Freitag, 25. September 2020

Entschuldigung

 

Dass alles nicht so einfach ist, meine lieben Lesehäschen, ist ja nichts Neues, und dass gerade FPÖler und solche, die es nur noch gewesen sein wollen, mit der deutschen Sprache bisweilen Schwierigkeiten haben, ebensowenig. Dass wiederum Herr Blümel und Herr Nepp ein und denselben rhetorischen Trick bemühen, wird auch niemanden wundern: Der eine will Wien „wieder“ nach vorne bringen, der andere will Wien „zurückholen“, wobei natürlich weder der eine erklärt, inwiefern Wien hinten noch der andere, inwiefern es weg ist. Auf diesem Schmähniveau könnte man beide fragen, ob sie aufgehört haben, sich vor dem Frühstück schon Obstler zu stessen, worauf es ja auch nur richtige Antworten gibt! Immerhin sind die beiden auf Volksschulniveau sprachlich firm, während H.C. Strache gelegentlich ins Straucheln (also: Stracheln) kommt. Kürzlich sonderte er in einem Interview einen schönen Satz ab, den sich aber wirklich jeder von uns hinter die Häschenlöffel schreiben sollte, nämlich:

Man muss sich selbst verzeihen können.

Das zeugt von erfreulicher Fähigkeit zum Mitdenken. Denn wenn Strache sich nicht zuerst selbst verzeiht, wer soll ihm dann darin nachfolgen? Strache setzt anscheinend darauf, dass ihm die Leute schon verzeihen werden, wenn er nur selbst mit gutem Beispiel vorangeht und auch einmal fünfe gerade sein lässt, nachdem sein alter Haberer Heinz-Christian in der Fettn einmal einen Blödsinn gemacht hat.

Allerdings zeigte sich, dass der Journalist für seine Überschrift das Strache-Original unzulässig berichtigt hatte. Tatsächlich hatte Strache nämlich geäußert: Man muss sich selbst für Fehler verzeihen können. Wer Augen hat zu lesen, der lese – er wird in diesem scheinbar so schlichten Ratschlag jene tiefe Verunsicherung finden, die gemeinhin mit Zukunftsangst und/oder Drogenentzug in Verbindung gebracht wird. Denn man verzeiht sich (oder einander) ja nicht für einen Fehler, ebensowenig wie man sich von der Partei für die Miete der Villa in dort-wo-man-eh-nicht-wohnt-weil-man-sonst-in-Wien-nicht-zur-Wahl-antreten-darf zahlen lässt. Man lässt sich die Miete zahlen, man verzeiht sich den Fehler, und basta.

Dass Strache hier ein für hineingerutscht ist wie eine Oligarchin in eine ibizenkische (ja, echt!) Finca oder wie ihm dort so manches herausgerutscht ist, ist ein Zeichen dafür, dass er etwas vergessen hat. Nämlich, sich für das zu entschuldigen, was er der besagten Oligarchin in der besagten Finca so alles anvertraut hat und was mit „Ausverkauf der Republik“ bestens zusammengefasst ist.

O Hazeh, gehe in dich und höre! Ganz, ganz oft, lieber Hazeh, wird jemandem erst verziehen, nachdem er um diese Verzeihung gebeten hat. Beziehungsweise: Man muss sich selbst für Fehler entschuldigen, weil das nämlich niemand anderer tun wird, schon gar nicht der Gudenus.

Vielleicht fängst du damit an und wir schauen dann, ob es funktioniert.

Schönes Wochenende!

Freitag, 18. September 2020

Schwierige Biere


Dass früher, o vielgeliebte Lesehäschen, alles besser war, ist ja nichts Neues. Gerne sei wieder an jene frühere Kollegin erinnert, die einmal darauf hinwies, dass „gestern Sonntag“ war. Noch besser aber: Vorgestern war Samstag, und damit die ideale Gelegenheit, um sich ein lecker Bierchen zu gönnen. Einst war die präferierte Bierchensorte eine Frage des Geschmacks, und ob man sich die Zunge von einer ausbalancierten Komposition aus Malz- und Hopfennoten umschmeicheln ließ oder einfach ein Pils kippte, weil es eh schon wurscht war, blieb jedem selber überlassen.

Heute hat der belebende Trank seine Unschuld verloren – also nicht das Bier als solches, aber das eine oder andere, womit wir beim Problem sind. Euer Kolumnator outet sich nämlich hiermit als Freund des Mohrenbiers, weil es ihm gut schmeckt. Dass das Mohrenbier so heißt, wie es heißt, geht ja in Ordnung, denn warum hätte der Mohr keine Mohrenbrauerei gründen sollen! Schwierig wird es hingegen mit dem auf dem Etikett abgebildeten Kopf, der offensichtlich nicht jener des Herr Mohr, sondern eine unangenehm tendenziöse Darstellung ist. Weil das Auge, dieses unersättliche Organ (Doderer, schau oba!) nicht nur mitisst, sondern auch mittrinkt, begibt sich der sensible Konsument auf die Suche nach geeignetem Ersatz. Im gutsortierten Fachhandel wurden vier Sorten ohne rassistische Abbildungen empfohlen, die besagter Konsument schweren Herzens (weil das Mohrenbier wirklich sehr gut schmeckt) zwecks Verkostung heimwärts trug. Die Verkostung steht großteils noch aus, aber eine Sichtung der Etiketten lässt nichts Gutes vermuten.

Hadmar Bio-Bier ist, so verrät der Hersteller Weitra Bräu, nach Hadmar II. benannt, einem Adligen des 12. Jahrhunderts (oder des 12. Jh., oder des 12. Jh.s, nicht aber des 12. Jhs., weil nämlich Abkürzungen auf Wunsch gebeugt werden dürfen, wobei die Beugungsendung genau dann vor den Abkürzungspunkt kommt, wenn die Abkürzung mit demselben Buchstaben endet wie das abgekürzte Wort, sodass eine Enzyklopädie „24 Bde.“ haben kann, während Hadmar keine Persönlichkeit des „12. Jhs.“ gewesen ist – Bildungsauftrag erfüllt!).

Besagter Hadmar ist auch auf dem Etikett zu sehen und garantiert rassismusfrei dargestellt. Das ist auf den zweiten Blick auch kein Wunder, und auf den dritten Blick drängt sich die Frage auf, ob die Ablöse eines generischen Rassismusbildes durch eines, das einen privilegierten Hodenträger aus finsteren Zeiten verherrlicht, echt den Bierwechsel wert ist. Euer Ergebener tendiert dagegen, hat aber das fragliche Bier noch nicht verkostet.

Als nächstes Ersatzbräu wartet Augustiner Lagerbier hell, und hier genügt leider der erste Blick: Auf dem Etikett grinst ein korpulenter Ordensmann, der anscheinend aus lauter Schadenfreude ob der Greuel der Gegenreformation das eine oder andere Helle über den Durst gezwitschert hat. Danke, weiterbeten!

Wir kommen zum Obertrumer Zwickl, das nicht schlecht schmeckt, wenngleich es überreich mit Kohlensäure gesegnet ist. Das Etikett aber: Eine junge Frau im tief ausgeschnittenen Dirndl mit unnatürlicher Sisi-Taille, dargestellt in einem Stil, gegen den Michael Jeannée ein Meister der feinen Klinge ist, hat ihren Lebensinhalt anscheinend darin gefunden, anderen Leuten überschäumende Bierkrüge nachzutragen. Wie das gender- und rassismussensible Zweckdichterbalg feststellte: Da ist es dann auch schon wurscht, ob die Frauen oder die Leute of color beleidigt werden.

Es bleibt das Freistädter Ratsherrn Premium, das immerhin ganz ohne Bild auskommt. Aber seien wir ehrlich: Die Kombination aus Heißfolienprägung à la 2003 und angeberischem Alte-weiße-Männer-Titel ist dadurch auch nicht zu retten.  

Das traurige Fazit der Suche nach der unanstößigen, aber brauunionfernen (schließlich soll das Zeug ja auch getrunken werden!) Mohrenablöse lautet also: Es kann schon sein, dass Bier nicht deppert ist. Über das Gebinde ist damit aber leider noch nichts gesagt. Man bringe den Spritzwein!


Freitag, 11. September 2020

Ist es er oder sie?

 

Ist mir, meine lieben Lesehäschen, eine persönliche Frage gestattet? Nämlich, ähem: Ist das bei den Häschen auch so wie bei den Karnickeln? Also, das mit der Herstellung kleiner Abbilder von sich selbst? Oder gehen die Häschen es ruhig an und freuen sich, wenn dann endlich ein einziger kleiner Hase hoppelt, gleich welchen Geschlechts? Beziehungsweise, wie man früher auf dem Land sagte: Ah, ein Mädchen? Na Hauptsache, es ist gesund.

Seither ist viel Wasser nicht nur die Donau, sondern auch z. B. den Colorado oder Sacramento hinuntergeflossen, und die Frage, was es denn ist, wird einerseits gendertechnisch ausgeglichener, aber offensichtlich auch angespannter gesehen. Deshalb gibt es – jeder Anlass ist recht! – die sogenannten Gender Reveal Parties, wo stolze künftige Eltern in festlichem Rahmen bekanntgeben, was beim Ultraschall herausgekommen ist. Gerne werden dabei rosa oder blaue Feuerwerkskörper – je nachdem – gezündet, was erstens doch ziemlich vorgestrig wirkt und zweites einen sehr ansehnlichen Waldbrand nahe Los Angeles ausgelöst hat. Das ist schade, zeigt aber nur, was eh klar war: dass die Gender Reveal Party nicht so recht zu Ende gedacht ist. Denn es kann sich ja bestenfalls um eine Sex Reveal Party handeln, insofern, als die primären Geschlechtsmerkmale – da haben wir die letzten 20 Jahre aufgepasst –keinen Rückschluss auf das Gender des kommenden Erdenbürgers beziehungsweise natürlich der kommenden Erdenbürg*er_in zulassen, und wenn alles gut geht, sieht die Endung eines genderistisch uneindeutigen Substantivs bald so aus wie die Sprechblasen im Asterix, wenn Majestix sich wieder einmal furchtbar ärgern muss.

Doch nicht nur die kleinen Kinder, selbst Unbelebtes bereitet einschlägige Schwierigkeiten.

Denn das Fahrrad ist zwar sächlichen Geschlechts. Aber wer irgendwann einmal in einem mehr oder weniger kapitalistischen Land war, der weiß: Man kauft kein Fahrrad. Man kauft zum Beispiel (in den finsteren 1970er- und -80er-Jahren) ein Puch Clubman, (besser: Puch Clubperson) oder, nicht viel löblicher, ein Puch Bergmeister (hier fehlt natürlich der Asterixfluch am Schluss). Heute sieht es auf den ersten Blick gendermaingestreamter aus, wenn man etwa zum „KTM Cross Line“ greift. So weit, so gut, aber halt: Daneben steht fast das gleiche Rad, mit allerdings nach hinten abfallendem Oberrohr, a.k.a. „tiefer Durchstieg“, und es heißt: Cross Line Lady.

Das geht natürlich nicht. Wenn die standardmäßige Modellbezeichnung das männlich besetzte Fahrad bezeichnet, ohne dass die Modellbezeichnung dies eigens ausdrückt, während aber die Fahrrädin ein Frauenetikett umgehängt bekommt, ist das ja ebenso untragbar, wie wenn sich Frauen umgekehrt von grammatisch männlichen Formen „mitgemeint“ fühlen sollen.

Sensiblerweise darf entweder keines der beiden Fahrradgeschlechter ein genderbesetztes Epithet bekommen – dann heißt zum Beispiel das eine „Cross Line Apfel“ und das andere „Cross Line Birne“ (unzulässig wären hingegen „Cross Line Melanzani“ und „Cross Line Pfirsich“ – Facebook-User wissen bereits, dass die entsprechenden Emojis geeignet sind, die zarten Gefühle der Facebook-Zensoren zu verletzen).

Oder aber beide bekommen gleichwertige Epitheta. Als Minimalversion gut vorstellbar wären etwa „Cross Line XX“ und „Cross Line XY“, weil wir ja wissen, wie die Krankheit heißt, bei der man nicht aufhören kann zu masturbieren: Y-Chromosom.

Da es aber gerade im Fahrradsektor nicht um eine pink tax geht (den Mehrpreis eines rosaroten Damenbeinrasierers gegenüber einem technisch identischen Herrengesichtsrasierer), sondern um greifbare Unterschiede wie das häufigere Tragen eines Rocks, ist es hier angezeigt, unmissverständlich zu werden, also etwa mit „Cross Line Hoden“ und „Cross Line Eierstock“.

Nur so als Vorschlag.

Schönes Wochenende!

Freitag, 4. September 2020

Rock on!

 

O Lesehäschen, gedenken wir Friedrich Hölderlins und seiner Worte: Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch. Volkstümlich gesprochen: Es gibt sie noch, die guten Nachrichten. Zumindest, und das wird besonders Lese- und Nichtlesehäschen wie Erich Erna E. freuen, wenn man den Rock und Roll im Blut hat. Denn ganz offensichtlich hat Hölderlin, der alte Rock’n’Roller, an seine Lieblingsmucke gedacht, als er sein berühmtestes Gedicht schuf.

Der Rock steht ja dem Geschlechtsverkehr, so glaubt man, zwiespältig gegenüber. Einerseits haben wir Höhenkammvögler wie Herrn Presley, der wohl eher keinen Mangel an Geschlechtspartnerinnen litt. Ein Gleiches (Bonusgewinnspiel ohne Googlen: Mit welchen Worten beginnt das gleichnamige Gedicht von Goethe? Einziger Preis ist wie immer ein handwarmes Dosenbier.) gilt gewiss für Herrn Jovi und diverse andere Berühmtheiten. Wer den durchaus unterhaltsamen Film Rock Star gesehen hat, weiß: He’s a rock star now. The usual rules don’t apply, und damit sind ausdrücklich die Umgangsformen in gefestigten Zweierbeziehungen gemeint.

Auf der Rückseite der Münze stehen die Fans obgedachter Rocker, für alle Zeiten typisiert durch die Herren Beavis und Butt-Head eingeschworen auf Metallica (nämlich Beavis, das ist der Blonde, Bildungsauftrag erfüllt) respektive AC/DC (Butt-Head). Wie man an ihnen sieht, ist die passive Rock-Ausübung nicht annähernd so chickmagnetoid wie die aktive Spielart. Dachten wir bis jetzt, womit wir zur guten Nachricht kommen. Gebracht hat sie uns schon vor bald einem Dreivierteljahr, als noch kein Mensch gewusst hat, wofür MNS steht, Herr Dante Mantovani. Er ist Chef der brasilianischen Kulturstifung Funarte, und seine gute Nachricht lautet: Rockmusik führt zu Geschlechtsverkehr.

Darauf ein Bierchen, Herrschaften! Lassen wir es uns auf der Zunge zergehen: Rock’n’Roll führt zu Geschlechtsverkehr. Was Legionen von Fans in grobgemusterten Leggins und üppig benähten Jeanskutten kaum mehr zu hoffen wagten, ist damit kulturelle Gewissheit. Freilich hat Herr Mantovani sich nicht darüber ausgelassen, wie lang die Wartezeit eventuell werden kann. Und die Erforschung der rockbedingten Sexualität steckt zweifellos noch in den, nun ja, Kinderschuhen. Führt Led Zeppelin eher zum One-Night-Stand, Franz Ferdinand eher in den gemeinsamen Lebensabend? Mögen Maiden-Fans es härter als jene der Pixies oder auch von Motörhead? Oder eben nicht? Auch über die Qualität des Erlebten und ihre eventuelle Abhängigkeit von der bevorzugten Musikrichtung ist nichts gesagt.

Doch was kümmert’s uns! Corona-Ampel rauf oder runter, Hauptsache, das Rockersexlicht steht auf Grün. Schönes Wochenende!