Das
Wichtigste, o Herr- und Häschenschaften, zuerst: Es gibt eine neue Definition von First World Problems. Denn irgendwann im Sommer ward mir das
Glück zuteil, einen TV-Spot zu sehen. Das allein wäre noch nichts Besonderes,
doch beworben wurde ein rezeptfreies Medikament, und eine der wichtigsten
erwünschten Wirkungen des Pulvers, so ließ ich mich belehren, ist ein
stärkerer Harnstrahl. Da kann ich nur sagen: Eure Sorgen und Rothschilds
Geld! (Der Slogan zu dem Mittel lautet übrigens Weniger müssen. Besser können. und sei euch hiermit zur Anwendung
in praktisch allen Lebensbereichen empfohlen.)
Nun
zur Kultur. Ein Sommernachtstraum ist
ja nichts, was man groß vorstellen müsste: Hochgestelltes Volk heiratet in
Athen, und einfache Leute machen sich sympathisch lächerlich, indem sie ihren
Teil zu den Feierlichkeiten beizutragen versuchen. Neu ist: Man kann sich jetzt
wie die Fürsten im Sommernachtstraum
fühlen, um den Preis eines Tickets für Die
Fledermaus in der Volksoper.
Denn
das Zweckdichterbalg, müsst ihr wissen, schätzt die Musik, weshalb es mich zu einer
Darbietung obgedachten Operettenklassikers verschlug. Eine Operette bietet ja
den theoretischen Vorteil, dass auch Schweinsohreninhaber
wie euer Kolumnator dabei ihren Genuss finden: Wenn es mit der Wertschätzung
der gesanglichen Darbietung hapert, bleiben immer noch die Dialoge! Kennt man
ja aus der Filmfassung mit Otto „Otti“ Schenk und Peter Alexander.
Doch
heutzutage, belehrte mich (zu spät) Wikipedia, haben es Operettenregisseure
schwer. Die Sängerinnen und Sänger wollen entweder gleich richtig Oper singen, oder sie wollen gleich
richtig Musicalstars werden. Weil
man Operetten anscheinend nicht mit Musicalistinnen besetzen kann, findet sich
euer Zweckdichter dann auf einem ziemlich guten Platz und staunt, wie eine
Riege international gefeierter Soprane, Tenöre und Baritone sich der Fledermaus-Dialoge unterwindet. Die
resultierende Hilflosigkeit ist so echt wie jene der Athener Handwerker, weil
nämlich die einschlägigen politischen Kleingeldwechsler es bislang versäumt
haben, einen Integrationskurs als Voraussetzung einer internationalen
Opernkarriere zu fordern. Das Deutsch mancher Stars ist von einer Qualität,
dass sie Mühe haben, ihren Text wenigstens in korrekter Satzstellung zu
bringen. Von einer pointierten Darbietung des Wiener Klassikers (womöglich mit
adäquatem Akzent) ist man so weit entfernt wie Matthias Strolz von elder
statesmanship. Auf gut Deutsch: Wenn
Strauß’sche Operettentexte mit dem Zungenschlag einer ostösterreichischen
Baustelle geboten werden und damit Applaus zu holen ist, ist auch die Operette
als Genre offensichtlich zu einer solchen geworden.
Weil
wir (also ich)schon beim Herummotschkern sind: „Irmgard Griss pocht deshalb bereits seit längerem auf eine
‚Politikerhaftung’, wie sie es nennt“, behauptete Der Standard vor ein paar Tagen. Eben nicht! Irmgard Griss hätte
gerne eine Politikerhaftung, auf die sie pochen könnte. Da es aber keine gibt,
muss sie jene erst fordern, und kann dann vielleicht irgendwann im Anlassfall
auf sie pochen. Denn pochen kann man nur auf etwas, was schon da ist. Sonst
vergilbt das Sprachbild, kriegt Risse und wird in die Lade verräumt, weil sich
keiner überwinden kann, es wegzuschmeißen.
Schließlich
gab es noch einen Supradyn-Spot, in
dem es hieß, dass 86 % der Frauen in Deutschland sich manchmal müde und
erschöpft fühlen. Wenn das so ist, Herrschaften, will ich bitte kein Supradyn.
Ich will das, was sich die andern 14 Prozent reinpfeifen. Schönes Wochenende!