Freitag, 7. September 2018

Erntezeit

Die dümmsten Bauern, so sagte man, als das Wünschen noch geholfen hat, ernten die dicksten Kartoffeln. Mittlerweile haben wir im Agrarbereich große Fortschritte gemacht, sodass auch kognitiv ausgeschlafene Landwirte mit ansehnlichen Erträgen rechnen dürfen. Ob das für den Einzelnen ein Vorteil ist, bleibe dahingestellt, denn der Dumme, das wissen wir alle, kriegt’s ja nicht mit.
Weiterhin in Kraft bleibt hingegen die betrübliche Wahrheit, dass den doofsten Textern die dicksten Feedbäcke entgegenlachen. Das liegt daran, dass Kundinnen und Kunden schlecht auf Düngung reagieren. Da kann man sich nur dumm anstellen und das Beste hoffen.
Damit ist auch bewiesen, dass euer treuer Kolumnator nicht das schärfste Messer in der Lade, nicht die hellste Birne am Luster, nicht die klarste Scheibe in der Duschkabinenabteilung ist. Weil der Herbst (hoffentlich) naht, bitte ich zum Erntehilfseinsatz: Es folgt eine kleine Blütenlese der Feedbackwoche. Ob hier große Stiefel gefischt, mächtige Böcke geschossen oder einfach Dummbrote gebacken wurden, das möge die Nachwelt entscheiden.
Zum Beispiel schrieb ich nichtsahnend keineswegs so (man will ja niemanden vor den Kopf stoßen), aber völlig strukturanalog:
Sie schätzen die verlässliche Versorgung mit Honig, Ihnen mundet aber auch eine Semmel mit Erdbeermarmelade. Können Sie dabei sparen und gleichzeitig zu einem gelungenen Frühstück beitragen?
Das Verdikt von Kundenseite lautete: „Ich finde zwei Fragen etwas viel.“ Es fragt sich nun, wo die zweite Frage sich versteckt. Die Antwort kann nur lauten: Die Feedbackurheberin wollte mit eurem Zweckdichter ein rekursives Sprachspiel anfangen. Die zweite Frage kann wohl nur die Frage danach sein, was die zweite Frage sei.
Man darf davon ausgehen, dass die Dame in der Mittagspause nicht lange suchen muss, um kongeniale Gesprächspartner zu finden. Denn eine Zeile für ein anderes Produkt desselben Unternehmens lautete ebenfalls nicht so, aber entsprechend:
Saugkraft 3000 – da ist Saugkraft selbstverständlich.
Wie hieramts schon mehrfach festgestellt, identifiziert man einen echten Werbekunden am zuverlässigsten dadurch, dass er das Stilmittel der Wiederholung stets als Fehler anstreicht. So auch hier: „Bitte Überschrift überarbeiten, damit keine Wortwiederholung entsteht“, scholl es aus dem Textwald zurück. Netterweise bekam euer Kolumnator ein Beispiel ohne Wortwiederholung mitgeliefert: Saugkraft 3000 bringt das Saugkraftwunder in Ihr Heim. Warum denn nicht gleich! kann man da nur ausrufen.
Wesentlich interessanter ist die Rüge, die mir von anderswo zuteil wurde: „Stolz kann man nicht ernten“ ward mir beschieden, gefolgt vom gefürchteten Doppelsmiley. Dieses ist Archäologinnen und Archäologen mit Hang zum Paranormalen aus der Sorte Inschriften vertraut, die man in Gewitternächten an den Mauern dunkler Kammern entziffert, in denen Skelette bestattet sind, bei denen man nur rätseln kann, wie das Ding lebendig ausgesehen hat. Das Doppelsmiley bedeutet soviel als Dein Arsch gehört mir.
Aber kann man Stolz wirklich nicht ernten? Ich bin unsicher. Immerhin kann man außer Kartoffeln auch Misstrauen ernten, Beifall, Zustimmung oder betretenes Schweigen. Warum also nicht Stolz? Darüber macht euch bitte ein paar Gedanken. Das Schuljahr ist noch lang, und das kommt alles zur Prüfung. Schönes Wochenende!


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