Wir leben, o vielgeliebte Lesehäschen, leider in interessanten Zeiten, nämlich im Sinne der bekannten chinesischen Verfluchung. Warum sie so bedauerlich interessant sind, darüber gibt es natürlich verschiedene Vermutungen.
Man kann zum Beispiel den Menschen die Schuld geben, und dabei freilich den Dummköpfen. Denn wir wissen ja: Das Elend der Welt rührt nicht von der Faulheit der Klugen, sondern vom Fleiß der Doofen. Dass diese Weisheit jedenfalls auf dem Mist eines Schlaukopfes gewachsen ist, der also bei der Sache etwas zu verlieren hatte, tut der Wahrheit keinen Abbruch. Auf der anderen Seite der Wahrheit steht freilich die Hoffnungslosigkeit, weil es wohl kein Mittel gibt, die Bescheuerten zur segensreichen Muße umzuschulen. In dieser Not wenden wir uns dem Transzendenten zu. Gar mancher findet in der Pandemie zurück in den Schoß der Kirche, nur um sich alsbald zu fragen, wieso Gott uns das antut?
Daran erkennt man sogleich, dass der Betreffende nie ein Aquarium gehabt hat. Mit einem Aquarium ist es nämlich so: Man richtet es ein, wobei selbst Süßwasserfische eine erstaunlich weitläufige technische Infrastruktur benötigen. (Es sei denn, man traut sich über die einst von Konrad Lorenz empfohlene zengleiche Übung eines Tümpelaquariums – quasi ein selbsttragender Schwimmteich, aber halt für die Fisch’. Die Zen-Übung besteht darin, mindestens zwei davon nebeneinander aufzustellen und identisch einzurichten, um sich dann davon überraschen zu lassen, wie völlig verschieden sie sich entwickeln.) Nach angemessener Einlaufzeit kommen die Fische hinein. Dann dauert es wieder eine Weile, die freilich sehr unterschiedlich bemessen sein kann. Ähnlich wie beim Grauen Star gibt es Glückliche, die es nie erleben. Doch bei hinreichender Dauer ist es irgendwann so weit, und man entdeckt die ersten Blaualgen. Anfangs sind es ein paar unscheinbare Fädchen, doch das ist nur eine Momentaufnahme. Bald schon sieht man seine beflossten Gefährten nur mehr schemenhaft. Nun ist der Augenblick, sich klar zu werden, ob man sie wie durch einen Schleier wahrnimmt. Diesfalls vereinbare man beim Augenchirurgen seines geringsten Misstrauens einen Termin für die Staroperation. Oder man nimmt sie tatsächlich durch einen Schleier wahr, dann haben sich die verfluchten Blaualgen ausgebreitet.
Zu ihrer Bekämpfung gibt es mehrere Möglichkeiten. Eine davon ist Gift, das allerdings nicht an jedem Fischchen spurlos vorbeigeht. Eine andere ist Verdunkelung, weil die Blaualgen Licht brauchen. Man verpflanzt die Tiere also vorübergehend in ein Ausweichquartier und verhängt einen extrem harten Lockdown über das ursprüngliche Aquarium, indem man es vollständig in Pappe hüllt. Nach einigen Wochen entfernt man diese, und sieh da, die Blaualgen sind krepiert. Man wechselt also das Wasser, angemessene Einlaufzeit, blablabla. Und irgendwann sind sie wieder da. So ähnlich, denke ich, geht es dem Allerhöchsten, so er denn existiert, mit Corona. Er macht das nicht zufleiß, aber das Biest ist einfach hartnäckiger, als man glauben möchte.
Schönes Wochenende!