Freitag, 31. Mai 2019

Trunkenheit

Wieder einmal, geschätzte Häschen, wisst ihr besser als zuvor, warum ihr hier reinschaut: Weil man bisweilen informationstechnisch das Schnuffelnäschen um den entscheidenden Zentimeter weiter vorn hat. Wer hat euch vor zwei Wochen prophezeit, dass nach Kickls Phantasieuniformsjanker nichts Besseres nachkommen werde? Jawohl, euer Ergebener! Jetzt ist die Jacke weg – wie viele schöne Orden, goldene Fangschnüre und weißdergeierwasalles hätten da nicht Platz gehabt! Jetzt noch eine Spiegelbrille und eine fette Zigarre, fertig wäre der Generalissimo von der Herrengasse gewesen. Fast schade. – und was blüht uns als Nächstes? Noch mehr dunkelblaue Slimfitanzüge vom Oberwastl, da wette ich meinen neuesten Dreiteiler. Kommt der Herbst, kommt auch der Kurzkanzler wieder, so wahr ich euer Zweckdichter bin.
Nun zu einer anderen Sache: Obgedachter Beinahe-Comandante-en-Jefe – der obligate Stoppelbart war immerhin schon da – hat dem bis dahin so innig geliebten Koalitionspartner vorgehalten, jener habe sich „kalte und nüchterne Machtbesoffenheit“ anmerken lassen, während der eigene Parteifreund sich lediglich im Zustande der „Besoffenheit infolge von Alkohol“ erbötig gemacht habe, die Republik an eine russische Geldsäckin auszuverkaufen.
Zwar war selbst Kickl nicht frech genug, um noch deutlicher zu werden, aber man braucht kein Sterndeuter zu sein, um zu verstehen, dass der Schmalspurdiktator für den Redbullbruder die Vermischung des Red Bull mit Alkohol als Milderungsgrund gelten machen wollte. Im Lande des Spritzweins und des Krügels liegt es natürlich nahe, die Nähe zum Volke dadurch zu demonstrieren, dass man unter der Last der Verantwortung gelegentlich Schwäche zeigt, indem man – kein Wunder! – zur Flasche greift. Noch näher liegt es, Sebastian Kurz provozieren zu wollen, indem man ihm Nüchternheit vorhält. Nutzt’s nix, schadt’s nix: Im besten Fall gesteht Kurz im Affekt, er habe einst auf dem Rücksitz des Geilomobils dem kolumbianischen Nasenleckerli zugesprochen. Im schlechteren Fall bleibt beim schluckaffinen Teil der FPÖ-Zielgruppe hängen, dass der Oberkurze eine Spaßbremse sei, mit der man nicht einmal gemütlich einen heben kann.

Trotzdem sollte man als Innenminister wissen, dass sich ein ordentlicher Fetzen in den seltensten Fällen als Ausrede eignet, wenn man sich etwas zuschulden kommen hat lassen. Es soll sogar in der FPÖ Menschen geben, die schon einmal am eigenen Leib erfahren mussten, dass die Polizei es zum Beispiel nicht gerne sieht, wenn man fett wie ein Radierer Auto fährt. Hier zeigt sich nun eine Schwierigkeit am Politikerberuf: Die nehmen jeden. Während man als Bäcker, Hufschmied, Rechtsanwalt, Fernfahrer oder Branntweiner mit allerlei Auflagen konfrontiert ist, ohne deren Erfüllung man – im Falle des Branntweiners – niemanden abfüllen darf, gibt es leider keine Kriterien für den Erwerb einer Staatenlenkerberechtigung. Andernfalls wäre Herr Strache die seine mittlerweile vermutlich los. Gerne stellt man sich vor, wie der animierte Plausch mit der Beinaheoligarchin von einem entschiedenen Pochen an der Tür unterbrochen wird, wie die Politiklaufbahnpolizei sich Zutritt verschafft und den Damals-eh-noch-nicht-Vizekanzler „blasen lässt“. Kurze Erleichterung, dann Multiplikation des Ergebnisses mit zwei – tja, leider! – und weg ist der, hihi, Führerschein (Gruppe B, Binnenstaaten bis 10 Mio. Einwohner). Besonderen Eindruck würden solche Kontrollen hinterlassen, wenn die berittene Polizei sich dafür in den Sattel schwänge. Dies sei dem Nachfolger von Herrn Kickl zur sorgfältigen Erwägung ins Stammbuch geschrieben. Schönes Wochenende!

Freitag, 17. Mai 2019

Der Reihe nach

Wie die Countryhäschen unter euch wissen, gibt es nicht nur Rocknummern, Powerballaden und beinharte Protestlieder, sondern auch sogenannte „List Songs“. Das sind Lieder, die, naja, Listen sind. (Nicht in dem Sinne, dass du darauf hereinfällst, sondern in dem Sinne, dass Dinge aufgezählt werden. Ein einfacher List Song ist das geschätzte, weil unter anderen von Johnny Cash intonierte I’ve Been Everywhere (bitte googlen und gut finden): Es besteht fast ausschließlich aus Ortsnamen. Wie ich in rastloser Recherche für euch herausgefunden habe, geht das Listenlied auf die Antike zurück, weil nämlich schon Homer gern alles zusammengetragen hat, was er zu einem Thema zu sagen hatte. Wer wie euer Ergebener den Fehler begangen hat, von Latein begeistert, auch Altgriechisch zu wählen, der erinnert sich vielleicht an den Schiffskatalog in der Ilias.
Weil gerade Game of Thrones ist, will ich nicht anstehen, diesen Dauerbrenner mit einer Liste zu ergänzen, nämlich jener Dinge, von denen nichts Besseres nachkommt. Zwar ohne Anspruch auf Vollständigkeit, aber vielleicht kommt ja ausnahmsweise doch eine bessere nach.
Platz 5 der Dinge, in denen nichts Besseres nachkommt, belegt Game of Thrones. Als treuem Seher und Leser dürft ihr mir glauben, dass noch nie in der Geschichte der Serie so viele wichtige Leute so viel kompletten Blödsinn gemacht haben wie in der achten und letzten Staffel. Jon Snow war ja als Feldherr immer schon ein bisschen Margarita. Aber einfach spazierenzufliegen, während die Schlacht um das Schicksal der Menschheit tobt, das wirkte schon sehr teilnahmslos.
Auf Platz 4 hält sich der Feedback-Dauerbrenner, bei dem die Nicht-Durchführung einer nicht empfehlenswerten Korrektur erst bemängelt und die Korrektur selbst im nächsten Schritt rückgängig gemacht wird, weil man „noch eine Kleinigkeit entdeckt“ hat. Nein, du hast nichts entdeckt, sondern das Projekt ist mittlerweile so weit fortgeschritten, dass den Text jemand zu lesen bekommen hat, der der deutschen Sprache tatsächlich mächtig ist.
Platz 3 bleibt fest in der Hand des Eurovision Song Contest. Besonders erfreulich ist die derzeit grassierende Vermutung, die Länder schickten absichtlich chancenlose Lieder in den Bewerb, um sich die kostspielige Ausrichtung im Folgejahr zu ersparen. So gelangen wir zu einem Niveau-Limbo, bei dem Spaß für die ganze Familie garantiert bleibt.
Platz 2: Tweets von Felix Baumgartner. ’nuff said.
Auf Platz 1 der Dinge, bei denen nichts Besseres nachkommt, begrüßen wir die Outfits von Herbert Kickl. Bisher sah Kickl ganz im Gegensatz zu Hipstern wie Joko Winterscheidt nicht aus wie jemand, der seinen Konfirmationsanzug aufträgt, sondern wie jemand, dem die Mama den Konfirmationsanzug ein Jahr im Voraus gekauft hat, damit man zu Omas 70er schon fesch dasteht, was natürlich nicht funktioniert, weil man aussieht wie eineg’stessn, so die bildhafte Wiener Wendung, die zum Ausdruck bringt, dass man im betreffenden Outfit den Eindruck vermittelt, man sei als viereckiger Pflock in ein rundes Loch gerammt worden. Die Trostlosigkeit der Kicklschen Garderobe schien nicht mehr steigerungsfähig, doch bewahrheitete sich auch hier Norbert Hofers Prophezeiung, man werde sich noch wundern, was alles möglich sei: Jüngst trickste der Innenminister in einer uniformesken Jacke auf, die nicht nur als Ganzes zu groß war, sondern auch ein Namensschild in einem Format trug, das bei UNO-Konferenzen für die Tischaufsteller gebräuchlich ist, aus denen man zum Beispiel erfährt, dass die Cookinseln auch ein Land sind. Die Jacke machte einen praktischen und strapazierfähigen Eindruck. Ungefähr so wie die Kampfanzüge der überwuzelten (wienerisch für: sich dem Mindesthaltbarkeitsdatum nähernden) Gestalten, die man gelegentlich vor Einkaufszentren herumhängen sieht: Bierwampe, Fetthaar, Springerstiefel und im Übrigen Flecktarnmuster von Kopf bis Fuß. Bei Kickls Auftritt im Ministerrat fehlten noch Barett und Phantasieorden. Dass der Minister keinen Adler an der Joppe trug, zeigt hingegen, dass er sich auskennt. Wer sich Hoheitszeichen anmaßt, wird bisweilen von der Polizei blöd angeredet. Schönes Wochenende!

Freitag, 10. Mai 2019

Bonjour Fadesse

Zwar wird alles immer schlimmer (Klimaerwärmungfemizidstephanpetzner), doch erinnern brave Bildungshäschen sich an ihren Hölderlin: Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch. Dies gilt bisweilen sogar für Feedback, das ja aus der Runde gesellschaftsfähiger Textsorten ausgeschert ist, um gemeinsam mit YouToube-Kommentaren und den Ausreden von Harald Vilimsky eine gewaltbereite pressure group zu gründen. Umso überraschender, dass auch Feedback sich zum Guten wandeln kann! So ward eurem Zweckdichter kürzlich beschieden, dass der Endkonsument ein bestimmtes Service nutzen könne, um digital erhaltene Informationen nicht einfach einzusehen. Nein, er könne sie „rückwirkend“ einsehen.
Nun ja. Irgendwie – nein, auch irgendwie nicht. Wenn du, o kulturbeflissenes Flauscheknäuel, wieder einmal Faust II vornimmst, weil der Sonntagnachmittag sonst verschwendet wäre, dann liest du die Worte des Meisters ja nicht „rückwirkend“, nur weil er sie geschrieben hat, ehe du sie lesen konntest. Denn im rückwirkend steckt die Wirkung. Zwar wissen wir längst, dass der Leser das literarische Werk mitkreiert, insofern jede Leseerfahrung einzigartig ist, sodass bei hundert Lektüren von Faust II hundert verschiedene Faust-II-Fassungen in den Köpfen der Lesehäschen entstehen. Der Text, soweit er gerade nicht gelesen wird, bleibt davon jedoch erstens unbehelligt. Und zweitens ist damit nicht bewiesen, dass auch bei der Lektüre deiner Handyrechnung ein einzigartiges Werk entsteht. Euer Ergebener fühlte sich bei diesem dazureklamierten rückwirkend an den alten Schmäh erinnert, man solle den Brief an die Tante langsam schreiben, denn sie könne nicht so schnell lesen. Doch siehe!, die Argumente wurden gehört, verstanden und berücksichtigt. Kundin und Kunde dürfen nun einfach lesen, ohne befürchten zu müssen, dass sich ihre Rechnung wie Schrödingers Katze verhält und sich unter Beobachtung verändert.
Leider ist auf solche Glücksfälle kein Verlass. Zum Beispiel kann euer Lieblingsreißerschreiberling (ein Wort mit zehn Vokalen, und alle sind i oder e – nicht schlecht, oder?) euch erzählen:
Bebend tastete sich Sabine weiter ins Dunkel vor. Von links –wirklich von links?  - glaubte sie ein schlürfendes Geräusch zu hören. Durch die Risse in ihrer Bluse kroch Eiseskälte. Auch wenn die Schritte ihres Angreifers vorerst verklungen waren, war sie jederzeit darauf vorbereitet, ihm plötzlich wieder gegenüberzustehen.
Saufad, oder? Ein Ausbund ein Langeweile. Der Tod des Vergil ist dagegen ein echter pageturner. Woran das liegt? Aufgepasst: bekanntlich gibt es einige bewährte Regeln, an die zu halten sich lohnt, will man einen geglückten Text verfassen. Journalisten meiden seit Generationen das Wort „beim“, damit der gefürchtete Beimbruch ihnen nicht die Reportage verdirbt. Das Passiv wirkt distanziert und umständlich. Verneinungen verarbeitet der Leser erst im Nachhinein. Und noch eine Regel gibt es, im Gegensatz zu vielen kenne ich sie dank Feedback und gedenke sie künftig peinlichst zu beachten:
Das Wort „vorbereitet“ ist langweilig.
Daraus lernt man außerdem, dass der Urheber, die Urheberin dieser Weisheit deutlich nach 1975 geboren ist. Andernfalls hätte sie noch den keineswegs faden, sondern weitum gefürchteten Satz aus der Sendung Wer bastelt mit? im Ohr: „Ich habe da schon was vorbereitet.“
In diesem Sinne: auf ein spannendes Wochenende!


Freitag, 3. Mai 2019

Arbeit und Wirtschaft


Liebe überarbeitete Häschen, braucht ihr eine Pause? Könntet ihr einen Tapetenwechsel vertragen? Seid ihr gar reif für die Insel?
Tja, das ist jetzt blöd. Denn die Wirtschaft, die hört einfach nicht auf, Arbeit zu schaffen. Zumindest hat das Frau Hartinger-Klein auf eine Weise behauptet, die schon insofern unvergesslich ist, als niemand mehr von Arbeitspolitik reden kann, ohne gleichzeitig an das Geräusch von Fingernagel an Schultafel denken zu müssen. Doch jeder leistungsfähige Text ist eine Drachensaat (wer aus dem Stegreif weiß, aus welcher Sage dieses Bild stammt, kann sich bei mir ein Dosenbier abholen): Man streut Aussagen, und schon schießen Fragen aus dem Boden. So geht es auch femme des lettres Hartinger-Klein.
Denn erstens: Stimmt das überhaupt? Und zweitens: Wäre das was Gutes?
Über die irreführenden Bezeichnungen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer hat sich ja schon mancher ausgelassen. Wenn du dir dein seidiges Häschenhaar vom Profi schneiden lässt, bist du nicht der Frisurgeber. Wenn der Klempner dir Rohre verlegt, bist du nicht der Installationsgeber. Wenn du ein sehr guter Kunde deines Bäckers bist, wirst du vielleicht zu seinem Brötchengeber, aber das führt jetzt zu weit. Was du gibst, ist ein Auftrag und dann Geld, wofür du eine Arbeitsleistung erhältst.
Genauso ist es in dem, was die Ministerin „Wirtschaft“ zu nennen geruht. Der Chef gibt dir keine Arbeit, sondern Geld, weil du ihm zuerst Arbeit gegeben hast. Aber was hat das mit der Wirtschaft zu tun? Das kommt vor allem darauf an, wo du aufgewachsen bist. Auf meiner einst heimatlichen Scholle konnte man sowohl „ins Geschäft“ wie auch „in die Wirtschaft“ gehen. Im Geschäft leistete man Arbeit, wofür man Geld erhielt. Der Name kommt wohl daher, dass dieser Vorgang für alle Beteiligten ersprießlich war, was aber nicht bei jedem Geschäft selbstverständlich ist.
Die erworbenen Zahlungsmittel konnte man später in der Wirtschaft gegen alkoholhaltige Erfrischungsgetränke tauschen. Dass eine Wirtschaft das ist, was der Wirt schafft, ist ja aufgelegt, dafür braucht man nicht Wirtschaftswissenschaft studiert zu haben, wie das bei Frau Hartinger-Klein der Fall ist.
Natürlich geht man als verantwortungsbewusster Erwachsener erst in die Wirtschaft, nachdem man nährstoffreiche und gesunde Lebensmittel eingekauft hatte, und zwar im Laden. So sind mit Geschäft, Laden und Wirtschaft die Eckpunkte des ländlichen Lebens markiert. Fehlt nur noch die Kirche fürs Geistige. Schafft die Wirtschaft hier Arbeit? Sicher nicht, wozu auch? Man hat ohnehin genug zu tun!
Im Sinne einer ausgewogenen Recherche, die journalistisch zu nennen trotzdem eine Übertreibung wäre, wollen wir aber nicht im westösterreichisch-süddeutschen Soziotop hängenbleiben. Wie gut ist es deshalb, dass ich mich einer ostösterreichischen Schwiegermutter erfreue. Kann sie die wirtschaftskundliche Ehre der Wirtschaftsministerin retten? Es meint nämlich „Wirtschaft“ in Wien, um Wien und um Wien herum nicht das Reich des Wirten, der stattdessen entweder im Wirts- oder Gasthaus sein segensreiches Wirken entfaltet, je nachdem, ob er selber oder die Gäste das Sagen haben. Vielmehr ist eine Wirtschaft hier eine Unordnung, ein Durcheinander, eine zu behebende Verschmutzung, also, sprechen wir es aus, damit sich der Kreis zum weniger segensreichen Wirken der aktuellen Bundesregierung schließt, ein rechter Saustall. Dass ein solcher Arbeit schafft, auch wenn man sich darüber selten freut, sei Frau Hartinger-Klein gerne bestätigt. Schönes Wochenende!