Freitag, 26. Mai 2023

Orientierung

 

Euer Ergebener kommt ja langsam in ein Alter, wo man äußerlich als rüstiger Sechziger durchgeht, wenn die Betrachter es nicht besser wissen, und kriegt deshalb nicht mehr alles so 1:1 mit. Aber angeblich hat in einer größeren Partei eine sogenannte Richtungsentscheidung stattgefunden. Als Österreicher fragt man sich natürlich sofort: für welche Richtung? Eine, auße, owe, umme beziehungsweise, um meinen angestammten Ton anzuschlagen: i-e, usse, abe, umme, vielleicht auch uar? Denn Richtungen sind ja immer relativ, wie diese Woche auch aus dem Falter hervorging, der im Rahmen einer Reportage über Russen im Pauschalurlaub auf Sri Lanka zu berichten wusste, was dort das Zimmer mit seitlichem Meerblick kostet. Eurem Ergebenen war das bisher kein Begriff, doch das Internet lehrt uns, dass „seitlicher Meerblick“ in Sachen Blickangebot das Zweitbeste ist, nach „Meerblick“ ohne nähere Angaben, aber natürlich weit vor gar keinem Meerblick. Man sieht solchenfalls das Meer nicht, wenn man auf dem Bett flackt. Wuchtet man aber seinen urlaubenden Hintern auf die Terrasse beziehungsweise je nach baulicher Ausstattung den Balkon, dann ist rechts oder links das Meer klar ersichtlich. Ob es auch statthaft ist, „seitlichen Meerblick“ zu verkaufen, wenn man dafür mangels Terrasse (oder Balkon) den Kopf aus dem Fenster stecken muss, entzieht sich meiner Kenntnis.

Was nun die SPÖ betrifft, so scheint es mir für die Zukunft der Partei zwar interessant, ob es jetzt eher nach links (angeblich Babler) oder rechts (angeblich Dosko) gehen soll. Doch spielen diese Richtungen, wie schon angedeutet, für die Orientierung vom Bregenzerwald aus keine Rolle. Es scheint eurem Zweckdichter, als sei für die Partei wie auch in jenem idyllischen Landstrich weit erheblicher, ob es hinein oder hinaus, hinauf oder hinunter gehen soll. Wenn man das einmal geklärt hat, kann man sich immer noch zwischen links und rechts entscheiden.

Der Vollständigkeit halber hier die ungefähren Himmelsrichtungen vom bereits erwähnten Bregenzerwald aus: Man fährt, begibt man sich nach Bregenz oder Dornbirn, nicht etwa „in die Stadt“, sondern „ans Land hinaus“ (was aus Wiener Perspektive keineswegs verwundert). Auch nach Deutschland geht es „hinaus“, in die Schweiz hingegen „hinüber“, welche Bewegung bekanntlich ganz Vorarlberg einst missglückt ist. Nach Tirol fährt man „hinein“, nach Wien „hinunter“. Nördliche Länder liegen tendenziell oben, nach Süden fährt man eher nicht, und der Kontinent wird generell nicht verlassen. Da kann der Meerblick so geradeaus sein, wie er will. Schönes Wochenende!

Freitag, 19. Mai 2023

KD

Oft, o sprachgewandte Lesehäschen, spricht man ja davon, wie die Zeit so ist, die man gerade durchlebt – dass sie friedlich ist oder schnelllebig, besinnlich oder – hoffentlich nicht – interessant.

Eurem Ergebenen aber scheint, dass das an der Sache vorbeigeht. Weil die Zeit nämlich immer mehrere Dinge ist. Das zeigt sich zum Beispiel daran, dass einerseits alle besorgt sind, ob ihren Job nicht bald die KI übernimmt, weil die digitale Intelligenz sich in schwindelerregendem Tempo weiterentwickelt, wobei vor allem eines immer deutlicher wird: dass wir immer noch eine sehr undeutliche Vorstellung davon haben, was Intelligenz eigentlich sei.

Andererseits persistiert die künstliche Doofheit mit einer Hartnäckigkeit, die angesichts der Fortschritte von ChatGPT (kann zwar noch nicht Matura, aber immerhin Hausaufgaben) tief enttäuscht.

Denn die größte Gefahr droht uns nicht etwa von der Teuerung, vom Krieg oder von der Klimakrise. Sie alle kennen Alternativen: Man kann Kartoffeln anbauen, desertieren oder sich ganz schlicht für den Klimaschutz engagieren.

Die größte Gefahr ist offensichtlich die unsichere Website.

Wenn man einen webfähigen DVD-Player einer namhaften Marke sein Eigen nennt und diesen verwenden will, um via Internet einen Film zu streamen, den die zu Unrecht namhaften Plattformen nicht bieten, was einen darüber grübeln lässt, warum man eigentlich für ein digitales Angebot zahlt, das gegen das DVD-Regal in einer mittleren Filiale der Wiener Städtischen Büchereien aber sowas von abstinkt – dann läuft das so:

Frisch ans Werk, DVD-Player eingeschaltet, Bootsequenz auf dem Niveau eines 386er-Rechners mit Windows 3.11 abgewartet, Browser gestartet, einschlägige Seite angesurft. Euer Ergebener nutzt davon zwei Stück. Die eine hat einen „Weiter“-Button vorgeschaltet, der klickbar ist, sogar im Elendsbrowser meines Android-Beamers. Nicht aber im Panasonic-Browser.

Die andere lässt sich nicht öffnen, denn es handle sich, so der Browser, um eine „unsichere Website“.

No shit, Sherlock.

Das war es dann auch schon. Die „unsichere Website“ ist derart gefährlich, dass es die Entwickler für klüger gehalten haben, dir auf deinem eigenen Gerät in deinem eigenen Wohnzimmer die Möglichkeit zu ihrem Besuch zu versagen. Es könnte sonst werweißwas passieren.

Das findet euer Ergebener zutiefst unbefriedigend: einerseits davor zittern (oder darauf hoffen? Gibt es auch positive Szenarien?) zu müssen, dass die KI den eigenen Job übernimmt, und sich andererseits die Zeit bis dahin nicht einmal mit Bingewatching vertreiben zu können, weil die Urururururururururoma der KI sagt: „Bub, da musst du aufpassen.“ Man sitzt derzeit äratechnisch zwischen den Stühlen. Dann doch lieber gleich Singularität. Schönes Wochenende!


 

Freitag, 12. Mai 2023

Abendgestaltung

 

Als das Wünschen noch geholfen hat, o erinnerungsstarke Lesehäschen, war im Kino regelmäßig ein Spot zu sehen, der die Vorzüge dieses Mediums gegenüber dem Fernsehen hervorzuheben hatte. Man sah zuerst ein Fernsehbild in Originalgröße und dann im Vergleich dazu das Kinobild. Gleich wusste man Bescheid und investierte umso lieber wieder 50 Schilling in eine Kinokarte (im Admiralkino, die großen waren auch damals schon teurer), anstatt auf einen Fernseher zu sparen.

Heute ist das leider etwas schwieriger, wenn man eine Beamerleinwand daheim hat und hinreichend skrupellos ist, sich vom betrüblichen Angebot legaler Streaminganbieter der Piraterie in die Arme treiben zu lassen. Warum sollte man da nochmal gleich ins Kino gehen?

Antwort: Weil es halt doch nicht dasselbe ist. Man muss nicht so weit gehen, sich Eraserhead reinzupfeifen, über den im Falter einst ungefähr zu lesen war, es werde einem entrisch, wenn man sich klarmache, dass man mit lauter Wildfremden in einem dunklen Raum sitze, die alle Geld dafür bezahlt hätten, diesen Film zu sehen.

Dazu ist anmerken, dass Eraserhead großartig ist. Wer danach mehr Jack Nance sehen will, für den gibt es Twin Peaks, das natürlich ebenfalls großartig und viel, viel lustiger ist, als man es in Erinnerung hatte, besonders die erste Staffel.

Aber wir waren ja beim Kino. Selbst das bestausgestattete Heimkino ersetzt nicht das Lichtspielhaus, weil es einen Unterschied macht, ob man extra Schuhe angezogen und das Haus verlassen oder sich nur auf die Couch geworfen und die Fernbedienung gesucht hat.  Deshalb, meine Teuren, gehet ins Kino! Selbst wenn der Film doof ist (das Zweckdichterbalg wurde durch Eternals so schnell dem MCU entwöhnt, da ist Pflasterabreißen eine chinesische Wasserfolter dagegen), hat man immerhin was erlebt.

Ob man hingegen allein oder in Gesellschaft ins Kino geht, ist ziemlich wurscht. Es ist ja eh dunkel, und mit munterem Geplauder macht man sich keine neuen Freunde.

Noch ein Vorteil des Kinos: Selbst wenn du dir im Multiplex voll gönnst, ist es immer noch ein billiges Vergnügen im Vergleich zum Auswärtsessen. Wenn man zu zweit drei Speisen und zwei Getränke verzwickt, wie kommt dann eine Zeche von 50 Euro zustande? Ganz einfach: Das große Soda Zitron kostet 4,80. Ja, echt. Vier Euro, achtzig Cent. Für Wasser mit Zitronensaft. Wenn wir annehmen, dass das Wasser zehn Cent kostet (was hoch gegriffen ist) und eine Biozitrone einen Euro, und wenn wir noch 80 Cent Steuer weglassen, dann bleiben knapp drei Euro fürs Pressen, Servieren, Reibach machen. Daraus lernen wir dreierlei:

Erstens ist die Regel, dass man nicht mehr in Schilling umrechnen soll, eine sehr gute Regel, weil man sonst womöglich draufkäme, dass man für diesen Beitrag einst ein Mittagsmenü UND ein Bier bekommen hat, und so hat die Inflation in den letzten dreißig Jahren echt nicht reingehauen.

Zweitens lernen wir, dass Kochbücher eine hervorragende Investition sind, weil man das Buch praktisch nach dem ersten Abendessen schon herinnen hat.

Drittens lernen wir, dass schlimmer immer geht. Ich kenne ein Lokal, dort kostet nicht nur das Glas Leitungswasser einen Euro (selbst dann, wenn du noch andere Getränke konsumierst). Dort kostet auch der Extrateller einen Euro, wenn du dir mit deiner Begleitung etwas teilen willst.

Wie gesagt: Kauft Kochbücher und geht vom Ersparten ins Kino. Schönes Wochenende!

Freitag, 5. Mai 2023

Experimentierfreude

 

Es ist, o vielseitig versierte Lesehäschen, schon eine Weile her, da waren sogenannte Lifehacks voll der heiße Scheiß. Wie alles im Leben und besonders im Internet schoss auch dieser Trend unausweichlich ins Kraut. An dem Tag, da jemand, der sich tatsächlich dafür Zeit genommen hatte, das (mit Bild!) online zu stellen, eurem Ergebenen die Neuigkeit auftischte, das Kreuzschlitzschrauben sich mit einem Kreuzschlitzschraubenzieher leichter lösen lassen, beschloss jener, es mit dem Lifehackkonsum auch wieder gutsein zu lassen. Zumal der selbsternannte (in diesem Fall ist das Adjektiv ausnahmsweise angebracht) Lifehacker sich offenbar noch nicht zu der Erkenntnis durchgehackt hatte, dass es zweierlei Kreuzschlitzschrauben gibt, nämlich Philips und Pozidriv, und dass Schrauben der einen Sorte schneller verwürgt sind, als du „zu faul zum Suchen“ sagen kannst, wenn du mit einem Schraubenzieher der anderen drangehst.

Dies lässt den Zweckdichter auch an der Verheißung zweifeln, dass die KI uns bald bei häuslichen Reparaturen unterstützen, nämlich uns qualifiziert dabei anleiten werde, diese selber durchzuführen. Schön wär's, weil wir ja naher Zukunft zuhause sitzen und auf den letzten verbliebenen Installateur warten werden, der seinen fast 70-jährigen Körper durch die Gegend schleppt, um unseren Wärmetauscher zu fraktulieren oder sowas. Doch für Heimwerker auf jeglichem Niveau gilt: Für das Werkzeug, das man zuhause hat, genügt im Zweifelsfall YouTube. Wenn unter deiner Abwasch nichts schlummert als ein Hammer und einer von diesen Schraubenziehern, bei denen man das Metallteil so oder so rum in den Griff stecken kann, hat das wahrscheinlich einen Grund.

Wenn du Nussensatz, Akkuschrauber, Schlagbohrmaschine, Multitool undsoweiter dein eigen nennst, heißt das noch nicht, dass du mit einem Kompressionsdruckschreiber etwas anzufangen wüsstest.

Hat man also das Werkzeug nicht zuhause, kann einen die KI so sensibel anleiten, wie sie will, da wird nichts herausschauen, solange sie keinen mit dem fehlenden Zeug vorbeischickt. Der könnte das Gräuwel dann aber auch gleich flicken, wo er schon da ist, oder?

Nun aber zum heutigen Bildungs- und endlich auch Lifehackthema, nämlich, was sonst, Saufen.

Beim Essen hat sich ja schon herumgesprochen, dass man, wenn man sich Auswärtsessen schon antut, am besten etwas bestellt, was man sich nicht selber kocht.

Dieses, o genussverliebte Lesehäschen, gilt auch für Cocktails: Wenn du die Zutaten eh daheim hast, blättere weiter. Findest du dann eine geheimnisvolle Komposition aus Thymian und Stierhodenextrakt oder mazerierten Passionsblumen an Bourbon, dann greife zu. Enthält das Mixgetränk hingegen ausschließlich Zutaten, die jeder Billa Plus hat, dann gib dir lieber auf deinem eigenen Sofa damit die Kante. Ist billiger und weniger gefährlich. Gern geschehen, schönes Wochenende!