorsicht bei der Reisebuchung!

Nun vorwärts an die Feedbackfront. Zum Beispiel hatte euer Ergebener mitzuteilen, dass ein SMS drei Komma fünfunddreißig Cent kostet, ein Monat aber drei Euro und fünfzig Cent. Kundenseitig tat sich die Frage auf, warum einmal „Komma“ und einmal „und“ gesagt wurde, obgleich „und“ als schöner empfunden wurde.

Antwort: Weil es in unserem Währungssystem nichts Kleineres als den Cent gibt, danke der Nachfrage.

Manchmal schauen Kunden auch ganz genau hin. Der gelieferte Satz lautete ungefähr: Das Kuvert eignet sich für den Versand von Ausweisen und der zugehörigen Unterlagen. Der Kunde warf die Frage auf, ob es denn nicht heißen müsse: … für den Versand von Ausweisen und den zugehörigen Unterlagen.

Tatsächlich, warum nicht? Nun denn: Weil der Versand standardmäßig mit dem Genitiv abgeht – der Versand der Ware, der Versand meines Gepäcks und so weiter. Wenn aber das Versandgut kein Attribut oder Artikelwort dabei hat, wird es schwierig. Denn das Deutsche kennt für Substantive keinen reinen Genitiv. Schickt dir dein Opa zum Beispiel selbstgeimkerten Honig, dann ist das der Versand köstlichen Honigs. Der „Versand Honigs“ ohne köstlichen geht sich aber nicht aus. Deshalb polstert man den Honig für den Versand mit einem „von“, damit grammatisch nichts zu Bruch geht. Schickt dein Opa, weil er nett ist, aber außerdem noch zwei selbstgedrechselte Honiquirle mit, dann brauchen die, weil unzerbrechlich, kein von-Polster. Das „von“ kann sich ganz auf den Honig konzentrieren, der Genitiv der Quirle ist mit Hilfe seines Attributs klar: Versand von Honig und gedrechselter Quirle. Andernfalls hast du nämlich den „Versand von den gedrechselten Quirlen“ vor dir, und da hilft aller Honig nichts.

Was haben wir noch? Eine Seelenverwandtschaft zum ZDF. Bekanntlich wurden dort Bären gegendert, unter denen sich laut Berichterstattung viele „Veganer:innen“ finden, damit sich die nichtbinären Ursiden nicht auf den Schlips getreten fühlen. So auch bei uns. Euer Zweckdichter lud die werten Leser*innen ein, für Ihre Favoriten zu stimmen. Als Ersatz für „Favoriten“ wünschte man sich darauf „ein anderes genderneutrales Wort“. Abgesehen davon, dass hier ein Beistrich fehlt, denn wenn „Favoriten“ genderneutral wäre, wäre ja schon alles in trockenen Tüchern – abgesehen davon also handelte es sich bei den zu kürenden Favoriten um Flugblätter, über deren geheimes Leben man hiermit spekulieren darf. Tja. Schönes Wochenende!

 

 

Freitag, 10. September 2021

Nachrechnen

 

Das Zweitbeste am Internet, o vielgeliebte Lesehäschen, ist ja, dass man sich ungescheut und ohne irgendwelche Repressalien befürchten zu müssen über Dinge verbreiten darf, von denen man echt nicht den geringsten Tau hat. Für eine Weile kann daraus sogar eine Karriere werden, man darf es halt mit den Doofheiten nicht gar zu sehr übertreiben. Sprich: Man muss schauen, dass man Gwyneth Paltrow bleibt und nicht Attila Hildmann wird.

Dies nutzt euer Ergebener knallhart aus, um euch auch diese Woche alte Hüte aus der Statistik näherzubringen, obgleich mich aber schon gar nichts dazu qualifiziert bis auf die Tatsache, dass ich die Logindaten für diesen Blog habe und ihr nicht.

Heute also: das Impfen. Eine Impfung ist eine wunderbare Sache, da beißt die Maus keinen Faden ab. An den Pocken zu krepieren ist ja weiß Gott kein Wellnesswochenende. Die Frage ist natürlich, ob die Impfung auch tut, was sie soll. In Israel hat man sich diesbezüglich wohl große Hoffnungen gemacht, die nun zerschmettert scheinen. Müssen wir doch lesen, dass, keine Ahnung, 60 Prozent der Corona-Spitalspatienten bereits geimpft sind. Impfdurchbrüche galore! Dann doch lieber gleich Lockdown!

Die Mathematik aber, die in der Unterstufe öfters Watschen kassiert hat, weil sie nach dem Läuten noch aufgezeigt und gefragt hat, ob Herr Fesser gar vergessen habe, eine Hausübung zu geben, die Mathematik erweist sich auch hier als Besserwisserin. Womit wir es hier nämlich zu tun haben, ist das sogenannte Simpsons-Paradoxon, das den einzigen Fall darstellen dürfte, in der etwas Wichtiges nicht mit der gleichnamigen Serie zu tun hat, weil das Paradoxon nämlich nach dem Mathematiker Edward Hugh Simpson (Hakerl beim Bildungsauftrag) benannt ist.

Und nun?

Aufgepasst, meine Teuren. Die einen von euch waren vorgestern beim Wirten, die andern, ihr kleinen Schluckspechte, gestern.Vorgestern wart ihr zu neunt, und zwar der Geri und acht Frauen. Die ganze Runde schluckte einen Spritzwein nach dem andern, nur die Julia blieb beim Bier.

Daher tranken von den Männern vorgestern null Prozent Bier, von den Frauen 12,5 %.

Gestern ward ihr nur zu fünft, nämlich der Andi, der Sepp und der Hannes mit der Heidi und der Alice. Andi und Sepp sind bekanntlich von der Sprühweinfraktion, genau wie die Heidi. Hannes und Alice dagegen Bier. Gestern tranken also von den Männern 33,33 % Bier, von den Frauen 50 %.

Insgesamt waren aber vier Typen und zehn Mädels unterwegs. Von den vier Typen trank einer Bier, also 25 %. Und von den zehn Mädels zwei, macht 20 %. Das, meine Lieben ist das Simpsons-Paradoxon: An jedem einzelnen Abend war der Bieranteil bei den Frauen höher, insgesamt aber bei den Männern.

So ähnlich ist es auch in Israel, weil man halt aufpassen muss, welche Teile der Bevölkerung man betrachtet. Die meisten Ungeimpften sind jung, ob sie Covid haben oder nicht. Die meisten schweren Fälle sind alt, ob sie geimpft sind oder nicht. Wenn man sich nur die schweren Fälle anschaut, wird man deshalb verhältnismäßig viele Geimpfte finden. Das ändert nichts daran, dass auch in Israel Ungeimpfte dreimal so wahrscheinlich schwer an Covid erkranken. Ebenso ändert es nichts daran, dass die Impfung auch ältere Leute zu über 85 % vor schweren Erkrankungen schützt. 

Nächste Woche: Viele geile Feedbacks. Schönes Wochenende!

Freitag, 3. September 2021

Wahrscheinlich

 

Es werden, o teure Lesehäschen, dieser Tage wieder allerlei Zahlen gewälzt und zum Beispiel spekuliert, ob die Impfungen vielleicht doch nicht so wirksam sind, weil Israel. Da unter den Blinden nicht nur der Einäugige König ist, sondern derjenige immer noch als Hofrat durchgehen kann, der nicht extra dicke Fäustlinge anzieht, um sich zur Speisekammer zu tasten, will sich euer mathematisch weitestgehend supernackter (wie man einst im BZÖ gesagt hätte) Zweckdichter unterwinden, dies und jenes aus der Statistik zu begrabbeln.

Bekannt ist ja das Monty-Hall-Problem, aus dem wir alle lernen, dass Wahrscheinlichkeit nicht immer intuitiv zu begreifen ist (zumindest die unter uns, die zu dickköpfig sind, um jenes schon daran zu erkennen, dass wir nicht längst alle als Millionäre aus dem Casino spaziert sind): Du nimmst an einer Gameshow teil und schaffst es bis in die Endrunde, wo der Moderator (der namensgebende Monty Hall) dir drei Türen weist. Hinter zweien befindet sich je eine Ziege, hinter der dritten etwas Geileres (in der Originalversion ein Cadillac, aber wer will heute schon einen Cadillac). Du entscheidest dich für eine Tür, die vorerst noch geschlossen bleibt. Nun öffnet Monty eine der anderen beiden Türen. Eine Ziege meckert dich neugierig an. Monty fragt, ob du bei deiner Wahl bleibst oder zur noch verbleibenden Türe wechseln willst. Sollst du bleiben, sollst du wechseln oder ist es wurscht?

Die Intuition sagt dir, dass hinter deiner Tür immer noch das ist, was vorher dahinter war, unabhängig davon, ob irgendwelche Fernsehfuzzis irgendwelche anderen Türen öffnen oder nicht. Also denkst du dir, wozu wechseln, spielt eh keine größere Rolle als eine Stimme gegen Kurz beim ÖVP-Parteitag.

Die Wahrscheinlichkeitsrechnung weiß es aber besser. Denn die Einschätzung von Wahrscheinlichkeiten hängt von den verfügbaren Informationen ab, was zum Beispiel unser verehrter Ex-Vizekanzler bestätigen kann, der einst auf Ibiza wahrscheinlich weniger staatsgefährdenden Müll von sich gegeben hätte, hätte ihn jemand Glaubwürdigerer als Gudenus darüber informiert, dass echte Oligarchinnen saubere Zehennägel haben.

Deshalb schaut die Wahrscheinlichkeitsrechnung genau darauf, dass keine Wahrscheinlichkeitspartikel verloren gehen: Wenn man alle Wahrscheinlichkeiten zusammenzählt, muss irgendwo mit Sicherheit der Cadillac sein (oder was auch immer du begehrst).

In der Show von Monty Hall ist es nun so: Am Anfang wartet hinter jeder Tür dasselbe, nämlich die Wahrscheinlichkeiten für ein Drittel von einem Cadillac (oder, damit es um etwas geht, ein Drittel von einem 68er Camaro SS oder einer automatischen Breguet mit Repetierwerk) und zwei Drittel von einer Ziege. Auch hinter der Tür, die du auf gut Glück aussuchst.

Wenn Monty dir die Tür mit der Ziege zeigt, geschieht hinter deiner Tür tatsächlich nichts, da hat die Intuition schon recht: Dort sind immer noch ein Drittel vom Camaro und zwei Drittel von einer Ziege. Aus der offenen Tür spaziert aber eine ganze Ziege und fängt an, deine Taschen nach Fressbarem zu durchsuchen (Obacht, Ziegen sind da nicht immer wählerisch). Du weißt nun also nicht nur, wo zwei Drittel von einer Ziege sind, vor dir stehen auch weitere drei Drittel, aber nicht der geringste Camaro. Woraus sich logisch ergibt, dass die übrigen zwei Drittel des Camaro (oder der Breguet, gemeinsam mit dem letzten Ziegendrittel) nur hinter der dritten Tür sein können. Deshalb sollst du auf jeden Fall die Tür wechseln, es sei denn, du findest Ziegen richtig toll.

Nächste Woche: Mehr sonderbare Statistik, yay!

Schönes Wochenende!