Freitag, 27. April 2018

Werbeabgabe

Manchmal, o Häschen, fragt man sich schon. Ein Coach (oder heißt das eine Coach? Eine Coachette? Eine Coachin? Hilfe!) namens Jenny Simanowitz hat im Standard erklärt: 1956 habe ein Soziologe namens Erving Goffman erstmals behauptet, dass jede Kommunikation "eine Performance" sei. [… ]Goffman vergleicht unsere tägliche Kommunikation mit einer Serie von Theaterauftritten, jeder mit seiner eigenen Kulisse, Fassade und Darstellung. 
Und das war 1956 neu und bahnbrechend? Man muss nicht Shakespeare bemühen (All the world’s a stage, and all the men and women merely players), man kann aber. Oder Machiavelli: „Einem Fürsten ist daher nötig, den Menschen und das reißende Thier spielen zu können.“ Er muss „nicht die vorhin beschriebenen Tugenden haben, wol aber das Ansehn davon“.
Wir müssen die Wirkungsgeschichte Macchiavellis nicht durch die nächsten vier Jahrhunderte verfolgen, um einzusehen, dass Erving Goffman vielleicht ein wichtiger Soziologe, die Auffassung von Kommunikation als theatralischer Handlung aber nicht sein originellster Einfall war. Ein bisschen mehr wäre da schon gegangen, Coach Simanowitz! Ich war ja einst beim Vortrag eines sehr erfolgreichen Texters und Vortragenden, der uns Jungfuzzis nahezubringen versprach, wie das coole Texten leichter von der Hand gehe. Der Vortrag dauerte nach meiner Erinnerung ungefähr eineinhalb Stunden. Ich schwöre, dass der Mann keine einzige Silbe geäußert hat, die nicht, in etwas anderer Formulierung, schon Quintilian in seinem, ja, bahnbrechenden Werk Institutio oratoria aus dem ersten Jahrhundert der aktuell hieramts gängigen Zeitrechnung vorweggenommen hätte. Immer diese vorauseilenden Plagiatoren! Der Erfolgstexter hatte sich aber immerhin die Mühe gemacht, Quintilians Tipps in bullshitbingokompatibles – nun ja: Wording zu kleiden. Während Frau Simanowitz halt einfach davon überzeugt ist, dass Erving Goffman der originellste Kopf war, seit Odysseus sich das mit dem Pferd ausgedacht hat. Ich weiß nicht, wieviel Coaching ich mir da einpacken lassen würde.
Nun zur Werbung: Die Werbeabgabe kann endgültig abgeschafft werden, weil es nämlich gar keine Werbung gibt. Ein Sprecher der Coca-Cola Company hat erklärt, das Unternehmen schalte Inserate, TV-Spots etc., um Konsumentinnen und Konsumenten vor der Kaufentscheidung zu informieren, Klarheit zu schaffen und den Absatz zu erhöhen. Es geht also gar nie um Werbung, sondern IMMER um Information.
Naja, fast. Genaugenommen war es ein Sprecher des Innenministeriums, der in Herrn Sobotkas Namen zum Thema Wahlwerbung verkündet hat, man wollte Wählerinnen und Wähler vor der Wahl informieren, Klarheit schaffen und die Wahlbeteiligung erhöhen. Deshalb ist es vollrohr okay, wenn staatliche Stellen Geld für Inserate, TV-Spots undsoweiter ausgeben. Es handelt sich ja nicht um steuerlich finanzierte Werbung, sondern um Information. Na dann.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen