Freitag, 30. August 2024

Versprochen

 

Das Warten hat ein Ende, o demokratisch denkende Lesehäschen. Endlich ist Wahlkampf! Und damit wieder die Zeit des „Stopp dem“ und des „Es braucht“ – das eine grammatisch fragwürdig, das andere inhaltlich unentschlossen.

Leider, leider muss man sagen, dass die FPÖ beeindruckend vorgelegt hat. Denn sie liefert Wahlversprechen, die garantiert in Erfüllung gehen.

„Dein Herz sagt ja“ ist noch die harmlosere der beiden Botschaften, indem der Appell an die Emotion beinahe schon sympathisch durchschaubar daherkommt, weil man nicht umhinkann, gedanklich die Fortsetzung „aber wenn du bei Verstand bist …“ zu ergänzen. Gleichwohl fällt schon hier auf, dass offenbleibt, welchem Anliegen dein Herz eigentlich zustimmt. Antwort: Das darfst du dir aussuchen, weil es in Wahrheit wurscht ist. Was wir im Falle eines Wahlsiegs anstellen, packeln wir uns dann sowieso mit stakeholders aus, die sich eher vom Pochen ihres Kontostandes als ihrer Blutpumpe leiten lassen.

Der wahre Geniestreich politischer Inhaltslosigkeit wartet aber auf dem anderen Plakat: Euer Wille geschehe fordert Kickl hier auf. Worin dieser Wille bestehe, ist dem kleinwüchsigen Kapazunder natürlich vollkommen egal. Der einzige Wille, der tatsächlich geschehen möge, wenn es nach ihm geht, ist jener, das Kreuzerl bei der FPÖ zu machen. Damit das eintritt, darf sich das Wahlvolk einbilden, es wähle damit eine Partei, die mit seinen Anliegen etwas am Hut habe.

Jetzt ist natürlich die Frage, was das soll. Die Blauen glänzen nicht gerade mit Inhalten, denen große Chancen auf Realisierung beschieden sind. Und wenn die Wählerschaft innehielte, um diese Inhalte genauer unter die Lupe zu nehmen, käme sie wahrscheinlich darauf, dass eine solche Realisierung ihr selber nicht zum Vorteil gereichte. Die FPÖ setzt daher immer noch darauf, als „Protestpartei“ zu reüssieren, d.h. als Partei für jene, denen eine ungültige Stimme ein zu kleiner Scheißhaufen vor der Tür der Demokratie ist, und die ihn daher in einen Papierbeutel packen, um anschließend das Streichholz einer Stimme für die Blauen daranzuhalten.

Insofern verspricht Kickl nicht zuviel. Wer ihn wählt, darf sich nicht mehr erwarten, als ihn gewählt zu haben, denn mehr hat er ja auch nicht versprochen.

Man kann daher vor den Verantwortlichen nur ehrfürchtig den Hut ziehen. Sie haben es geschafft, den maximalen Mangel an Inhalt in die maximale Form an Verheißung zu gießen und im Vorbeigehen noch der Kirche eins reinzuwürgen, um vielleicht den kläglichen Resten christlicher Gesinnung in der ÖVP etwas zufleiß zu tun.

Schönes Wochenende!

Freitag, 23. August 2024

Ihre Sorgen

 

Wir können uns wieder lockermachen, o endzeitbesorgte Lesehäschen. Zwar steht auf der Shortlist zum „Jugendwort des Jahres“ das Jugendwort 2012 („yolo“). Und auch „Digga“ macht sich hier unangenehm breit, ein Begriff, der mindestens seit 2005 kursiert und nie cooler war als „Oida“. Unter den hoffnungsfrohen Kandidaten, die es dann doch nicht in die Top Ten geschafft haben, dürften sich vermutlich „Bandsalat“, „Fisimatenten“ und „Droschke“ finden, die im Vergleich zu „yolo“ geradezu knackfrisch daherkommen.

Es geht aber noch schlimmer. Die Dudenredaktion informiert über Änderungen im Wortbestand des beliebten Nachschlagewerks. Dankenswerterweise sind die „Spagetti“ rausgeflogen, die mindestens so elend sind wie der „Schofför“ (den gibt es noch), sowie der „Tunfisch“, der für nichts gut war als einen halblustigen Witz.

Im Gegenzug wurde aber ein Wort wieder aufgenommen, das schon einmal gestrichen worden war. Es handelt sich um den Hackenporsche. Für alle, die das diesseits der Linie Düsseldorf – Leipzig – Breslau lesen: Ein „Hackenporsche“ ist das, was ein ordentlicher Mensch als Einkaufstrolley kennt. (Zur Erinnerung: „Hacken“ heißen jenseits der gedachten Linie die Fersen wie auch die Schuhabsätze, womit die Unnötigkeit des Wortes hinreichend belegt ist. Schließlich leisten wir uns auch verschiedene Wörter für „Auge“ und „Brille“.) Wie Die Rheinpfalz in Übereinstimmung mit der Tagesschau mitteilt, sei dieser Begriff „scherzhaft“.

Haben alle fertiggelacht? Sehr schön. Ist ja auch echt lustig, dass ein Einkaufswagerl nach einem Sportwagen benannt wird, weil, ähm, tja, weil man ihn nachzieht? Ich glaube, ja.

Aber jetzt kommt’s: Warum darf der Hackenporsche „ab jetzt wieder im Duden seine Runden drehen“, wie Die Rheinpfalz wohl ebenfalls „scherzhaft“ feststellt? Ist der Dudenredaktion ein Fehler unterlaufen? Wurde ihr Server gehackt?

Nein: Der Hackenporsche besticht deshalb in Deutschlands maßgeblichem Wörterbuch wieder mit sportlicher Straßenlage, wie ich euch scherzhaft wissen lasse, weil sich Leute darüber beschwert haben, dass er gestrichen worden war.

I shit you not: Es gibt tatsächlich auch heute Menschen, die Zeit und Lust haben, sich zu beklagen, dass ein lexikalischer Flachwitz nicht mehr quasioffiziell abgesegnet wird. Dann ist es wohl doch nicht so schlimm. Schönes, unbeschwertes Wochenende!

 

 

Freitag, 16. August 2024

Frommer Wunsch

 

Ich möchte euch, o lakonische Lesehäschen, etwas mitteilen. Achtung also: Gleich kommt die Information, was ich euch gern mitteilen würde. Danach rutscht ihr dann zweifellos ungeduldig auf der Stuhlkante herum, bis ich es euch endlich mitteile. So läuft das nämlich, wenn kommunikativ alles seine Ordnung hat.

Mitteilen möchte ich euch, dass solche Sätze komplett für die Fisch’ sind. Ganz besonders mit dem unnedigen Konjunktiv „möchte“. Zur Erinnerung für alle, die vergessen haben, dass „möchte“ von „mögen“ kommt: „möchte“ kommt von „mögen“. Daher gibt es auch keinen Indikativ (a.k.a. Nennform) „möchten“, sondern nur den Plural „wir/sie möchten“.

Neulich erblickte euer Ergebener nämlich einen Zettel an einer Ladentür: „Wir möchten Sie darüber informieren, dass …“ (der Laden im Sommer eine Weile geschlossen bleibt). Jungs/Mädels/Sternchen: Macht das doch einfach! Frisch von der Leber weg! Sagt einfach „Liebe Kunden und Kundinnen“ (Sternderei nach Belieben), „im Sommer haben wir von dann bis dann zu.“ Ende der Geschichte, alle wissen Bescheid, bis auf den Dude, der eine so geniale Geschäftsidee hatte, dass er nebenbei auch ein „UPS Access Point“ wurde, aber zu doof war, dem UPS-Boten vor Urlaubsantritt noch herumliegende Pakete mitzugeben: Abholung bis spätestens 15. August. Laden hat aber bis 16. zu. Zweckdichterbalg not amused.

Schon mit „wir wollen Sie informieren“ wird es eigenartig. Eh schön, dass du mir sagst,  dass du mir etwas sagen willst. Warum nicht einfach sagen? „Wir möchten Sie informieren“ lappt aber vollends ins Absurde, weil eben Konjunktiv. Wir würden das urigstens gerne mit euch bereden, verehrungswürdige Kund*innen, aber

wir haben ein Gelübde abgelegt

das Wetter ist nicht danach

die Sterne stehen ungünstig

wir haben Halsweh

egal.

Jedenfalls liegt ein Umstand vor, der es uns zwar gestattet, Ihnen mitzuteilen, was wir gern täten (nämlich Ihnen etwas mitteilen). Aber wirklich mitteilen können wir es Ihnen nicht. Aber warte: Jetzt wissen Sie es ja doch. Was ein Glück.

Für alle, die nicht wissen, was sie mir schenken sollen: Schenkt mir nichts. Schenkt euch diese Mätzchen. Und verwendet „möchte“ nur, wenn ihr euch echt nicht sicher seid.

Schönes Wochenende!


Freitag, 9. August 2024

Olympischer Gedanke

 

Immer, wenn eine Person von königlichem Geblüt in den Bund der Ehe eintritt oder ein Bankl reißt a.k.a. sich in eine bessere Welt verabschiedet, tritt ein Berufsstand ins Rampenlicht, von dem man sonst als Mainstreammedienkonsument eher wenig mitbekommt, nämlich die sogenannten Adelsexperten. Im Gegensatz zu Normale-Leute-Experten, auch bekannt als Soziologen, machen jene viel Aufhebens vom Fortkommen eines jeglichen Individuums. In den Dürreperioden, wenn sämtliche Royals dieser Welt sich fader Gesundheit und ehelichen Glücks erfreuen, fretten sie sich vermutlich damit durch, die Seiten untoter Klatschblätter wie der „Neuen Post“ und des „Goldenen Blatts“ zu betexten. Wer nie bei der Oma geschaut hat, was der Leserzirkelmann so vorbeibringt: Die Gala ist dagegen Pulitzerpreis. Kürzlich hatte euer Ergebener Gelegenheit, in einem Wartezimmer (wo sonst!) einen Blick in eine Postille dieses Kalibers zu werfen. Da war zu lesen, dass irgendwer Adliger oder sonstwie Abgehalfterter eine neue Beschäftigung für sich entdeckt habe, nämlich Handyspiele. Dies erfuhr das p.t. Publikum unter der Headline Lustiger Zeitvertreib. Damit weiß man wahrscheinlich alles über die Klatschpresse alter Schule, was es zu wissen gibt.

Offen blieb bisher die Frage, ob man davon als Adelsexperte leben kann, besonders angesichts der ärgerlichen Zählebigkeit gerade der besseren Stände. Die weiland Queen ist da nur ein besonders bekanntes Beispiel von vielen.

Dank den olympischen Spielen kennen wir nun die Antwort. Denn auch für manchen Kommentator gilt offensichtlich „Dabeisein ist alles“, besonders bei Sportarten, die zu Unrecht! sonst nur selten ins Rampenlicht treten. Die bestallten Sportauskenner der Sender sagen wohl: Nee du, das interessiert ja sonst nie wen, keinen Nebel davon, wenn ich mich da ans Mikro setze, kommt nur Blödsinn raus, man ist ja Profi, bitte sucht euch jemanden.

Und siehe, nichts findet sich leichter als ein Adelsexperte. Denn diese sind nicht nur mit Tagesfreizeit ausgestattet, sondern auch mit einer beneidenswerten Sorglosigkeit, wenn es darum geht, sich in der Öffentlichkeit über Dinge zu verbreiten, von denen sie keine Ahnung haben. Kein Wunder, stellt dies doch im Groben ihre Berufsbeschreibung vor.

Anders ist es nicht zu erklären, dass man etwa zur Rhythmischen Sportgymnastik vom Kommentator aufgeklärt wird, dass die aktuell tätige Turnerin eine schöne Stimme habe (zweimal!), dass 0,3 weniger ist als 0,4 und ähnliche Erkenntnisse. Wer also den Überdrübertraumjob „IOC-Funktionär“ (null Verantwortung, maximales Spesenkonto, hohe Schmiergelderwartung) nicht derglengt, für den hält Olympia einen Trostpreis bereit.

Schönes Wochenende!


Freitag, 2. August 2024

Übergewicht


 

Man lernt bekanntlich nie aus oder, wie auf den Give-away-Bleistiften des Knabenkonvikts Marianum zu Bregenz stand, „nia us“. Wer auf die Website dieser schätzbaren Institution schaut, stellt fest, dass auch die Diözese Feldkirch dazugelernt und eingesehen hat, dass aus einer betreuten Unterbringung für Gymnasiasten aus dem ländlichen Raum nicht automatisch Theologiestudenten mit Berufsziel Pfarrer herausfallen, sondern möglicherweise Querulanten, die alles Mögliche andere werden wollen. Daher ist das Marianum nun ein sogenannter „Bildungscampus“, was in diesem Fall einen Bauchladen bedeutet, in dem man vom Schülerwohnheim über den Kindergarten bis zur Kinderpsychiatrie so allerlei findet. Kein Wunder, dass die einst so beliebten „Altmarianertage“ offenbar völlig abgekommen sind.

Was haben wir also kürzlich gelernt? Eigentlich nichts. Wir haben nur wieder einmal bestätigt bekommen, dass Adorno recht hatte. Es gibt tatsächlich kein richtiges Leben im falschen, denn wenn du ein Antisemit bist, ist dein Sitzen nicht Jazz, aber dein Essen antisemitisch. Das erfuhr man bei den ansonsten sehr erfreulichen (Vielseitigkeitsreiten in Versailles!) Olympischen Spielen, an denen natürlich auch Israelis teilnehmen, darunter der Judoka Tohar Butbul. Er kam bereits bei den Spielen 2021 kampflos ins Achtelfinale, weil ein Algerier und ein Sudanese zurückzogen, um nicht gegen einen Juden kämpfen zu müssen.

Jetzt in Paris verzichtete sein Gegner Dris, wieder ein Algerier, nicht etwa auf die Teilnahme. Denn sein Teamkollege war nach seiner Weigerung in Tokio vom Weltverband für zehn Jahre gesperrt worden. Wie kommt man aus dem Dilemma, einerseits seine sportliche Karriere fortsetzen und andererseits Israel öffentlich das Existenzrecht absprechen zu wollen?

Die Lösung ist Essen. Der Doch-nicht-Kampfsportler verzichtete auf den sonst gern vor dem Abwiegen angetretenen Saunabesuch und tat sich stattdessen am Buffet gütlich – alles halal, natürlich. Und siehe: Er wurde eine Idee schwerer, als es seiner Gewichtsklasse ansteht, und durfte nicht kämpfen.

Bekanntlich sind die Meinungen ja verschieden wie Watschen. Aber euren Ergebenen mutet dieses Bubenstück der Bauernschläue doch recht armselig an. Üblicherweise gehen mit einer Weltanschauung oder Religion, die einem manche Dinge verbietet, auch die Eier einher, sie halt aus genau diesen Gründen bleiben zu lassen. Aber sich anzupampfen, damit man disqualifiziert wird oder wie immer der richtige Ausdruck heißt, ist ziemlich genauso würdevoll wie ein Drittklässler, der Zahnpasta schluckt, um vor der Schularbeit Fieber zu bekommen. Klappt natürlich nicht, aber speiben muss er immerhin, was man dem Herrn Dris auch nur wünschen kann. Immerhin zeigte sich der Teamsponsor, der größte Mobilfunkbetreiber Algeriens, begeistert. Na dann: Schönes Wochenende!