Texter, bleib bei deinen
Sätzen, rufe ich mir heute selber zu. Beziehungsweise: Riefe ich mir zu, wenn
ich dazu imstande wäre. Damit sind wir beim Thema. Es geht um den Konjunktiv,
genauer gesagt, die Konjunktive. Denn gäbe es nur einen, wäre die Sache
einfach. Es gibt aber bekanntlich mehrere, und da fangen die Schwierigkeiten
an. Man schlage eine beliebige Zeitung
auf, und trinke bei jedem nicht regelkonformen Konjunktiv einen Schnaps. Bis
du die Möpse auf Seite 7 zu Gesicht kriegst, bist du schon fett wie die
russische Erde. Ein Beispiel aus dem gestrigen Standard: "Das Unternehmen würde es bedauern, 'dass es durch
Mitarbeiter zu Falschmeldungen gekommen ist.'"
Wie jetzt? Entweder
gab es Falschmeldungen, und das Unternehmen bedauert dies, dann muss es heißen:
"Das Unternehmen bedauere, dass es ...". Der Konjunktiv
"bedauere" drückt aus, dass das Bedauern nicht vom Redakteur stammt,
sondern ein Zitat ist.
Oder es gab keine
Falschmeldungen: "Das Unternehmen würde es bedauern, wenn es durch
Mitarbeiter zu Falschmeldungen gekommen wäre." Hier drückt "würde
bedauern" den irrealen Charakter aus, die Hypothese. Der Journalist wollte
sich wohl auf die sichere Seite schlagen, hat aber die Sache nur furchtbar
kompliziert gemacht: Er hat sich über den Konjunktiv I (bedauere) nicht
drübergetraut und sich deshalb in den Konjunktiv II geflüchtet. Dieser, also
"bedauerte", sieht aber aus wie der Indikativ, weshalb er noch ein
"würde" anflicken musste, um ihn kenntlich zu machen. W
Warum sind Zeitungen dafür so anfällig? Weil das Problem eben besonders gern im Zusammenhang
mit indirekten Zitaten auftaucht. Neu ist es nicht – ich hatte kürzlich
Gelegenheit, die Kinder von Bullerbü wieder
einmal zu lesen (also: vorzulesen). Zumindest der deutsche Übersetzer hat bei
fast jedem Konjunktiv den Absprung knapp verpasst, indem er meist den
Konjunktiv II setzt, wo der Konjunktiv I die normgerechte Wahl gewesen
wäre. (Für interessierte Einsteiger: Den
Konjunktiv I bilden wir von der Gegenwartsform, z.B. "stehen –
stehe", "sagen – sage"; den Konjunktiv
II von der Mitvergangenheit:
"ging – ginge", "sagen – sagte".)
Doch wie ist das nun wirklich
mit dem Konjunktiv? Wer zum Schmied geht anstatt zum Schmiedl, findet bei Karl
Kraus ein Beispiel aus Schillers Wallenstein:
"Mir meldet er aus Linz,
er läge krank,
doch hab' ich sichre
Nachricht, daß er sich
zu Frauenberg versteckt beim Grafen Gallas."
Im "läge" ist
erstens ein Zitat ausgedrückt (als Paraphrase von "er hat mir gesagt, dass
er liegt"), zweitens der Zweifel daran. Würde ich ihm glauben, dann
schriebe ich: "er liege krank". Dieser Konjunktiv I ersetzt einfach
den dass-Satz im Indikativ. Der Konjunktiv II "läge" teilt den
Zweifel mit. Dieser ist berechtigt, denn ich habe gehört, dass er sich
"versteckt". Stünde hier "dass er sich verstecke" (also: ein
dass-Satz, in dem auch noch ein Konjunktiv steckt), dann wäre auch dieses
angezweifelt, und ich müsste ihn anderswo suchen.
Kurz: Im indirekten Zitat ohne dass-Satz drückt der
Konjunktiv I Glauben ans Gesagte aus, der Konjunktiv II Misstrauen am Gesagten. Im dass-Satz kommt das Misstrauen schon mit dem
Konjunktiv I, weil zur reinen Wiedergabe der Indikativ genügte.
Ausgenommen sind natürlich
Fälle, in denen der Konjunktiv I genauso aussieht wie der Indikativ – "er
sagte, dass sie gehen müssen". Hier wäre "müssten" angebracht.
Beim nächsten Mal bohren wir die Bedingungssätze
(unter Freunden: Konditionalsätze) an und schauen, was da unter der Kruste
wurlt. Oder auch nicht. Ganz wie ihr wollt. Schaut euch den Carponizer an. Schönes
Wochenende!