Freitag, 25. Februar 2022

Besser mehr

 

Die Rechtschreibreform ist nun schon 26 Jahre her, o traditionsbewusste Lesehäschen. Welcher Tag wäre also besser geeignet als der heutige, um sich zu freuen, dass nicht jede doofe Regel diese Jahre überstanden hat!

Die Rechtschreibreform hatte nämlich vor allem den Zweck, den Schülern das Leben leichter zu machen, was schon damals so seltsam anmutete wie heute, indem man mit deutscher Zunge aufgewachsen sein muss, um auf eine solche Idee zu kommen. Die Engländer finden offensichtlich bis heute nichts dabei, dass zum Beispiel die Zeichenfolge „ough“ mindestens vier verschiedene Laute meinen kann, je nachdem, ob man tough, cough, though oder through schreibt.

Im Zuge ihrer Forschung mussten die Reformer feststellen, dass es im Deutschen hin und wieder Wörter gibt, die fatal an Substantive erinnern und also großzuschreiben wären, ohne aber so richtig welche zu sein. Man löste das, indem man sie zu Substantiven erklärte und fortan großschrieb. Ein Opfer dieser Prozedur war das Recht: Einst sprach der Richter Recht, und je nachdem bekam entweder der Kläger oder der Beklagte recht.

Nach der Reform wurde die Sache für beide Seiten einfacher, aber auch unbefriedigender. Nunmehr sprach der Richter immer noch Recht, der Kläger bekam aber auf jeden Fall Recht. Der Beklagte freilich ebenfalls. Denn auch dieses Recht wurde nun großgeschrieben und war also identisch mit dem Richterspruch. Beide bekamen Recht, wobei einer von ihnen durch die Finger schaute. Ob einem oder beiden dabei recht (oder, man mag es sich kaum vorstellen, Recht) geschehen war, weiß freilich nur Gott. Die gute Nachricht: Heute empfiehlt sogar der Duden wieder, dass man recht bekomme, obgleich man weiterhin Recht bekommen darf, wenn man unbedingt will.

Weiters freuen wir uns nach längerer Pause über ein – Tusch! – Feedback der Woche. Denn es begab sich, dass der Texter einen Satz wie diesen verbrach:

Bereits 9 von 10 Elefanten fressen lieber Heu als Gras.

Schon der Anfänger sieht hier zwei Riesenprobleme, über die sich hinwegzuschwindeln versucht wurde, sozusagen zwei elephants in the room:

Man redet zwar von Zahlen (9 und 10), aber es besteht immer die Gefahr, dass der schlampige Leser diese nicht identifiziert. Und der Satz steht ein bisschen gar schlicht da, wie ein Stück Butter, wenn man sich eine Fasanterrine erhofft hatte.

Es wird daher niemand wundernehmen, dass alsbald ein Feedback erfolgte, das beides bereinigte, sodass der Satz nunmehr lautete:

In Zahlen gesprochen sind es bereits 9 von 10 Elefanten, die lieber Heu als Gras fressen.

Wie natürlich fügt sich hier eines zum andern! Der Leser wird schonend darauf vorbereitet, dass gleich Zahlen kommen. Mit einem Beistrich ist die Geschichte wesentlich terrinenhafter, und außerdem ist der Satz um fast zwei Drittel länger geworden, was aus Kundensicht nur ein Vorteil sein kann, weil der Texter ja immer gleich viel kostet, ob er was Kurzes schreibt oder was Langes. Weil man aber, anders als beim Fleischhauer, vom Texter die Frage, ob es ein bisserl mehr sein dürfe, nicht erwarten sollte, bleibt dem kostenbewussten Kunden nichts übrig, als selber unauffällig den Daumen auf die Waage zu legen, damit er auch was für sein Geld kriegt.

Schönes Wochenende!

Freitag, 18. Februar 2022

Der Kommunismus hat gewonnen

 

Jetzt, o teure Lesehäschen, schlägt euch die Stunde der Wahrheit. Wie steht ihr zu Kathleen Stock? Ihr wisst schon, das ist die lesbische englische Feministin, die aus ihrer Professorinnenstelle gemobbt wurde, weil sie nicht und nicht davon abgehen will, dass Geschlecht schon auch eine biologische Seite hat und man zwar so oder so oder noch anders „identifizieren“ kann. (Dass identifizieren in diesem Zusammenhang immer intransitiv ist, sollte uns vielleicht zu denken geben. Wenn man niemanden als etwas identifiziert, wie es einst üblich war, dann kann es uns eventuell eh wurscht sein, wer so objektfrei identifiziert.) Wo waren wir? Also: Dass man zwar sein eigenes gender auf unterschiedliche Weisen sehen kann, dass aber der Körper Funktionalitäten mitbringt oder eben nicht, die irgendwie vage an etwas erinnern, das einst das binäre Geschlechterkonzept war.

Tja. Die einen sagen so, die andern so. Ich aber sage euch: Money talks. Wenn Leute bereit sind, im Tausch gegen das unmittelbare Resultat biologischer Geschlechtsmerkmale Kohle auf den Tisch des Hauses zu knallen, und zwar nicht zu knapp, dann sollten wir zumindest die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass diese biologischen Merkmale tatsächlich existieren.

(Das Gegenteil davon ist, nebenbei bemerkt, das stärkste Argument gegen sogenannte Kryptowährungen, mit herzlichem Dank an Jamie Zawinski: Wenn du keine Pornographie damit kaufen kannst, zählt es nicht als Währung.)

Nun gibt es Leute, die deshalb mit Geldbündeln wacheln: Sie hätten gern ein Kind, aber ihre eigene Biologie ist dagegen. Deshalb bieten sie Währung im Tausch gegen menschliche Eizellen. Das sehen viele nicht gern. In Deutschland ist die Eizellenspende verboten, während man dort sehr wohl seinen Körper, seine Arbeitskraft, sein Blutplasma und sogar sein Sperma zu Markte tragen darf – da haut das Hodenkartell wohl wieder rein. In Österreich ist sie erlaubt, aber nur, wenn sie vollrohr altruistisch und also im Tausch gegen rein garnix stattfindet. Das hat zur Folge, dass kaum eine Frau bereit ist, ihre Eizellen zu spenden, weshalb sich die Eizellbedürftigen anderweitig umschauen, zum Beispiel weiter östlich beziehungsweise von hier aus gesehen nördlich. Als sich kürzlich in der ZEIT zwei zu einem Streitgespräch fanden, führte eine Soziologin namens Susanne Schultz ins Treffen, dass etwa in Tschechien für Eizellen um die 1.500 Euro bezahlt würden. Das sei für dortige Arbeiterinnen und Studentinnen viel Geld. Und deshalb sei die Spende gegen Geld verwerflich, weil durch das Angebot einer relativ hohen Summe deren Notlage ausgenutzt werde.

Euer Zweckdichter hat zur Eizellenspende nicht wirklich eine qualifizierte Meinung. Nun stehen wir aber vor folgendem Sachverhalt:

Menschen haben etwas zu bieten, das definitiv ihnen gehört. Sie sind bereit, sich davon zu trennen. Die Marktverhältnisse bedingen, dass sie dafür einen verhältnismäßig hohen Preis bekommen. Jemand, der diesen Preis zu zahlen bereit ist, nutzt damit ihre Notlage aus.

Also, wenn das so ist, sind wir mit dem Kapitalismus durch. Schönes Wochenende!

 

Freitag, 4. Februar 2022

Hinschauen!

 

Jetzt heißt es sich die Sache gut einteilen, o gern berieselte Lesehäschen. Wer ins Programmheft schaut, der erkennt sogleich, warum analoges Fernsehen immer noch seine Berechtigung hat. Es ist Autounfallzeit, Herrschaften, es wimmelt nur so von Unterhaltungsangeboten, bei denen man nicht wegschauen kann, so sehr man es sich auch wünschen mag. Vom Dschungelcamp wollen wir gar nicht reden, hier wird für Feinspitze wie unsereinen mit zu billigen Reizen gespielt, und mit Tara „Regenbogenmaschine“ Krenn ist die letzte Ausrede ausgeschieden, hier nicht zügig vorbeizuzappen.

Stattdessen haben wir DSDS, wo die neue Jurytruppe einen ganz eigenen Reiz verströmt. Der eine, der mal mit Helene Fischer zusammen war, schaut meistens so drein, als sollte er nötig mal aus dem Blick der Kamera verschwinden, um endlich eine Line zu ziehen. Der andere, der mal mit Demi Lovato irgendwas gemacht hat, versucht Seriosität zu verströmen, was die dritte ständig sabotiert, weil sie sofort zu abzuhotten anhebt, sobald ein Kandidat etwas singt, das dafür die geringste Ausrede bietet.

Weiters haben die Winterspiele begonnen. Wer im Vorfeld mitbekommen hat, wie wenig Weltklassekompetenz die chinesischen Athleten einerseits in den meisten klassischen Wintersportarten mitbringen und wie viel Medaillendruck andererseits die politischen Kader aufgebaut haben, der freut sich jetzt schon auf Cringe-Spiele, die ihresgleichen suchen. Selbst mit dem besten Trainingsprogramm der Welt wird halt in vier, fünf Jahren aus einem Top-Schwimmer oder einer Weltklasseturnerin keine Slalomläuferin und kein Biathlet, die international etwas zu melden haben. Kein Wunder, dass im Vorfeld eine Infobroschüre an Athleten ausgegeben wurde, deren Titelbild an das Finde-die-Fehler-Bild in der Spatzenpost erinnert: Anscheinend geht es um Snowboarden, aber da fährt jemand in einem Parallelkurs, dessen Tore alle dieselbe Farbe haben, rückwärts von der falschen Seite ums Tor herum.

Doch selbst die Spiele werden im Peinlichkeitsreigen gegen das abstinken, was GNTM wieder zu werden verspricht. Schon die erste Folge verhieß Großes. Hexe Heidi wurde offenbar vom Team auf Diversity!!! gedrillt, weshalb sie in leicht vorwurfsvollem Ton alle zehn Minuten verkündet, alles sei so divers, weil man sich das ja so gewünscht habe. Hat man wirklich?

Anscheinend tritt GNTM an, aus der Welt zu räumen, was der Modelbranche gern vorgeworfen wird:  dass sie nicht die Realität unserer Körper widerspiegle.

Vielleicht ist es Zeit, entgegnen: Na und? Auch die Athleten in Beijing spiegeln nicht die Realität unserer Körper wider (nicht einmal die chinesischen). Dass sie es nicht tun, ist die Voraussetzung dafür, in ihrer Branche zu reüssieren. Die besseren Kandidaten von DSDS spiegeln ganz gewiss und zum Glück nicht die Sangesrealität eures Ergebenen wieder.

Bisher war das auch bei Models so. Nun aber regiert hier ein Verständnis für die kleinen menschlichen Unzulänglichkeiten, die wahrscheinlich auch einen einarmigen Möbelpacker engagieren würde, um die Diversität zu fördern. Wenn Leute in einer Fleischbeschaubranche groß herauskommen wollen, ist es dann verkehrt, von ihnen die entsprechenden Schauwerte zu erwarten? Das mögen andere entscheiden. Der Autounfallqualität von GNTM kann die neue Achtsamkeit jedenfalls nur zugute kommen. Schönes Wochenende!