Heute
ist der 29. April. Das heißt, übermorgen in drei Wochen schreiten wir zur
Stichwahl. Dann wollen wir uns mal rechtzeitig mit Norbert Hofer befassen.
Immerhin stehen die Chancen nicht schlecht, dass er unser nächster Häschenpräsident wird! Da ich kein
Journalist bin, solltet ihr euch allerdings investigativ nicht zu viel
erwarten. Da schaue ich doch lieber auf www.norberthofer.at,
und dort nicht etwa unter „Positionen“. Nein, Aufschlussreiches gibt der
Kandidat unter „Persönliches“ als Antwort auf „12 Fragen“ der Gewichtsklasse „Wochenendbeilage“
von sich preis: „Lieblingsfigur in der
österreichischen Geschichte: Joseph II.“. Damit ist der Ton angeschlagen: Eher
nicht anecken. Was Hofer an dem glücklosen Reformer
im Vergleich etwa zu Maria Theresia, Leopold Figl oder Gütinand dem Fertigen
findet, muss man gar nicht so genau wissen.
In
dieselbe Kerbe haut das „Buch für die
Insel“: Sinuhe der Ägypter war,
für alle nach 1980 Geborenen, ein Historien-Bestseller der 40er und 50er Jahre,
kongenial verfilmt mit Michael Curtiz. Und so weiter und so fort – Stärken: „Willenskraft und Optimismus“. Schwäche:
„Mir fehlt manchmal die Gelassenheit,
Dinge so hinzunehmen, wie sie sind“ – diesen Einserschmäh kennen wir aus
Bewerbungsratgebern der 80er Jahre, gleich neben „Ich neige dazu, mein Licht unter den Scheffel zu stellen“.
Etwas
kantiger dann die Auskunft, was den Kandidaten „zur Verzweiflung“ treibt: „dass die aktuell an der Macht befindlichen
Politiker innerhalb von wenigen Monaten alles verspielen, was unsere Eltern und
Großeltern aufgebaut haben“. Die Verzweiflung kann ich gut verstehen. Hat
doch Hofers politischer Vorfahr in
scharfem Kontrast zur aktuell konstatierten Situation Jahre gebraucht, um alles
zu verspielen, was unsere Kinder und Kindeskinder andernfalls hätten aufbauen
können.
Stutzen
macht auch, bei welchem Gedanken Herrn Hofer das Wasser im Mund zusammenläuft: „Es gibt nichts Besseres als einen frischen
Apfel.“ Ob dieser Grad der Genussfähigkeit für den Einzug in die Hofburg
reichen wird? Können wir uns eine menschgewordene Visitenkarte der Republik vorstellen, deren geschmacklicher Horizont
bei Fruchtsäure endet? Was sagen da die Vertreter der Rindfleischkultur, die
Käsekenner und Marmeladenköche, die Winzer, Mangalitzaschweinezüchter und
Paradeiserpäpste?
Ich
fürchte, da wird der Kandidat allerlei auszustehen haben, wenn er erst angelobt
ist, von exotischen Staatsbanketten ganz zu schweigen. Freilich, nach einem
Augapfel mag ein Apfel wirklich einzigartig delikat wirken.
Zum
Zeitphänomen wird Hofer jedoch erst durch seine Enthüllung, auf welche Leistung
er besonders stolz ist: „Auf den Schritt
aus dem Rollstuhl“.
Das,
Herrschaften, war’s dann. Es tut mir im Rahmen meiner Möglichkeiten leid für
den Kandidaten, dass er einen schweren Unfall erlitten hat. Wie er mit den
Folgen klargekommen ist, geht mich aber nichts an. Es sollte für Österreich
völlig unerheblich bleiben, ob der Kandidat sich auf eigenen Beinen fortbewegen
kann oder nicht. FDR war dazu kaum imstande, doch hat er gewiss nie kundgetan,
er sei besonders stolz darauf, trotzdem Karriere gemacht zu haben. Gründe mag
es dafür mehrere geben, doch ein gravierender Unterschied des politischen
Formats der beiden wird jedenfalls dazugehören, wobei der Vergleich nicht zu
Hofers Gunsten ausfällt. Mir scheint der Schritt aus dem Rollstuhl, so
erfreulich er zweifellos für den war, der ihn getan hat, ebenso relevant, als
stünde dort ein Verweis auf die soundsolange Nikotinenthaltsamkeit, einen
gewonnen Skiweltcup oder den Sieg im Bratwürstelwettessen, Gramatneusiedl 1997.
Da brauche ich mich gar nicht mehr mit seinen „Positionen“ auseinanderzusetzen.
Wenn der größte Stolz eines politischen Aspiranten sich aus seiner eigenen
Körperlichkeit ergibt, weiß ich hinreichend über ihn Bescheid. Und dieser
Bescheid lautet leider: HBP Hofer wird
uns nicht erspart bleiben. Zu perfekt bringt er ein Klima auf den Punkt,
dem es nicht genügt, gehen zu können, sondern dafür Anerkennung erwartet.
Hofers Stolz auf seine wiedererlangte Gehfähigkeit gedeiht auf demselben Boden
wie jene Art von Vegetariern, die nicht nur mit sich zufrieden sind, sondern denen
ihre Ernährungsweise gleich zur Selbstzufriedenheit gereicht, die es sozial zu
teilen gilt, während sie misstrauisch auf den Teller des Carnivoren schielen,
der sie nichts angeht. In einer Welt, der jedes Selfie relevant scheint, ist
eine solche Genesungsgeschichte geradezu unwiderstehlich wählbar. Wir sehen uns
am 23. Mai wieder.