Freitag, 29. April 2022

Es gibt nur ein Gas

 

Als das Internet noch so jung und verwegen war wie wir alle damals (kein Wunder, wir waren unsterblich, bis auf jene Beneidenswerten unter euch, die noch gar nicht geboren waren), schon damals also kursierte online die Geschichte des Mannes, der auszog, um sich selbst ein bisschen zu tasern (wer Hangover nicht gesehen hat: mit einem Elektroschocker zu schocken). Ihr könnt die nicht unwitzigen Details z. B. hier nachlesen, wenn auch unter falscher Flagge, weil dort behauptet wird, das Ganze sei 2017 vorgefallen. Damals durfte die Geschichte wahrscheinlich schon Moped fahren. Spoiler jedenfalls: Es gelingt ohne weiteres, sich selber zu tasern, aber nicht nur ein bisschen. 

Apropos Moped: Diese Woche war im Falter eine Story über die jungen Autobegeisterten Wiens zu lesen. Dort gab ein Benzinfan zu Protokoll, die allermeisten unter ihnen handelten verantwortungsvoll. Er selber nehme zwar bisweilen an Rennen auf öffentlichen Straßen teil, aber mit Verstand und nur nachts, wenn keine Kinder unterwegs seien. „Wir gefährden ja keinen“ , so der Vollidiot. Da musste euer Zweckdichter wieder an die Tasergeschichte denken. Weil man natürlich Rennen auf Straßen fahren kann, wo eventuell plötzlich jemand auftaucht, der keine Ahnung hat, dass hier ein Rennen stattfindet. Aber sicher nicht verantwortungsbewusst, mit Verstand oder ohne jemanden zu gefährden.

In diesem Zusammenhang sei auch festgehalten, was das Zweckdichterbalg im ländlichen Führerscheinkurs gelernt hat: So ein Zeltfest plakatiert ist, muss man im Ortsgebiet damit rechnen, dass Saufköpfe auf der Straße herumtaumeln bzw. -liegen. Euer Ergebener kann dies aus Erfahrung bestätigen, wobei es saisonale Häufungen gibt. Unvergesslich bleibt die Begegnung mit einem Nachbarn eines februarlichen Spätnachmittags vor Jahren. Jenem gelang es noch praktisch fehlerfrei, sich auf dem Gehsteig zu halten. Auf die Frage, ob er denn gerade heimgehe, erwiderte er: „Naa, zum Kinderfasching!“

Fährt man einen solchermaßen Bedienten nieder, dann ist man also, entsprechende Plakate vorausgesetzt, selber schuld, und im Fasching vermutlich auch ohne Plakate.

Für den Großraum Wien gilt wohl analog, dass man jederzeit und überall auf Alkoholleichen eingestellt sein muss.

Und was ist mit dem Feedback der Woche? Nix los, meine Teuren, absolut nix los. Kennt ihr das aber, wenn ihr eurem Kind eine Reisetasche gebt und feststellt, dass es für drei davon Gepäck hergerichtet hat? Ich kenne es nicht. Jedoch darf sich kein Texter ein solcher nennen, ehe er nicht ein Briefing erhalten hat, das für eine Seite Broschüre drei Seiten Inhalt vorsieht. Schönes Wochenende!


Freitag, 22. April 2022

Einsatzmöglichkeit

 

Es kann so einfach sein, o vielgeliebte Lesehäschen, den ökologischen Fußabdruck zu verkleinern. Manchmal lässt sich dabei sogar das Nützliche mit dem Angenehmen verbinden. Wer neulich die nicht genug zu preisende Sendung mit der Maus gesehen hat, weiß, wovon die Rede ist. Dort wurde nämlich ein Offshore-Windrad repariert. Dazu muss man sich klarmachen, dass der Rotor eines solchen Trumms bis zu 170 m Durchmesser haben kann. Entsprechend abgelegen und schwindelerregend sind diese Anlagen.

Wie geht so etwas vor sich? Es besteigt eine Besatzung von drei Mann (nämlich Pilot, Kopilot und Technikerschupfer, dazu gleich mehr) einen recht stattlichen Hubschrauber. Zu ihnen gesellen sich drei Techniker. Der Hubschrauber hebt ab, man fliegt zu dem defekten Windrad, das oben eine Plattform mit Geländer hat. Darüber schwebt der Chopper, der Technikerschupfer hängt einen Techniker nach dem anderen an die Seilwinde und lässt ihn auf die Plattform hinab. Es folgt noch eine große Tasche voller wichtiger Werkzeuge. Dann dreht der Hubschrauber ab und fliegt zurück zu einer Versorgungsinsel.

Die drei Techniker öffnen eine Luke und steigen in die Gondel des Windrads hinunter. Dort melden sie telefonisch die erfolgreiche Absetzung, ehe sie sich im Schein ihrer Stirnlampen erschlauen. Sie stellen fest, dass eine Sicherung defekt ist, und tauschen diese aus. Dann rufen sie telefonisch den Hubschrauber. Dieser schwebt wieder über der Plattform und nimmt zuerst die Werkzeugtasche, dann einen Techniker nach dem anderen auf, wobei der Technikerschupfer selbstverständlich seines verantwortungsvollen Amtes waltet. Sobald alle an Bord sind, fliegen alle wieder zurück an Land.

Unterm Strich waren sechs hochqualifizierte Personen geschätzte zwei Stunden beschäftigt, macht zwölf Mannstunden, dazu mindestens eine Flugstunde, die bei einer Maschine dieser Größe mit ungefähr 2.000 Euro wohlfeil ist (Bildungsauftrag erfüllt). Auf der anderen Seite der Gleichung steht eine gewechselte Sicherung.

Um nun wie verheißen das Nützliche mit dem Angenehmen zu verbinden und zugleich eine Menge fossilen Hubschraubertreibstoff zu sparen, fragen wir uns, wie man ähnliche Probleme gelöst hat, als es noch keine Hubschrauber gab. Antwort: Man setzte den Leuchtturmwärter bei seinem Leuchtturm ab und wünschte ihm alles Gute für die nächste Zeit. Was liegt also näher, als in jede Windradgondel einen lockdowngestählten und sozial schwer verträglichen Teenager zu pflanzen? Strom ist ja genug da, man braucht nur noch ein Bett, einen Heizlüfter, einen Vorrat an Tiefkühlpizzen, eventuell eine Playstation und natürlich eine 4G-Verbindung. Eine Waschgelegenheit ist optional. Nach der Anfangsinvestition in die Basiausstattung ließe sich solche Nachwuchskräfte vom Ersparten eines einzigen Hubschraubereinsatzes locker monatelang finanzieren, da bleibt sogar noch ein nices Taschengeld. Das Wechseln einer Sicherung ist selbst diesen jungen Verpeilten ohne Weiteres zuzutrauen. Sie selbst genießen für ein, zwei Wochen die Abwesenheit von ihrem familiären Umfeld, und dieses ebenfalls. Worauf warten wir noch?

Schönes Wochenende!

Freitag, 15. April 2022

Wie gesagt

 

Vieles, o teure Lesehäschen, verliert sich im Dunkel der Geschichte, und manchmal ist dabei, wie man sagt, wo euer Ergebener herstammt, der Schaden schnell geschätzt. So gibt es heute gewiss Briten, die von Glück sagen können, dass sich niemand mehr erinnert, welcher hohe nautische Amtsträger für die Wendung drunk as a sea lord verantwortlich ist, weil man sonst den Ururopa in einem nicht mehr ganz so erfreulichen Lichte sähe. Hierzulande darf man sich vergleichsweise unschuldig fragen, wie fett ein Radierer oder die russische Erde eigentlich wirklich sind. Dass der Spar am Sonntag zu ist und als Vergleichsgröße für jemanden in ähnlicher Verfassung dienen kann, versteht sich von selbst.

Weniger klar ist die Klarheit der Kloßbrühe oder der dicken Tinte, aber es dürfte nicht lohnen, dem nachzutauchen. Viel lieber wüsste man, wer jener Friedrich war, dem (und dem Arsch) sich völlig Nutzloses widmet. Wer sehr gespannt ist, ist dieses „wie ein Pfitschipfeil“, aber was ist eigentlich ein Pfitschipfeil? Das Internet belehrt uns, dass dieses Wort eine Doppelung aus dem Pfeil und einem nicht mehr gebräuchlichen Wort für denselben (nämlich vitzer) sei, was als Erklärung der Redewendung für die Fisch’ ist, weil ja stets der Bogen und nicht der Pfeil gespannt wird. Dass die Axt im Walde kein Vorbild für die feine englische Art sein kann, liegt wiederum auf der Hand. Manches verwittert im Laufe der Zeit, sodass heute kaum mehr jemand „rangeht wie Blücher“, was wohl damit zu tun hat, dass sich kein Mensch mehr an die Waffentaten des Feldmarschalls Blücher erinnert. Höchstens bei Karl-May-Lesern klingelt es, wenn sie hören, einer sei „wie Zieten aus dem Busch“ gekommen, nämlich zur allgemeinen Überraschung, und selbst jene werden nicht mehr parat haben, dass Hans Joachim von Zieten als Kavalleriegeneral der preußischen Könige ein allseits bekannter Feldherr des 18. Jahrhunderts war.

Besonders gern wüsste euer Zweckdichter, wo die vielzitierten Hempels residieren, unter deren Sofa es aussieht, also, frage nicht! Dass jemand lügt „wie gedruckt“, überrascht in Zeiten von fake news gewiss niemanden mehr. Möglicherweise tut der Betreffende dies frech wie Oskar, von dem leider nichts bekannt ist, als dass er halt ein Frechdachs war, schade. Eine erfreuliche Ausnahme in puncto Ursprungsforschung stellt anscheinend der liebe Scholli dar, der, so zumindest Wikipedia, auf den Studenten Ferdinand Joly zurückgehen soll, der 1783 von der Universität Salzburg verwiesen wurde. Die Auskunft, inwiefern das etwas mit mein lieber Scholli zu tun haben könnte, bleibt die beliebte Online-Enzyklopädie leider schuldig.

Man sieht also, dass vergleichende Redewendungen dazu neigen, ihre Genese in Nebel zu hüllen. Wir sind daher gespannt, ob sich in 20, 50 oder 100 Jahren noch jemand erinnert wird, woher der treffende Ausdruck fett wie ein Personenschützer stammt.

Frohe Ostern!

 

Freitag, 8. April 2022

Umgekehrt

 

Falls ihr, o besorgte und betroffene Lesehäschen, das Gefühl habt, die Welt stehe Kopf, so muss ich euch beunruhigen. Nein, solange ein Ex-Geheimdienstoffizier, dessen politisches Geschäftsmodell seit Jahrzehnten darin besteht, Almosen an Jasager zu verteilen, und sich im übrigen wie Nelson Muntz von den Simpsons zu benehmen – wenn so einer Scheußlichkeiten in einem Land begeht, das Nein zu ihm sagt, ist die Welt leider noch richtigrum.

Nur Kleinigkeiten stehen hie und da auf dem Kopf, was insgesamt unerheblich ist und allenfalls eurem inneren Korinthenkacker beziehungsweise hierzulandigen i-Tüpferl-Reiter Magenbeschwerden verursacht. Das geschieht zum Beispiel, wenn der Typographie-Connaisseur – und sind wir das nicht alle ein bisschen, selbst wenn wir auf diesem Gebiet bisher nichts geleistet haben, außer die Comic Sans zu dissen – wenn also der Freund gepflegten Schriftsatzes einen Blick auf die aktuellen NÖM-Plakate wirft. Da werden wir eingeladen, doch einmal fünfe gerade sein zu lassen. Nimm‘s leicht steht groß geschrieben, und zwar leider genau so.

Wer sich fragt, was daran so schlimm sein soll, merke nun auf. Der Apostroph kippt nicht nur leicht ins Lachhafte, wenn er sich herumtreibt, wo er nichts (nicht’s) verloren hat, also zum Beispiel bei Franzi’s Würstel-Eck. Er ist vermutlich auch unser einziges Satzzeichen, das einem bisweilen spanisch vorkommt, nämlich so ähnlich wie ein ¡ oder gar ein ¿. Denn es gibt diesen Apostrophen: ’. Es gibt aber auch diesen hier: ‘. Für die reiferen Häschen zoomen wir hinein, das ist der eine: . Und das der andere: . Das Blöde ist jetzt, dass es im Spanischen zwar ein ? und ein ¿ gibt. Es gibt aber nur einen Apostrophen, nämlich den, der aussieht wie eine kleine 9, also diesen Kerl: . Der kleine 6er ist kein Apostroph, sondern ein einfaches Anführungszeichen (und zwar ein schließendes, aber das hast du ja schon gewusst). Deshalb ist es schade, dass bei der Firma NÖM vielleicht nicht die Milch sauer wird, sehr wohl aber der Apostroph gekippt ist. Natürlich sieht so ein Apostroph nicht nur aus wie ein Fliegenschiss, er ist im Vergleich zu einem Luftangriff auch einer. Aber wenn schon 20 Jahre Merkel sich plötzlich rückblickend zu einem Riesenfehler entwickeln, wäre es doch ganz okay, wenn wir zumindest die Fliegenschisse hinkriegen.

Schönes Wochenende!

Freitag, 1. April 2022

Der, die, das Watschen

 

Will Smith hat Chris Rock eine Watschen gegeben und steht jetzt blöd da.

Euer Ergebener fragt sich, warum eigentlich.  Die Antwort liegt wohl, wie heute meistens, im Framing.

Es ist nämlich so, dass Will Smith, fast einsneunzig groß, vermutlich ganz ordentlich trainiert und einer der bestbezahlten Schauspieler unserer Tage, bei der Oscargala plötzlich die Beherrschung verloren hat. Chris Rock, der ebenfalls nicht schlecht verdienen dürfte, aber eine gute Handbreit kleiner ist, musste eine Watschen einstecken, nur weil er einen blöden Witz über Smiths Frau gemacht hatte.

Sabine Zeithammer lobte Herrn Rock im Falter, weil er auf die Fotzn „hoch professionell reagiert“ habe. (Seine Reaktion bestand darin, zu verkünden, dass ihm Will Smith gerade eine geknallt habe, was jetzt vom Informationsgehalt her eher dünn ist für jemanden, der als Gage für den Abend sicher nicht den Jackpot geknackt hat, aber wohl immerhin einen fünfstelligen Betrag mit heimnimmt.)

 

Es ist aber auch so, dass ein hochbezahlter Starmoderator einen geschmacklosen Witz über eine schwarze Frau gemacht hat, weil ihr, wie man seit Jahren weiß, infolge einer Autoimmunerkrankung die Haare ausgehen. Ihr Lebenspartner ist für sie eingestanden, wobei er wohl etwas über das Ziel hinausgeschossen ist. Soviel zum Thema Framing.

 

Es ist weiters so, dass Frau Zeithammer im Falter (in bester Gesellschaft mit vielen anderen) bei Herrn Smith toxische Männlichkeit diagnostiziert hat, und da wird es jetzt ein bissi schwierig, wenn ihr mich fragt, ihr bisweilen fast schon zu friedfertigen Lesehäschen. Was wäre die angemessene, genießbare Reaktion gewesen? Abwarten und hoffen, dass man einen Oscar abräumt, um dem Rock dann im Rahmen der Dankesrede gepflegt eins reinzuwürgen? Und wenn man keinen Oscar gewinnt, was Treffendes twittern?

Kann man machen. Beides setzt aber ein gerüttelt Maß an kulturellem Kapital voraus. Auf einen Oscar hoffen oder fies twittern, das sind realistische Optionen für den Smith. Aber wenn der Rock diesen Witz über unsereinen macht, wie reagieren wir dann angemessen? Wir gewinnen sicher keinen Oscar, und ob wir was twittern oder nicht, zieht keinem die Wurst vom Teller. Bleibt uns dann nur ein gezwungenes Lächeln?

Die Antwort ist wohl: Der Herr Rock käme schon deshalb nicht auf die Idee, den Witz in unserem Stammbeisl zu bringen, weil er schon so eine Ahnung hätte, dass er sich dann eventuell eine einfängt. Weil ein zu großes Gefälle an öffentlicher Reichweite halt bisweilen durch Körperlichkeit ausgeglichen wird.

Der Vorwurf an Herrn Smith lautet also in Wahrheit, dass er zu viel kulturelles Kapital angehäuft hat, um jemandem eine runterzuhauen. Darüber, wie toxisch eine Watschen an sich ist, ist damit aber noch gar nichts gesagt. Es ist lediglich behauptet, dass eine Watschen etwas Männliches ist.

Ich für mein Teil plädiere daher stark dafür, die Watschen gendersensibel zu erobern. Wenn man bei grobem Deppertsein einer Maulschelle nicht nur von Männern, sondern auch von Frauen und Nichtbinären gewärtig sein muss, überlegt man es sich zweimal, wie tief ein Witz sein darf.  

Denn noch professioneller als die etwas müde Reaktion wäre es für einen Komiker mit bald 40 Jahren Erfahrung im Showgeschäft wohl gewesen, sich das Scherzchen (das laut Herrn Rock improvisiert und nicht gescriptet war) einfach zu verkneifen. Schönes Wochenende!