Was „objektiv“ heißt, konnten wir ja dank dem Linzer Khevenhüller-Gymnasium bereits klären, o wissenschaftlich interessierte
Lesehäschen: Wenn man nicht "ich" sagt, ist es objektiv.
Das liegt daran, dass wir so kompetent sind. Fragt sich nur, was Kompetenz eigentlich ist. Da hilft ein scharfer Blick auf die diversen Webseiten des Bildungsministeriums.
Früher, als das Wünschen auch schon für die Katz war, gab es nämlich den Deutschunterricht. Heute heißt das „Unterrichtssprache“, womit immerhin geklärt ist, dass die Schüler einst über die Beschaffenheit des Deutschen unterrichtet wurden, während heute die Sprache halt, tja, west?
Der Lehrplan für die Unterrichtssprache ist, wie alle Lehrpläne heutzutage, „kompetenzorientiert“. Man darf sich fragen, worauf die früheren Lehrpläne orientiert waren, wenn nicht auf Kompetenzen, aber man darf sich auch fragen, ob es nicht gescheiter ist, sich die Frage zu sparen.
Zu den Kompetenzen, die das – natürlich seinerseits kompetente – Lehrpersonal zu vermitteln allzeit bestrebt sein möge, zählt die Kenntnis der deutschsprachigen, insbesondere österreichischen Literatur „anhand ausgewählter Beispiele“.
Die Frage ist nur, wer die Beispiele auswählt. Das Unterrichtsministerium hält sich bedeckt. Ich täte desgleichen, denn wer heutzutage einen Kanon erstellt, hat offensichtlich mit seiner Karriere abgeschlossen. Das liegt daran, dass Auswahl leider immer auch Abwahl bedingt. Der Witz an einem Lesekanon ist es, dass man nicht alles lesen muss, sondern nur den Kanon. Da nicht nur alle Autoren, die es in den Kanon schaffen, eine Identität besitzen, sondern auch alle, die außen vor bleiben, und weil keine Identität der anderen gleicht, ist jeder Kanon nur ein Puppenstadium, dem alsbald ein Shitstormschmetterling entschlüpft, dessen Flügelschlag den Urheber aus dem Berufsbild fegt. Denn es ändern sich halt die Verhältnisse. War es in noch gut erinnerlicher Zeit progressiv, sich in einer öffentlichen Position als schwul zu outen, so gibt es heutzutage bekanntlich niemand Privilegierteren als einen Cis-Mann, egal auf wen er steht, so rückständig kann das Dorf gar nicht sein, dass der so hart diskriminiert wird wie eine Transperson in Favoriten, nee du.
Deshalb ist es verständlich, dass das Unterrichtsministerium keinen Literaturkanon herausgibt, sondern es den Lehrern überlässt, geeignete Beispiele auszuwählen. Diese sichern sich shitstormtechnisch ab, in dem sie entweder großes Gewicht auf Werke legen, die man gut als progressiv schubladisieren kann, oder – vorzugsweise – indem sie bereits pragmatisiert sind, sodass es ihnen wurscht sein kann.
Glücklicherweise sind die Kompetenzsterne, nach denen das Unterrichtsschiff steuern soll, optional, weil nämlich zu Schularbeiten und natürlich auch zur Matura immer auch Themenpakete gewählt werden können, die frei von jedem Literaturbezug sind. Womit wir auch geklärt haben, warum es „Unterrichtssprache“ heißt und nicht „Sprachunterricht“. Wäre ja noch schöner, wenn man in diesem Fach gezwungen wäre, sich mit den Hervorbringungen von Leuten auseinanderzusetzen, die davon zu leben versuchen.
Schönes Wochenende!
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