Die Rechtschreibreform ist nun schon 26 Jahre her, o traditionsbewusste Lesehäschen. Welcher Tag wäre also besser geeignet als der heutige, um sich zu freuen, dass nicht jede doofe Regel diese Jahre überstanden hat!
Die Rechtschreibreform hatte nämlich vor allem den Zweck, den Schülern das Leben leichter zu machen, was schon damals so seltsam anmutete wie heute, indem man mit deutscher Zunge aufgewachsen sein muss, um auf eine solche Idee zu kommen. Die Engländer finden offensichtlich bis heute nichts dabei, dass zum Beispiel die Zeichenfolge „ough“ mindestens vier verschiedene Laute meinen kann, je nachdem, ob man tough, cough, though oder through schreibt.
Im Zuge ihrer Forschung mussten die Reformer feststellen, dass es im Deutschen hin und wieder Wörter gibt, die fatal an Substantive erinnern und also großzuschreiben wären, ohne aber so richtig welche zu sein. Man löste das, indem man sie zu Substantiven erklärte und fortan großschrieb. Ein Opfer dieser Prozedur war das Recht: Einst sprach der Richter Recht, und je nachdem bekam entweder der Kläger oder der Beklagte recht.
Nach der Reform wurde die Sache für beide Seiten einfacher, aber auch unbefriedigender. Nunmehr sprach der Richter immer noch Recht, der Kläger bekam aber auf jeden Fall Recht. Der Beklagte freilich ebenfalls. Denn auch dieses Recht wurde nun großgeschrieben und war also identisch mit dem Richterspruch. Beide bekamen Recht, wobei einer von ihnen durch die Finger schaute. Ob einem oder beiden dabei recht (oder, man mag es sich kaum vorstellen, Recht) geschehen war, weiß freilich nur Gott. Die gute Nachricht: Heute empfiehlt sogar der Duden wieder, dass man recht bekomme, obgleich man weiterhin Recht bekommen darf, wenn man unbedingt will.
Weiters freuen wir uns nach längerer Pause über ein – Tusch! – Feedback der Woche. Denn es begab sich, dass der Texter einen Satz wie diesen verbrach:
Bereits 9 von 10 Elefanten fressen lieber Heu als Gras.
Schon der Anfänger sieht hier zwei Riesenprobleme, über die sich hinwegzuschwindeln versucht wurde, sozusagen zwei elephants in the room:
Man redet zwar von Zahlen (9 und 10), aber es besteht immer die Gefahr, dass der schlampige Leser diese nicht identifiziert. Und der Satz steht ein bisschen gar schlicht da, wie ein Stück Butter, wenn man sich eine Fasanterrine erhofft hatte.
Es wird daher niemand wundernehmen, dass alsbald ein Feedback erfolgte, das beides bereinigte, sodass der Satz nunmehr lautete:
In Zahlen gesprochen sind es bereits 9 von 10 Elefanten, die lieber Heu als Gras fressen.
Wie natürlich fügt sich hier eines zum andern! Der Leser wird schonend darauf vorbereitet, dass gleich Zahlen kommen. Mit einem Beistrich ist die Geschichte wesentlich terrinenhafter, und außerdem ist der Satz um fast zwei Drittel länger geworden, was aus Kundensicht nur ein Vorteil sein kann, weil der Texter ja immer gleich viel kostet, ob er was Kurzes schreibt oder was Langes. Weil man aber, anders als beim Fleischhauer, vom Texter die Frage, ob es ein bisserl mehr sein dürfe, nicht erwarten sollte, bleibt dem kostenbewussten Kunden nichts übrig, als selber unauffällig den Daumen auf die Waage zu legen, damit er auch was für sein Geld kriegt.
Schönes Wochenende!