Kürzlich war dem Falter Erfreuliches zu entnehmen, nämlich in betreffs der Wettervorhersage. Die Meteorologie hat offenbar seit den Tagen des wilhelminischen Kaiserreichs, da es Universitäten oder ähnlichen Einrichtungen untersagt war, Wetterprognosen zu veröffentlichen, weil es einer deutschen Behörde nicht anstehe, derartige Schwachheiten zu verlautbaren, große Fortschritte gemacht. Der befragte Experte tat kund, dass die Hellsichtigkeit der Fachleute um ungefähr einen Tag pro Jahrzehnt steige, sodass man heute das Wetter für nächsten Mittwoch so genau prophezeien kann wie das 2002 erst für Montag möglich war.
Dies ist ein schönes Beispiel dafür, dass selbst die einfachsten Regeln nur mit Maß und Ziel sinnvoll anzuwenden sind, denn wenn man sich von der Begeisterung über den meteorologischen Fortschritt mitreißen lässt und die Tage entsprechend rückrechnet, stellt man alsbald fest, dass man heute das Wetter vom nächsten Mittwoch so genau kennt wie 1952 das Wetter von vorgestern. Hier, wie die Experten sagen, hat es was.
Entfernt ähnlich ist der Fall von Germany’s Next Top Model gelagert. Einst war dies eine Sendung, in der Hexe Heidi junge Mädchen zur Sau machte, wenn sie nicht dürr genug waren. Das war sehr unsympathisch, aber vermutlich steckte erstens ein Körnchen Wahrheit über die Verhältnisse im Modelbusiness darin, und zweitens gaben die Sendungsmacher zumindest so etwas wie Trainingswillen vor, indem Leute wie der unvergessliche Bruce Darnell den Backfischen zeigten, wie man in Stöckelschuhen ordentlich geht. Das Problem, das der Sendung von Anfang an eingeschrieben war, bestand in der Behauptung, dass sie einen geeigneten Startpunkt für eine Modelkarriere darstelle.
Mittlerweile hat GNTM diese Regel um nicht nur einen Schritt, sondern mindestens eine Hamsterradstunde zu weit befolgt. Den Kandidatinnen wird nunmehr weisgemacht, dass es völlig gleichgültig sei, wie sie aussehen. (Bruce wurde längst durch Ganzkörperspiegel und die kritischen Blicke der ebenso ahnungslosen Mitbewerberinnen ersetzt.)
Entscheidend sei lediglich, dass sie in der Sendung bestehen. Deshalb tummelten sich in der aktuellen Staffel Frauen jeglichen Alters und Formats, deren reale Chancen in der Branche – nunja. Auch was die Siegerin (immerhin Österreicherin, yay) betrifft, hält sich die Spannung in Grenzen. Denn vor Jahren gab es einmal eine große Story über ein Exmodel, das sich zwar nie bei GNTM zurichten hatte lassen, aber trotzdem (oder deswegen) auf eine erfolgreiche Karriere zurückblickte und verriet, was man als Model am besten tut, wenn der Fotograf „mehr Ausdruck“, „mehr Emotion“ oder sonst etwas wünscht: Man schaut angefressen, und schon sind alle happy. Siegerin Lou-Anne hat das übellaunige G’schau leider nicht drauf, sondern nur den blickgewordenen ennui darüber, dass das Shooting noch nicht vorbei ist. Ob das für eine Karriere reicht, sei dahingestellt. Aber das ist ja bei GNTM-Siegerinnen nichts Neues. Schönes Wochenende!