Freitag, 27. Juli 2018

Endlich getrennt

Heute, o hoffentlich besonnte Lesehäschen, verkosten wir ein Schmankerl aus der grammatischen Abteilung des Internets. Denn Ferien hin oder her, geredet wird immer. Die Frage ist nur: Wird geredet, wie dir der Schnabel wuchs? Wird schön gesprochen? Oder hast du gar einen schön gewachsenen Schnabel, dem ohnehin nur Perlen sprachlicher Wohlgestalt entquellen? Ich wünsche es dir, seltenes Schnabelhäschen. Aber wir schweifen ab. Das Internet also. Unendliche Weiten. Von Unfug. Und Weisheit. Daher natürlich auch unendliche Schwierigkeiten, das eine vom anderen zu unterscheiden. Ihr wisst ja, dass euer ergebener Kolumnator sich gelegentlich in Foren herumtreibt, wo Leute sprachliche Probleme mit ihrem Senf verfeinern. Manchmal kriegt man dabei was auf die Ohren, manchmal darf man selber einen Satz Hörwerkzeuge rubbeln. Hauptsache, es bleibt interessant.
Nun ging es um einen Satz wie diesen:
Von seinem Freund, der ein stadtbekanntes Schandmaul war, hatte ich die absurde Geschichte gehört, die ihm die Schamesröte ins Gesicht trieb.
Nach einigem Hin und Her darum, welches die Satzglieder seien und welches die Nebensätze, schob ein Schlaumeier noch eine Korrektur nach. Der Satz habe zu lauten:
Von seinem Freund, der ein stadtbekanntes Schandmaul war, hatte ich die absurde Geschichte, die ihm die Schamesröte ins Gesicht trieb, gehört. Der zweite Teil des Prädikats, eben gehört, müsse, so der Schlaumeier, am Ende stehen.
Warum? Wo doch das Prädikat direkt bei seinem Subjekt einen schlanken Fuß macht?
Der Schlaumeier erklärte, Satzglieder dürften nicht getrennt werden. Und die absurde Geschichte, die ihm die Schamesröte ins Gesicht trieb sei ein Objektsatz, zu erfragen mit „Wen oder was hatte ich gehört?“ Weil es sich dabei um ein Objekt handle, dürfe das Prädikat nicht mitten hinein geschoben und gedachtes Objekt in zwei Teile gespalten werden.
Wir sind uns hoffentlich einig, dass das ein fester Schmarren ist, sonst sucht euch bitte einen anderen Kolumnator. Schon deshalb, weil nach dieser fischelnden Regel von den folgenden Sätzen nur einer korrekt wäre:
Ich lese ein Buch, das mich interessiert.
Ich habe ein Buch gelesen, das mich interessiert.
Welcher? Der erste. Denn im zweiten Fall hat sich gelesen in das Objekt ein Buch, das mich interessiert gedrängt.
Ebenso hier:
Ich werde ein Buch lesen.
Ich werde ein Buch lesen, das mich interessiert.
Offensichtlich hatte der Schlaumeier einen Blödsinn verzapft, zumal jeder ordentliche Schriftsteller, ob Eichendorff, Goethe, Rilke oder Thomas Mann, ebensolche Sätze zuhauf hinterlassen hat. Das ist auch gut so. Aber wo im Gemäuer tut sich die Ritze auf, in die man sein logisches Messer zwängen kann?
Antwort: die absurde Geschichte, die ihm die Schamesröte ins Gesicht trieb ist gar kein Objektsatz.
Ein Objektsatz wäre zum Beispiel dieser dass-Satz: Ich kann nicht glauben, dass jemand solchen Unfug ins Internet schreibt. Hier ist der ganze Nebensatz mit „Wen oder was kann ich nicht glauben?“ zu erfragen.
Im ersten Beispiel hingegen ist das Objekt die Geschichte: „Wen oder was hatte ich gehört?“ „Die Geschichte.“ Zu dieser gehört ein Attributsatz (die ihm die Schamesröte ins Gesicht trieb), zu erfragen mit „was für eine Geschichte?“ Und Attributsätze haben im Gegensatz zu Attributen die Eigenheit, sich so leicht von ihrem Satzglied zu trennen wie der Schwanz von einer Eidechse. Gottseidank.
Schönes Wochenende!

Freitag, 20. Juli 2018

Gottesbeweis

Glauben ist natürlich eine Glaubensfrage. Entweder man tut es oder eben nicht. Ich muss euch aber sagen: Falls ihr die Sache mit Hiob immer heftigst angezweifelt habt, habe ich wichtige Neuigkeiten für euch. Nämlich hatte euer Zweckdichter Handwerkertroubles, und es war alles viel schlimmer als vermutet. Anfänglich sah es danach aus, als habe man es mit einer unglücklichen Paarung von Naivität (aufseiten des Handwerkers) und egoistischer Bosheit (aufseiten der auftragserteilenden Nachbarin) zu tun, mit dem Zwischenergebnis eines Schutthaufens in der Dusche eures Ergebenen.
Es zeigt sich aber, dass der betroffene (nicht betreffende, sondern wirklich und bemitleidenswert betroffene) Handwerker nicht irgendwer ist, sondern der wiedergeborene Hiob. Für die nicht so bibelfesten Häschen: Einst wetteten Gott und der Teufel darum, ob letzterer den frommen Hiob so zu quälen vermöchte, dass er sich vom ersteren abwandte. Wie es Hiob dabei erging, kann man sich vorstellen. So auch der Handwerker: Erst riss er die Baustelle an. Dann brach sein Kompagnon durch die Decke. Dann kriegte er darob vom Zweckdichter den Kopf gewaschen, und natürlich auch von der Zweckdichtersfrau. Dann musste er sich einerseits darum kümmern, den angerichteten Schaden zu beheben, andererseits den Verpflichtungen gegenüber der Nachbarin (im Folgenden „Hexe“) nachzukommen, die das ganze Elend mit einer Lüge („Im unteren Stock wohnt eh niemand, Sie kräftig gebauter Installateur, Sie. Greifen Sie ruhig zu Ihrem Fäustel, wählen Sie den größten Meißel, und dann draufgedroschen, was der Bizeps hergibt. Es wird sich niemand daran stören! Hach, was ein Muskelspiel!“) ausgelöst hatte. Dabei standen ihm nicht nur unterschätzte Trocknungszeiten im Weg, sondern auch sein Hiobsstatus. Wenn ein geplagter Mann gegen fünf Uhr morgens von der Baustelle heimkommt, um einige Stunden zu ruhen, dann rechnet er nicht damit, dass seine Frau sich gegen acht ein Nutellabrot zu bereiten anschickt, wobei ihr aber das Nutellaglas vom Oberschrank auf den Teller knallt, und zwar dergestalt, dass eine der resultierenden Scherben ihr den Unterarm so knapp an der Pulsader spaltet, dass alles vollgesaut ist und man lieber gleich ins Unfallkrankenhaus fährt. Dazwischen berichtete der Arme eurem Zweckdichter, der das nie zu erfahren begehrt hatte, dass er den Auftrag nur angenommen hatte, um mit seinen Söhnen (Zwillinge, je 4) ans Meer fahren zu können, was aber nun zweifelhaft schien, denn würde die Hexe trotz (wenn auch von ihr selbst verschuldeter) Verzögerung zahlen? Jaja, so ist das, wenn man nicht gewusst hat, dass man eine tragische Bibelfigur ist.
Nächstes Mal: Ob man Attributsätze von ihrem Objekt trennen darf. Garantiert ohne Blutvergießen!

Freitag, 13. Juli 2018

Mixed Pickles

Es ist, o Häschen, Sauregurkenzeit, zumindest für die reifen Langzottelhäschen, die sich erinnern können, dass so manche Tageszeitung in newsmageren Zeiten tatsächlich ab und zu eine Spalte mit der Notiz einer angeblichen Sichtung eines UFOs oder Nessies  füllte, welche beide sich durch das entsprechend unscharfe Lichtbild einer sauren Gurke wunderbar auffetten lassen.

Heute ist die Sauregurkenzeit eine nurmehr theoretische Angelegenheit, denn Bundeskanzler fahren nicht mehr allein auf Urlaub (immer Österreich, bittesehr!), sie gehen volksnahe wandern, und zwar von einer Hundertschaft neugieriger Wähler begleitet. Und ein Trumptweet ist würziger als jedes Gurkerl, obgleich das sinnliche Gesamterlebnis meist eher an Quargel gemahnt.

Weil wir schon so kulinarisch unterwegs sind, darf ich berichten, was geschieht, wenn existenzielle Verunsicherung und Wiener Kellnertum einander begegnen. Es entspinnt sich dann der folgende Dialog: Was ist bei den Frankfurtern für ein Gebäck dabei? – Meistens eine Semmel. Das Glück ist also nicht nur ein Vogerl, sondern ab und zu auch ein Gebäck.

Eine weitere eingelegte Kleinigkeit: Donald Trump wurde anlässlich seines England-Besuchs in Blenheim Palace, dem Geburtsort Winston Churchills, feierlich empfangen. Man muss kein Churchill-Fanboy sein – als der sich euer Zweckdichter gerne outet – um zu finden, das sei so, als schmisse man in der Familiengruft der Marx Brothers eine Party für den Joker aus Batman.

Gibt es auch in Österreich Gurkerln? Aber klar! Es wirft zum Beispiel ein Zwielicht auf unser Ausbildungssystem, dass man mit Auszeichnung maturieren kann, nachdem man IMMER in Geschichte gefehlt hat. Anders ist nicht zu erklären, dass Sebastian Kurz allen Ernstes von einer Achse spricht, um die Zusammenarbeit mit Deutschland begrifflich auf den Punkt zu bringen. Seit ich allerdings weiß, dass es Studiengänge an österreichischen Fachhochschulen gibt, die mit einem Masterabschluss enden, aber ohne Matura anfangen können, wundert mich eh nichts mehr.

In der anderen Reichshälfte (oder welcher Anteil mittlerweile zu veranschlagen ist) stinkt der Fisch hingegen nicht beim Kopf, aber bisweilen an der Basis. Frau Marija Gavric, 23, sitzt seit Kurzem für die SPÖ im Bad Ischler Gemeinderat, wie man dem Standard entnehmen kann. Nach Lektüre des Artikels wünscht man ihr ein bisschen mehr von dem, wovon schon Laura Rudas, die letzte great red hope aus dem Segment „Weiblich – ledig – jung“ zu wenig genossen hatte: Die eine oder andere Schulung für den Umgang mit Medienvertretern könnte der hoffnungsfrohen Publizistikstudentin (nein, das hab ich mir nicht ausgedacht, die studiert wirklich im geschätzt sechsten oder achten Semester Publizistik und hat das gesagt, was ich gleich berichte) – könnte ihr also nicht schaden. Sie leitet nämlich gerade ein sozialistisches Jugendcamp am Attersee und logiert dort nicht im Zelt, sondern in einem kleinen Haus. Gibt es dazu etwas zu sagen? Freilich: „Führerhauptquartier nennen wir das Haus gerne scherzhaft im Team“, lacht Gavric. Na, wenn es so fröhlich zugeht, wird den Teilnehmern die Endlösung der Ferienfrage hernach gewiss ein innerer Reichsparteitag gewesen sein.

In diesem Sinne: Schönes Sommerwochenende!
P.S.: Ich enthalte euch den Link zum Artikel nicht vor, er ist schlichtweg im Online-Standard nicht zu finden. Man fragt sich, warum, doch immerhin gibt es den Press-Reader.

Freitag, 6. Juli 2018

Betroffenheit


Jede Nacht, das wissen wir von Stermann und Grissemann, ist Busennacht. Gottseidank, darf man hinzufügen! Manche Tage hingegen sind Feedbacktage, und das kann so oder so ausfallen. Auch ein Feedback, so pflegt eine mir mittelbar bekannte Führungskraft besonders Unerfreuliches zu kommentieren.
Ein interessantes Feedback hat auch euer Zweckdichter wieder erhalten, des Inhalts, es sei für Menschen, die eine bestimmte Krankheit ihr eigen nennen (sagen wir Grippe, tatsächlich war es etwas deutlich Unangenehmeres und vor allem Unheilbares), fürder nicht mehr das Wort Betroffene statthaft. Vielmehr handle es sich stets und ausschließlich um Menschen mit Grippe.
Es sei, wie es sei. Wenn jemand mit so etwas leben muss, will ich ihr sicher nicht vorschreiben, ob sie davon betroffen ist oder ob sie nur jemand mit Grippe ist.
Dachte ich zunächst. Denn mir schien interessant, ob es nachvollziehbare Kriterien dafür gibt, ob man mit einer Krankheit durchs Leben geht, ob man an etwas erkrankt ist oder ob man davon betroffen ist. Bei trivialen Wehwehchen ist anscheinend nichts davon der Fall: Von Schnupfen zum Beispiel ist man weder betroffen noch ist man ein Mensch mit Schnupfen. Man hat ihn einfach. Genauso wie Halsweh, Kopfweh, Durchfall oder sonstige Unpässlichkeiten aus der Ich-schreib-mir-meine-Entschuldigungen-selber-Liga. Weil Schnupfen halt nichts ist, weshalb man sein Leben umkrempelt.
So weit, so daneben. Denn sie hat nicht nur Schnupfen, er hat auch Männergrippe. Die ja gleich nach Ebola kommt. Die Sache mit „trivial, also nicht betroffen oder besser: betreffend“ funktioniert also nicht. Kein Mensch würde über „von Männergrippe Betroffene“ reden. Klingt ja total komisch!
Richtig. Weil kein Mensch das Wort „Betroffene“ so verwendet. Betroffen ist schließlich ein Wort mit Verweischarakter. Es fasst zusammen, was vorher gesagt wurde, eben damit man das Vorige nicht noch einmal sagen muss. Erst berichten wir, dass ein Autohersteller in der Lüftung Bauteile verwendet hat, die auf Spinnenkolonien einladend wirken. Dann erklären wir, dass die Betroffenen am besten in die Werkstätte fahren sollen (falls sie ihr Auto noch nicht mit dem Flammenwerfer behandelt haben).
Erst erzählen wir von festen Regengüssen in Neunkirchen und den überfluteten Kellern, dann davon, dass bei den Betroffenen die Feuerwehr angerückt ist, allerdings nicht sofort, weil es noch andere Betroffene gab, und dort musste die Feuerwehr erst einmal fertigwerden.
Ich habe ja eine Vermutung, warum im obgedachten Feedback das Wort Betroffene so schlecht wegkommt: Weil die Feedbacker den Eindruck haben, die einschlägig Erkrankten würden dadurch auf ihre Krankheit reduziert. Das ist aber, wenn ihr mich fragt, zu weit gedacht. Im Falle der feuchten Neunkirchner behauptet ja auch niemand, dass sie nur noch heulend und zähneknirschend in der Pfütze liegen, weil das Schizeug zu schwimmen begonnen hat. Man kann auch mit einem nassen Keller noch ein erfülltes Leben führen!
Genauso ist es mit der fraglichen Krankheit. Betroffene sagt nicht mehr und nicht weniger, als dass sie die Krankheit haben. Und es ist allemal besser als Menschen mit … Wenn sich einer gehalten fühlt, hervorzuheben, dass die, von denen er spricht, eh auch Menschen sind, ist er wahrscheinlich nicht so liberal, wie er sich morgens beim Zähneputzen gerne einredet.