Heraus
mit der Sprache, ihr rechnerisch ausgeschlafenen Häschen: Wie ist es euch bei
der Mathematura ergangen? Mittel,
mau, gehtso oder mussja? Keine Angst, Harald Zierfuß, der Bundesschulsprecher,
ist auf eurer Seite. Hat er doch bereits Ende Mai seine Bedenken an dieÖffentlichkeit getragen, weil die Textbeispiele unter den schriftlichen
Aufgaben ein „mathematisches
Grundverständnis“ voraussetzten.
Wo
kämen wir hin, wenn so etwas Schule machte? Wenn zum Beispiel die Führerscheinprüfung darauf ausginge,
sicherzustellen, dass der Prüfling ein Grundverständnis
dafür entwickelt hat, wie die Vorrangregeln funktionieren und warum man bei
Schneefahrbahn nicht mit 90 ins Ortsgebiet tschundern soll?
Mir
ist schon klar, dass es mit unserem Schulsystem so eine Sache ist. Aber wenn
dem obersten Vertreter der Schülerschaft nicht wohl dabei ist, dass im Rahmen
der Feststellung der Studienreife das Vorhandensein des obgedachten
Grundverständnisses geprüft wird, dann frage ich mich, wozu wir uns das mit der
mittleren Bildung überhaupt antun. Hand hoch, wer sich von einem Anwalt in einer
Schadenersatzsache vertreten, von einem Arzt eine Medikamentendosierung
vorschreiben, von einem Statiker einen Dachstuhl planen lassen würde, dem
jeweils mathematisches Grundverständnis fehlt!
Man
mag einwenden, dass euer Zweckdichter, dieser alte Motschkerant, sich mitreißen hat lassen. Vielleicht hat Herr
Zierfuß das Wort Grundverständnis gebraucht,
um die halbwegs begabten Mathematiker, die die Sache „von Grund auf“ gneißen, von jenen zu unterscheiden, die das Zeug
halt pauken müssen.
Ich
halte dagegen, dass Herr Zierfuß auch bemängelt hat, die Texte seien komplex gewesen. Ach so! Die Prüflinge
haben, nach Erlernen der Grundrechnungsarten, ja auch erst acht weitere Schuljahre
Mathematikunterricht genossen, vom Deutschunterricht nicht zu reden. Da darf es
ruhig etwas schlichter sein, ohne dass man befürchten muss, die Betreffenden
seien den Herausforderungen eines Studiums nicht gewachsen.
Herr
Zierfuß ist mit seiner Kritik nicht allein. Gernot Schreyer, Obmann des
Bundeselternverbands, hat verkündet (oder gar mitgeteilt?), es sei falsch, Mathematik zu verwenden, um
Deutschkompetenzen abzufragen. Ah ja. Ich hoffe, dass hier nicht je nach
Fach mit zweierlei Maß gemessen wird und dass also z. B. auch im Fall eines Geschichtematuranten,
der Spanien in Asien verortet, der Bundeselternoberpumuckl verlässlich seine
Stimme erheben und darauf hinweisen wird, dass im Rahmen der Geschichtematura
nicht die Geographiekenntnisse zu überprüfen sind.
So
ganz überzeugt ist Herr Schreyer von der strikten Fächertrennung aber eh nicht.
Denn im selben Atemzug fordert der gute
Mann, die Aufgaben der Mathematikmatura müssten berücksichtigen, ob der
Prüfling an einem neusprachlichen oder humanistischen Gymnasium zu maturieren
trachtet. Sonst werde „durch die
Zentralmatura die Schulvielfalt torpediert.“ Wünscht er sich Textaufgaben auf
Französisch oder Latein? Zu schwierig soll es jedenfalls
nicht sein, sondern verständlich,
darauf legt Herr Schreyer Wert.
Auch
hoffe ich für die frischgebackenen Maturanten, dass der Herr Schreyer im Herbst
noch ein offenes Ohr für sie hat. Dann dürfen sie bei ihm anrufen und sich
bitter darüber beklagen, dass in der Einführungsvorlesung oder im Proseminar
Römisches Recht/Anatomie/Einführung in die Wissenschaftstheorie/Geologie oder
was auch immer verwendet wird, „um Deutschkompetenzen
abzufragen“. Denn leider ist Deutsch halt immer noch die Default-Sprache
für das Meiste, was an der Uni so abgeht.
Kurz:
Als Elternteil einer Gymnasiastin fühle ich so allerlei. Aber von Herrn
Schreyer vertreten – das fühle ich mich nicht.