Freitag, 27. Januar 2023

Grau in grau

Fremdwörter, o klassisch gebildete Lesehäschen sind bekanntlich Glückssache, und wer sich noch nie infisziert hat, werfe den ersten Stein.

Noch mehr Glück braucht man freilich mitunter, um nicht nur das richtige Fremdwort zu erwischen, sondern ihm auch das korrekte Geschlecht zuzuschreiben. Anders als Menschen können die meisten Wörter (also: Hauptwörter, bei den andern ist es wurscht) ihr gender nämlich nicht nach Belieben wechseln. Nur wenige haben zwei oder gar gleich alle drei grammatischen Geschlechter in der Tasche wie James Bond seine Pässe. Der/die/das bekannteste Beispiel ist wohl Joghurt, dessen Geschlecht in der Jugend eures Ergebenen bisweilen für Diskussionen sorgte (es waren Zeiten vor dem Smartphone). Tatsächlich darf man der/die/das Joghurt sagen, wie man lustig ist. Früher war, wie hieramts vor längerem bemerkt, auch Dschungel so fluid, aber mittlerweile hat die Dudenredaktion eingesehen, dass „die Dschungel“ wahrscheinlich der Scherz eines Praktikanten war, dem niemand auf die Finger geschaut hatte, und „das Dschungel“ geht jetzt auch nicht so recht ölig runter.

Aber wir waren bei den Fremdwörtern. Euer Zweckdichter hätte bis vor Kurzem beliebige Summen darauf verwettet, dass man z. B. als niederösterreichischer Landeshauptmann ein Protegé hat. Tatsächlich hat man einen Protegé, auch wenn es sich um die Hanni handelt. Auf Risotto wäre ich ebenso reingefallen, denn du lässt dir den Risotto schmecken, besonders, wenn es sich um die unschlagbare Umami-Bombe mit Thunfisch und ordentlich Grana handelt, nicht etwa das Risotto.

Beides ist leicht damit erklärt, dass weder das Französische noch das Italienische ein grammatisches Neutrum kennen, sodass Joghurt dort wohl nicht nur genau zwei Drehrichtungen, sondern auch genau zwei Geschlechter hat.

Damit zum Feedback der Woche. Es verdient unter den Feedbäcken einen Ehrenplatz, weil man als Gebrauchstextproduzent nur höchst selten so klar erfährt,  was die eigenen Erzeugnisse für den zahlenden Kunden wert sind. Das Feedback fand sich auf der linken Hälfte einer Doppelseite, die rechts mehr Text enthielt als links, und lautete „bitte mehr Text“. Nicht etwa „hier bitte noch folgende Info“ oder etwas in der Art. Gewünscht war tatsächlich nichts als eine Steigerung des Grauwerts auf der Seite.

Man bekommt Lust, sich einen Anzug anmessen zu lassen, nur damit man bei der zweiten Anprobe testen kann, wie der Schneider dreinschaut, wenn man aufs linke Hosenbein deutet und sagt „bitte mehr Stoff“. Schönes Wochenende!


 

Freitag, 20. Januar 2023

Plagiate

Vieles, o vielgeliebte Lesehäschen, ist dieser Tage nicht so erfreulich, wie es sein könnte. Da haben wir an erster Stelle das Wetter, das anstatt auf Mitte Jänner auf Ende Februar (bestenfalls) steht, was für die Zukunft nichts Gutes hoffen lässt. An zweiter Stelle kommt das übliche Korruptionsrauschen, diesfalls gebührenfinanziert im ORF-Landesstudio Niederösterreich. Und dann kommt aber schon der lästige Überraschungsaufsteiger des Jahres, der sogenannte Plagiatsjäger Stefan Weber, der mit dem Drahdiwaberl-Häuptling seligen Angedenkens außer dem Namen leider nichts gemein hat.

Der Herr Dozent Dr. Weber hat sich diesen seinen Namen damit gemacht, dass er in akademischen Abschlussarbeiten diverser politischer Persönlichkeiten geklaute Abschnitte gefunden hat. Dagegen ist ja auch nichts einzuwenden. Man muss nicht einmal selbst jahrelang über einer solchen Arbeit gesessen sein und daran die größtmögliche Sorgfalt verwendet haben, um zu finden, dass es zum Beispiel dem Herrn Spörl recht geschehen ist, als öffentlich wurde, dass er weder Jude noch promoviert ist, oder auch der Frau Aschbacher, deren beide Arbeiten offensichtlich dem Standard der Knödelakademie entsprechen, mehr aber auch nicht, die aber ihrem Titel kein Kn.ak. nachstellte.

Doch anscheinend geht dem Jäger das Wild aus, sodass er mittlerweile auch zu einem Schaf nicht nein sagt, wenn es dunkel ist und man sich schon einmal irren kann. Der neueste Vorwurf richtet sich gegen den Mathematiker Niki Popper. Dieser habe in seinen – natürlich mathematischen – Abschlussarbeiten aus 2001 und 2015 Texte nicht etwa über Mathe, sondern über die menschliche Atmung von woanders übernommen, ohne das korrekt zu kennzeichnen. Der gelernte Kommunikationswissenschaftler Weber hat den Mathematiker Popper deshalb bei dessen Alma mater, der TU Wien, angezeigt, die ein Verfahren eingeleitet hat.

Nun muss man sich fragen, ob der Herr Weber so deppert ist oder sich so deppert stellt. Es ist nämlich so: Es gibt immer schon Studienfächer, die eh Forschung sind. Chemie, Mathe, Physik und sowas. Und dann gibt es welche, die ständig beweisen müssen, dass sie Forschung sind: Germanistik zum Beispiel, oder Kommunikationswissenschaft. Die letzteren haben, weil die eigene Wissenschaftlichkeit prekär ist, längst sehr genau darauf geachtet, gewissenhaft zu zitieren. Das wird dem Nachwuchs in Proseminaren eingetrichtert und in jeglichen schriftlichen Arbeiten bewertet beziehungsweise korrigiert.

In den ersteren Fächern war das hingegen ziemlich wurscht. Noch nach 2000 erntete man in Österreichs naturwissenschaftlichen Fakultäten verblüffte Blicke ob des Ansinnens, nicht nur eine Literaturliste beizugeben, sondern so richtige Quellenangabe zu machen, mit Seitenzahl und allem. Man hatte ja schließlich Experimente und so, wen interessierte da, woher genau man das hatte, was eh schon bekannt war?

Der Herr Weber darf daher all jenen die Hand geben, die die Werke Goethes zu wenig divers finden oder sich vom Zauberberg hart getriggert fühlen, weil dort so viel geraucht wird. Damals war das mit der Diversität halt anders als heute, um 1900 und noch viele, viele Jahrzehnte lang wurde gepofelt, bistdudeppert, und Naturwissenschaftler hatten es nicht so mit dem Zitieren. Diesen Sachverhalt heute auszugraben sagt mehr darüber, wie gern Herr Weber in den Medien vorkommt, als darüber, wie redlich Herr Popper seinen Forschungen nachgeht. Schönes Wochenende!


 

Freitag, 13. Januar 2023

Abgefahren

 

Angeblich, o leicht zu unterhaltende Lesehäschen, folgt nach der Tragödie die Farce. Derzeit erledigen wir aber anscheinend beides gleich in einem Aufwasch, nämlich, wenn es um die sogenannten Klimakleber geht. Einerseits tragisch, weil Menschen sich keinen anderen Rat mehr wissen, als sich an der Straße festzukleben, um auf ihr äußerst wichtiges Anliegen aufmerksam zu machen. Andererseits lächerlich, weil manche Politiker sich keinen anderen Rat mehr wissen, um ihrem Law-and-Order-Image auf die Sprünge zu helfen, als diese Protestaktionen mit terroristischen Akten in einen Topf zu werfen. Da muss man sich ernstlich fragen, ob diese Leute schon einmal innegehalten und sich vor Augen geführt haben, was beim herkömmlichen Terrorismus so abgeht? Meistens wird auf Menschen geschossen oder sie werden in die Luft gesprengt. Dass man eine Weile im Stau steht, damit ist es meistens nicht getan, wenn man Opfer von Terrorismus wird.

Seltsam ist auch, dass betroffene Autofahrer das Gefühl haben, dass ihnen persönlich da etwas zu Fleiß getan werde. Als die Querdenker – scheint schon ewig her zu sein! – um den Ring zogen, fühlte man sich ja auch nicht von ihnen angegriffen. Wer immer noch besorgt ist, dass er vielleicht zu viel von der Menschheit hält, der führe sich aber dieses vor Augen: Wenn man eine halbe Stunde steht, weil Klimaaktivisten auf der Straße kleben, finden sich gewiss im näheren Umkreis ein halbes Dutzend Menschen, die sich zumindest verbal zu heftigster Gewalt gegen jene bereiterklären.

Wenn man eine ganze Stunde oder länger steht, weil bei einem Unfall auf der Autobahn Menschen gestorben sind, nimmt man das hin. Kann man nix machen, Unfälle passieren. Während man die Proteste fürs Klima ja einfach bleibenlassen könnte, nicht wahr?

Kürzlich hatte euer Ergebener ein Gespräch zum Thema mit einem Freund. Jener pendelt. Mit dem Auto. Und erklärte sich umgehend gewaltbereit gegenüber den Aktivisten, sollten ihm solche einmal unterkommen. Das Gespräch fand Anfang Jänner im alpinen Raum statt. Es war Abend, und es hatte im Freien +6° Celsius.

Dem Freund war einerseits klar, dass da etwas nicht stimmte. Er fühlte sich aber andererseits von den Aktivisten auf den Schlips getreten, weil er sie als junge, verwöhnte, urbane Besserwisser empfand, die ihm, dem nicht mehr ganz jungen, keineswegs verwöhnten und alles andere als urbanen Berufstätigen eventuell den Weg zum Broterwerb verstellen könnten. Wer ist es, der hier gefühlte Befindlichkeiten gegeneinander in Stellung bringt, anstatt bei der Wissenschaft zu bleiben?

Ich weiß es auch nicht. Aber ich fürchte, damit haben wir geklärt, warum Tragödie und Farce in einem stattfinden, ja stattfinden müssen: Für eins nach dem andern fehlt die Zeit.

Schönes Wochenende!