Freitag, 28. Oktober 2016

PSA für Lebensanfänger

Verehrte und bewundernswert knackige Lesehäschen, Jugend ist keine Sünde, und Alter ist kein Verdienst. Geschenkt! Denn wahr ist auch, was Wolfram Siebeck Nachwuchsköchen mitzugeben pflegte: Sie sind noch jung, aber das wird mit jedem Tag besser. Viele, denen es diesbezüglich schon ziemlich gut geht, erstaunen gelegentlich ob der Dinge, die man heute ohne Genierer nicht wissen kann. Deshalb hier einige Punkte, endlich geklärt:
Zu Weihnachten feiert die Christenheit Jesu Geburt, zu Ostern die Auferstehung und zu Pfingsten das Erscheinen des Heiligen Geistes. Muss man nicht dran glauben, aber hier herum ist es nicht übertrieben, es zu wissen. Ich glaube zum Beispiel auch nicht, dass Big Bang Theory eine sehenswerte Serie ist, aber ich weiß, dass es diese Serie gibt, dass eine der Hauptfiguren Sheldon heißt und dass Sheldon ein Dummbeutel ist, der unter echten Physikern keine halbe Stunde überdauern würde.
Die 80er waren nicht cool. Jaja, es gab Metal und NDW. Es gab aber auch ALF, den Kalten Krieg, Tschernobyl und extrem ungute Schulterpolster. Und ganz ehrlich: Wie lange kann man sich zugedröhnte Mattenträger in Stretchhosen anhören, die den Mond anjeiern und glauben, dass ihnen dafür alle zwei Stunden ein frisches Groupie zusteht? Eine der großartigsten und traurigsten Pointen in Boogie Nights kommt im Rahmen der Silvesterfeier 1979, als alle total aus dem Häuschen sind, weil jetzt ganz bestimmt endlich ein richtig lässiges Jahrzehnt kommt. Jungejunge, ihr süßen Pornomäuse und –mäuseriche, wenn ihr wüsstet! In Wahrheit waren die 80er das Hangover unter den Jahrzehnten: lustig, wenn man von weitem zuschaut, aber für die unmittelbar Beteiligten erst schön, als der Schmerz nachließ.
Und täglich grüßt das Murmeltier ist auch ein Film. Ich weiß, der Titel schlängelt sich so unwiderstehlich ins Ohr, dass man glauben könnte, es handelt sich bloß um eine schräge Redewendung. Auch, aber es ist vor allem ein sehr feiner Film mit dem wie immer sehr feinen Bill Murray. Kann man sich ruhig anschauen, gibt’s auf Amazon Video.
Der Lichtschalter für die Scheinwerfer eines Autos ist irgendwo links. Klar kümmern sich viele Fahrzeuge heute selber darum, ob die Scheinwerfer leuchten oder nicht. Aber selbst dafür muss der Schalter auf Auto stehen.
Computerspiele sind nicht besser, nur weil die Grafik höheren Ansprüchen genügt. Auflösung, Geschwindigkeit, Brillanz und weißdergeierwasnochalles von zum Beispiel DOAX 3 verhalten sich zu den entsprechenden Kenndaten von zum Beispiel Day of the Tentacle wie ein neuer Lamborghini zu einem gebrauchten Maultier, nachdem dieses sich in Salami verwandelt hat, und da haben wir vom Gainaxing noch gar nicht angefangen. Das beweist aber nichts gegen die Story und den Witz von DOTT.
Es ist okay, wenn Läden sonntags zu haben. Wenn sie offen haben, sorgt das nur für Stress. Erstens sind wir zu unvorhersehbaren Zeiten gezwungen, Zäune zu umwandern wie Mexikanerinnen mit drei Kindern, die sehnsüchtig auf einen Zimmermädchenjob in Texas schielen, nur dass diese Zäune nicht den erfolgreicheren vom weniger erfolgreichen Kapitalismus trennen, sondern zum Beispiel den Rum von der Cola, die eingelegten Champignons vom Suppengemüse oder die Fischstäbchen von den Erdäpfeln. Doch damit nicht genug: Der Petersil ist aus. Jetzt musst du losradeln und schauen, ob es dir gelingt, eines feiertäglichen Mittwochs in einem der zivilisiertesten Länder der Welt einen Strauß Suppengewürz aufzustellen. Glück gehabt und was dazugelernt: Das Gesetz, das den Spar am Hauptbahnhof verpflichtet, am Feiertag um 14:15 Uhr einen Zaun quer durch den Laden zu errichten, gilt um 14:30 Uhr nicht für den Spar in Wien-Mitte.
Bittesehr: Lassen wir den Spar einfach wieder geschlossen wie früher und bestellen in Zukunft Pizza, wie es dem Feiertag gebührt.

Freitag, 21. Oktober 2016

Wahl ohne Kampf

Sagt mal, Damen und Herren, was ist eigentlich mit unserem Präsidentschaftswahlkampf? Gibt es da schon ein verbindliches Startdatum? Ich finde es ja eh unterhaltsam, was der Donald aufführt. Interessant und bedenklich ist auch, dass die Aluhutfraktion in den USA mittlerweile groß genug ist, um einen beinahe ernstzunehmenden Präsidentschaftswahlkampf zu erlauben, der sich fast ausschließlich an sie richtet. Wer es noch nicht kennt, dem sei beispielsweise dieser Artikel empfohlen. Spoiler: Barack Obama ist schwul, Michelle ist eine Transe und ihre Kinder haben die beiden in Wirklichkeit gestohlen.
So nett das alles auch ist: Spätestens seit die Welt weiß, wie Herr Trump zur Grapschfrage steht, wird es wohl doch nix mit der fetten 80er-Party im Weißen Haus. Herzlichen Glückwunsch, Hillary! Du kannst jetzt auch aufhören, mir diese Bettel-E-Mails zu schicken. Als Ausländer im Ausland könnte ich dir sowieso keine Wahlkampfspenden schicken.
Hingegen höre ich nicht das Allergeringste von Sascha und Nobsi. Ich habe ganz bestimmt öfter auf einschlägige Seiten geklickt und irgendwann mal der Verwendung meiner Daten zugestimmt als im Zusammenhang mit Frau Clinton. Aber keiner unserer hiesigen Kandidaten hat bisher versucht, mich per E-Mail ins Gesinnungsboot zu holen. Was ist los? Auch die Facebook-Seite des Kandidaten Hofer zeugt nicht gerade von Fleiß und Zielstrebigkeit der Verantwortlichen: Dass H.C. Strache etwa 30 mal so viele Abonnenten hat, ließe sich ja noch verschmerzen, immerhin ist Haze ja der Großmeister der Facebook-Mobilisierung. Aber der alte Sascha vdB hat auch 15 Fans für jeden Hofertreuen.
Damit nicht genug: So ziemlich jedes Posting in Hofers Timeline wird umgehend mit kritischen Kommentaren und Links zugeschüttet. Schaut sich das nie jemand an? Also, wenn ich einmal Bundespräsident bin, habe ich einen bestallten Social-Media-Consultant, der so etwas zu verhindern wissen wird. Ich gedenke das stichprobenartig zu prüfen, und wenn mir etwas Missliebiges auffällt, dann kann er sich wen andern suchen, der ihm seine handgerösteten Spezialböhnchen für den morgendlichen Kick finanziert, der Herr Consultant.
Bei HC geht es anders zu, da wird stramm zugestimmt, mit oder ohne Beachtung der Kongruenz von Fall und Zahl: TTIP und CETA ist ein Verbrechen an unser Volk, erklärt Biggi Freund, deren FB-Titelbild Regenbogeneinhörner zeigt. Daran könnte sich Nobsi echt ein Beispiel nehmen.
Aber ich schweife ab. Die Frage, die mich zu bewegen beginnt, ist ja ganz einfach: Wählen wir nun am 4. Dezember oder nicht? Wenn nicht, warum erfahre ich davon nichts?
Und wenn doch, sind dann endlich die Sponti-Zeiten angebrochen, die uns die 70er verheißen haben? Stell dir vor, es ist Wahlkampf, und keiner geht hin? Bitte, die Herren: Haben wir resigniert? Wurde das oberste Amt per Mangel an Akklamation stillschweigend abgeschafft? Was, bittesehr, ist los?


Freitag, 14. Oktober 2016

Das oder was?



Mir ist, ihr flauschigsten aller Lesehäschen, etwas Sonderbares zu Ohren gekommen, was nicht gut klingt. Auch zu Augen ist es mir gekommen, und ich muss euch sagen: Es sieht auch nicht gut aus.
Habt ihr es euch gerade vorbeiflutschen gesehen? Genau: Das „was“, das da einem „das“ seinen rechtmäßigen Platz weggenommen hat. Das, was da passiert ist, passiert, scheint mir, öfter, als uns guttut. Deshalb eine kleine Erinnerung:
Wir leiten Relativsätze – das sind Sätze, die sich auf den vorigen Hauptsatz verlassen, um ihres Themas habhaft zu werden, so wie gerade eben – diese Sätze also leiten wir mit der, die, das ein. Gerne auch entsprechend dekliniert, wenn es die Sache will: Schreiben wir ein Wort, dessen zweiten Fall wir brauchen, dann lösen wir das wie hier gezeigt. Geht es um jemanden, dem wir eine reinwürgen wollen, dann ist das mit dem Dativ kein Problem. Und so weiter.
Was nicht geht? Was. Was macht sich immer breiter. Wo einst ein wohlgestalter Relativsatz stolz sein hübsches Köpfchen reckte, wedelt er jetzt mit unbedecktem was. Aber Damen und Herren, Schreiberinnen und Schreiberlinge: Ein Relativsatz, was so daherkommt, kriegt nie ein fesches und kluges Prädikat ab, dem bleibt nur ehschowissen, dem kleinen Saukerl.
Dieses hat gute Gründe.
Erstens gibt es im Deutschen einstweilen noch die grammatischen Geschlechter. Solange wir uns die antun, sollten wir nicht vor der Mühe zurückschrecken, auf Ordnung zu sehen. Mit was funktioniert das nicht recht. Wenn du einen Satz zimmerst, was so aussieht und in dem sich was auf Satz bezieht: Ist dann der Satz plötzlich neutral geworden oder das was ein Maskulinum?
Zweitens gibt es sehr wohl Umstände, unter denen ein was der korrekte Start in einen Relativsatz ist, der so richtig pfeift. Der erste: Der Relativsatz bezieht sich auf das, und um die langweilige Verdoppelung das, das zu umgehen, darf er mit was loslegen: Das, was ich sagen will, ist, dass hier das was passt.
Die anderen beiden Fälle sind interessanter. Was legt dem Relativsatz auch die Rutsche, wenn er sich auf ein unbestimmtes Zahlwort oder einen hauptwörtlich gebrauchten Superlativ bezieht. Als zum Beispiel: Alles, was ich weiß, habe ich von Lukas gelernt. Oder auch: Das Seltsamste, was mir je untergekommen ist, war ein entspannter Pitch. Warum interessanter? Weil tatsächlich ein semantischer Unterschied besteht zwischen alles, was ich weiß und alles, das ich weiß sowie auch zwischen das Seltsamste, was mir untergekommen ist und das Seltsamste, das mir untergekommen ist. Denn mit was sprechen wir vom seltsamsten Vorkommnis meiner Erfahrung, nicht aber vom seltsamsten Vorkommnis überhaupt (bei dem ich außerdem Zeuge war). Im ersten Beispiel bedeutet alles, das ich weiß, dass es ein alles gibt, das man wissen kann, und dass ich einer bin, der tatsächlich alles weiß. Alles, was ich weiß umschreibt hingegen nur die Gesamtheit meines persönlichen Wissens, dem aber keine äußere Totalität zugeschrieben ist.
Und deshalb, Freundinnen und Freunde des i-Tüpferl-Voltigierens, ist es wichtig, was den Relativsatz lostritt: weil der Unterschied zwischen das und was eine der überflüssigen Zartheiten des Deutschen ist, an denen man sich an kühlen Herbstabenden keusch erfreuen kann, wenn die Snowboardsaison noch nicht begonnen hat. Vom Schnitzel, was ich gegessen habe ist es nicht mehr weit zu You just grab ’er by the pussy. Truck Fump!

Freitag, 7. Oktober 2016

Die neue Ehrlichkeit


Erstens habe ich, es ist schon einige Monate her, einen langen Artikel von einer jungen Frau gelesen, die erklärt hat, wie es jungen Frauen heute so geht:  Es gebe praktisch keine strukturelle Benachteiligung mehr, sie setzen ihren Charme ein, um etwas zu erreichen, und sie suchen sich ein „Gegenüber auf Augenhöhe“ eher unter deutlich älteren Männern, weil die jungen solche Wappler sind. (Dieses ist natürlich für den Zweckdichter, diesen alten Lustsack, eine interessante Neuigkeit.) Abgesehen davon, dass ich gerne von weiteren Fällen höre, wo eine im fünften Monat Schwangere zwei männlichen Bewerbern für eine Stelle vorgezogen wird, hat mich die ganze Geschichte von der neuen Superheit des Frauseins an eine Geschichte erinnert, die ich kürzlich von einer sehr geschätzten Tante gehört habe, einer Tante, die mittlerweile die 80 hinter sich gelassen hat, was ihrer generellen Coolness keinen Abbruch tut. Die hat mir erzählt, dass sie in ihrer Kindheit (sie war die Älteste) gemeinsam mit ihren beiden Schwestern von ihrer Mutter (also meiner Großmutter) routinemäßig zu allen möglichen Arbeiten im Haus herangezogen wurde. Eines Tages stellten sich die drei auf die Hinterbeine und wollten von ihrer Mutter wissen, weshalb sie ständig Tisch decken, Hühner füttern, Geschirr spülen und weiß der Geier was noch alles mussten, während ihren vier faulen Rabauken von Brüdern nichts von alledem abverlangt wurde.
Meine Großmutter lieferte prompt: „Wozu habe ich drei Töchter, wenn ich dann auch noch die Söhne im Haus arbeiten heißen soll!“
Man sieht daraus, dass es der Feminismus sehr weit gebracht hat. Wenn ich den gedachten Artikel noch einmal überfliege, denke ich mir, dass er es vielleicht schon so weit gebracht hat wie die sprichwörtlich denaturierten Stadtkinder, die glauben, dass Milch aus der Steckdose kommt. Ich rate, die feministischen Errungenschaften nicht gering zu schätzen und sich eher weniger über Männer zu mokieren, die einem beim ersten Date erklären, sie wären schon auch bereit, in Elternzeit zu gehen. Denn die Weisheit lautet, dass man sich nie sicher sein soll. Leicht gerät man an einen sehr sympathischen, völlig unverwappelten Mann auf Augenhöhe, von dem man Gleiches überhaupt nie zu hören bekommen wird.
Zweitens hat es auch die Fastfertigfutter-Werbung weit gebracht. Früher verhieß man uns gerne Knuspriges, Herzhaftes, Leichtes, mitunter auch bloß Heißes oder Schnelles, Hauptsache, es ging mit wenig Geschirr und ohne dass man Sachen kleinschneiden musste. Diese finsteren Zeiten haben wir glücklich hinter uns gebracht. Die Strategen von Knorr haben herausgekriegt, was der moderne Convenience-Food-User auf dem Teller haben will. Ist es Frische? Geschmack? Aroma? Nein. Es ist vor allem „authentisches Essen“. Endlich! kann man da nur seufzen und sich freuen, dass man genau an diesem Punkt der Ernährungsgeschichte durchs Zeitfenster schauen darf, so auf halbem Wege zwischen der Raviolidose von Inzersdorfer (authentisch wie bitte?, Essen räusper) und Soylent Green (extrem authentisch, denn It’s people!, aber ob man es essen mag, ist halt eine sehr persönliche Frage). Schön, dass man sich bei Knorr dazu durchgerungen hat, uns endlich Essen als Essen zu verkaufen, anstelle von manwillsichgarnichtvorstellenwas.
Da sage noch einer, dass es in der Werbung zu wenig Ehrlichkeit gibt!