Das Gute an Neujahrsvorsätzen, o prinzipientreue Lesehäschen, ist, dass spätestens ab Mitte Februar so oder so kein Hahn mehr danach kräht. Wirst du schwach, weißt du dich in möglicherweise guter, jedenfalls aber zahlreicher Gesellschaft. In der Vorsätzeszene sind die zu Neujahr so etwas wie Mathe in der Schule: Es gehört geradezu zum guten Ton, sie nicht auf die Reihe zu kriegen. Brrr, Mathe war ich auch total schlecht, ja, hihi, gell? Euer Ergebener fand Mathe, ehrlich gesagt, ganz okay und war zwar offensichtlich nicht für eine Mathematikerkarriere prädestiniert, aber für eine vorzeigbare schriftliche Matura hat es gereicht.
Früher, so scheint es mir, musste man skifahren können, um in Österreich was zu werden. Am Lift, auf der Hütte oder zumindest beim Fachsimpeln kam man sich näher. Da aber die Klimakrise den Wintersport allmählich in immer lichtere Höhen treibt, behilft man sich mit mathematischer Ahnungslosigkeit, um eine gemeinsame Basis mit Wildfremden zu finden. Wahrscheinlich liegt es daran, dass hierzulande das Vertrauen in die Wissenschaft besonders gering ist. Umgekehrt wird niemand, der mit beiden Erfahrung hat, bestreiten wollen, dass die Qualitätssicherung im Bereich der Skischulen immer schon weit besser funktioniert hat als in der Schule ohne Ski, was auch einleuchtet, weil man nur erstere den Fremden verkaufen kann.
Doch wir schwiffen ab, zurück zu den Neujahrsvorsätzen. Da mit einer erfolgreichen Einhaltung, wie gesagt, nicht zu rechnen, ja von dieser sogar abzuraten ist, weil man andernfalls gesellschaftliche Ächtung riskiert, gilt es sie sorgfältig zu wählen, so wie die berüchtigten Abschussideen, für die sich der Kunde bekanntlich besonders gern entscheidet. Da man sich mit schlechten Abschussideen den Ruf beschädigt, liefere man stattdessen zu teure. Ähnliches gilt für die Neujahrsvorsätze: Es wäre schade, die so ersprießliche Raucherentwöhnung oder den vermehrten Sport Anfang Jänner zu verheizen, da wird sowieso nix daraus. Viel gescheiter, man nimmt sich ein Beispiel an der Werbung und fasst Neujahrsvorsätze, deren Einhaltung zwar ein hohes Maß an Disziplin erfordert, die aber eigentlich wurscht sind. Geeignet sind zum Beispiel:
Endlich Auf der Suche nach der verlorenen Zeit lesen.
Endlich den Dachboden beziehungsweise den Keller aufräumen (keinesfalls beide im selben Jahr, das kauft euch niemand ab).
Endlich das Pensionskonto prüfen.
Et cetera.
Wem gar nichts einfallen will, woran man scheitern könnte, um sich von anderen schwachen Seelen angenehm verstanden zu fühlen, der nehme sich vor, endlich Mathe zu lernen.
Schönes Wochenende!
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