Es muss, Lesehäschenschaft, etwas geschehen. Die Kolumne
treibt orientierungslos dahin, dem
Wind und den Wellen des Tagesgeschehens und eines launenhaften Kolumnators
ausgeliefert. Dabei hat Blog doch mit
dem Logbuch zu tun, dessen
gewissenhafte Aufzeichnungen über die Geschwindigkeit, mit der das über Bord
geworfene Scheit (das Log eben)
davontrieb, einst in der christlichen Seefahrt dazu beitragen sollte, dass die
furchtlosen Schiffer ihr Ziel erreichten. A propos: Schreiben Identitäre
eigentliche Blogs, oder schnitzen sie Netzscheiter? Was meint die Log Lady aus Twin Peaks dazu? Und wird das neue Twin Peaks so unmenschlich großartig,
wie meine in den 90ern erwachsen gewordene Seele es ersehnt? Wohl nicht.
Wo waren wir? Genau: Dieses Stück Internet braucht Linie,
Herrschaften! Sudern über die Bildungspolitik, bisschen die AfD necken,
dazwischen halbseidene Sprachbetrachtungen – so wird das nie marktfähig. Gesucht: Das kleine Thema für die rasch
besetzte Nische.
Gefunden:
Der Tschickstummelblog.
Jawohl, so machen wir das. Ab sofort widmen wir uns hier der
Restzigarette aus jedem Blickwinkel. Zwar produziere ich keine mehr davon, habe
aber mein diesbezügliches Pensum längst erfüllt.
Nun denn: Tschickstummel. Ich erinnere mich zum Beispiel,
dass ich einst in Disneyland ausprobiert habe, wie viel Zeit durchschnittlich
verstreicht, bis ein weggeworfener Tschickstummel von beflissenem Mauspersonal
entsorgt wird. Zu meiner Entschuldigung kann ich nur anführen, dass es damals
noch keine Smartphones gegeben hat, was zur Folge hatte, das die Leute sich
miteinander beschäftigt bzw. mit Hilfe weggeworfener Tschickstummel einander
funktionieren lassen haben. Das rührt an die Tschickstummelgrundfrage: Ist es eigentlich schlimm, einen
Tschickstummel auf der Straße wegzuschmeißen? Ich weiß, die MA48 hat dazu einen
klaren offiziellen Standpunkt. Allerdings hat die MA48 (für die Fernhäschen
unter euch: die Wiener Müllabfuhr) auch einen klaren offiziellen Standpunkt zu
der Frage, ob auf Gehsteigen Hundescheiße herumliegen darf. Da kann ich nur
sagen: Beides probiert, kein Vergleich. Mit Kaugummi es ist ähnlich, nur
weniger dramatisch. Solange man kein Schuhwerk mit leicht entzündlicher Sohle
trägt, ist ein glosender Tschickstummel im urbanen Raum eine vergleichsweise
harmlose Vandalismusvariante. Anders ist
es freilich in empfindlichen Ökosystemen, die Jahre brauchen, um sich von einem
unbedachten Fußtritt zu erholen. Da will man nicht mit einem Marlbororestl den
sinnlos zürnenden Gott spielen.
Soviel zu den aktuellen Tschickstummelnews. Nun zu den
Abschweifungen der Woche, a.k.a. „Werbung, die mir Rätsel aufgibt“, denn
nur Tschickstummel ist auf Dauer doch etwas eintönig: Da haben wir auf Platz 1 (wir
machen es heute nicht so spannend, die EM ist eh arg genug) das aktuelle
Plakatsujet des CS Hospiz Rennweg. Es zeigt vor blauem Himmel einen
fußballbeschuhten Fuß, der einen herzförmigen Ball wegzukicken im Begriff ist,
mit der Headline 1:0 für die
Menschlichkeit. Seit ich es zum ersten Mal gesehen habe, frage ich mich,
inwiefern man mit Tritten gegen ein Herz für die Menschlichkeit punkten kann.
Da ich im Gegensatz zum Schöpfer des Sujets nicht der Doyen der
österreichischen Charity-Werbung bin, weiß ich es leider nicht, freue mich aber
über klärende Worte.
Auf Platz 2 hat es die Crodino-Tante
geschafft, die derzeit in zahlreichen Citylights für den alkoholfreien Apero Crodino wirbt. Unterstützt von dem
Claim Nur zum Spaß spritzt sich das
Model aus einem Siphon Sodawasser nicht etwa ins appetitlich kondenswasserüberzogene
Glas, sondern ins Gesicht. Was dieses Sodawasser-Bukkake (wer das bisher nicht gegooglet hat, sollte es auch
weiterhin bleiben lassen, besonders am Arbeitsplatz) mit nichtalkoholischem
Sprizz-Genuss zu tun hat, bitte ich mir ebenfalls gelegentlich vorzuhopsen. So
kleinlich kann ich sein. Schönes Wochenende!