Wieder
was gelernt, hochverehrte Lesehäschen von beeindruckendem Reflexionsgrad. Was
habe ich denn gelernt? Dass es PGP gibt. PGP
steht heute nicht mehr für eine Banalität wie Pretty Good Privacy, ein Verschlüsselungsprogramm, dessentwegen
sich einst die ausgeschlafensten Geheimdienste der Welt am Kopf gekratzt haben,
weil nicht mehr gesichert war, ob sie im Bedarfsfall mitlesen können, was du
deinem Schatzi mailst.
Nein,
heute steht PGP für etwas, das jed*r/n/e von uns ganz unmittelbar betrifft
(sehr im Gegensatz zu strong crypto,
mit der sich nur elfenbeinturmaffine NSA-Nerds und ihre Gegenspieler im noch
tieferen Schatten abgeben, was keine Relevanz für unsere alltägliche
Lebenswirklichkeit hat).
„Also
jetzt endlich raus mit der Sprache“ tönt es unmutig von den billigen Plätzen.
„Was ist jetzt mit PGP?“
PGP,
eure Flauschigkeiten, steht für Preferred
Gender Pronoun.
Damit
hat es Folgendes auf sich: Ganz früher war es wichtig zu wissen, ob z. B.
jemand Diabetiker war, oder in einer jahrzehntealten Fehde mit den Hubers vom
Nachbardorf lag oder so. Dank diesem Wissen konnte man es vermeiden, den
Betreffenden unverhofft zu vergiften oder sich eine Watschen einzufangen, weil
man die Huber-Gabi eigentlich ziemlich okay fand.
Etwas
später musste man wissen, wie jemand zur Atomkraft stand oder ob er Franz-Josef
Strauß eigentlich ziemlich okay
fand.
Noch
später musste man den Überblick über akuten Vegetarismus behalten, low-carb-Phasen oder die Einstellung zu
Facebook.
Und
heute? Heute gilt es sich bei einer neuen Bekanntschaft als erstes zu
vergewissern, welche Personalpronomina
der/die Betreffende für sich am kuschligsten findet, mit anderen Worten:
Welches ihr Preferred Gender Pronoun
ist. Denn nur weil jemand in einem biologisch femininen Körper wandelt, lässt
er nicht automatisch am liebsten per sie/ihr
über sich reden (und umgekehrt, natürlich). Glücklicherweise existieren
übersichtliche Merkblätter, wie z. B. die Central Connecticut State University ihrem Lehrpersonal eines an die Hand gibt.
Darin erhält man den Rat, frischg’fangte Studierende zu Semesterbeginn zu
fragen, wie sie heißen, woher sie kommen und was ihre bevorzugten Pronomina
sind. Auch wenn die Betreffenden zum ersten Mal davon hören, ist dann der Zeitpunkt,
sich zu entscheiden zwischen er, sie und, Trommelwirbel: ze/hir, dem neutralen,
aber nicht sächlichen Pronomen, mit dem das Englische vervollständigt wurde.
Wer
jetzt glaubt, dass wir im Deutschen uns da mit dem gesprochenen Schrägstrich
oder dem hingehauchten Sternderl durchfretten müssen, xier irrt: Mit xier (er/sie), xieser (sein/ihr) und
dier
(der/die) sind wir bestens
gerüstet, selbst in Relativsätzen niemandem mehr ein Gender aufzudrucken, das xiem nicht behagt – jawohl, xiem, denn natürlich hat xier auch eine Deklination: xier, xies, xiem, xien. (Es gibt noch
andere Vorschläge für sogenannte Pronomina
ohne Geschlecht, doch die fangen alle nicht mit x an und sind deshalb zum
Vergessen.)
Ich
muss sagen: So schräg die Geschichte auch auf den ersten Blick anmutet – von
allem, was zum Thema Gendern so herumschwirrt, ist dies bestimmt einer der
sympathischsten Beiträge. Hätten wir doch keine gröberen Sorgen!
Freilich
bleibt für mich dieselbe Verkürzung, die alle solchen Bemühungen in meinen
Augen etwas hatschert daherkommen lässt: Es gibt je ein grammatisches Genus für
die beiden biologischen Geschlechter. Und die (laut Facebook) mehreren Dutzend
Genders, die sollen sich alle unter einem einzigen neuerfundenen grammatischen
Genus gemeint fühlen?
Schmerzhaft
treuherzig mutet auch das erwähnte Merkblatt an, mit seiner Warnung: When someone is referred to with the wrong
pronoun, it can make them feel disrespected, invalidated, dismissed, alienated,
or dysphoric (or, often, all of the above). Immerhin habe ich dabei das
Wort dysphoric gelernt, das meine
Verfassung nach dem Lesen des Satzes ganz gut umreißt.