Freitag, 28. Januar 2022

Gott ist Aquarianer

 

Wir leben, o vielgeliebte Lesehäschen, leider in interessanten Zeiten, nämlich im Sinne der bekannten chinesischen Verfluchung. Warum sie so bedauerlich interessant sind, darüber gibt es natürlich verschiedene Vermutungen.

Man kann zum Beispiel den Menschen die Schuld geben, und dabei freilich den Dummköpfen. Denn wir wissen ja: Das Elend der Welt rührt nicht von der Faulheit der Klugen, sondern vom Fleiß der Doofen. Dass diese Weisheit jedenfalls auf dem Mist eines Schlaukopfes gewachsen ist, der also bei der Sache etwas zu verlieren hatte, tut der Wahrheit keinen Abbruch. Auf der anderen Seite der Wahrheit steht freilich die Hoffnungslosigkeit, weil es wohl kein Mittel gibt, die Bescheuerten zur segensreichen Muße umzuschulen. In dieser Not wenden wir uns dem Transzendenten zu. Gar mancher findet in der Pandemie zurück in den Schoß der Kirche, nur um sich alsbald zu fragen, wieso Gott uns das antut?

Daran erkennt man sogleich, dass der Betreffende nie ein Aquarium gehabt hat. Mit einem Aquarium ist es nämlich so: Man richtet es ein, wobei selbst Süßwasserfische eine erstaunlich weitläufige technische Infrastruktur benötigen. (Es sei denn, man traut sich über die einst von Konrad Lorenz empfohlene zengleiche Übung eines Tümpelaquariums – quasi ein selbsttragender Schwimmteich, aber halt für die Fisch’. Die Zen-Übung besteht darin, mindestens zwei davon nebeneinander aufzustellen und identisch einzurichten, um sich dann davon überraschen zu lassen, wie völlig verschieden sie sich entwickeln.) Nach angemessener Einlaufzeit kommen die Fische hinein. Dann dauert es wieder eine Weile, die freilich sehr unterschiedlich bemessen sein kann. Ähnlich wie beim Grauen Star gibt es Glückliche, die es nie erleben. Doch bei hinreichender Dauer ist es irgendwann so weit, und man entdeckt die ersten Blaualgen. Anfangs sind es ein paar unscheinbare Fädchen, doch das ist nur eine Momentaufnahme. Bald schon sieht man seine beflossten Gefährten nur mehr schemenhaft. Nun ist der Augenblick, sich klar zu werden, ob man sie wie durch einen Schleier wahrnimmt. Diesfalls vereinbare man beim Augenchirurgen seines geringsten Misstrauens einen Termin für die Staroperation. Oder man nimmt sie tatsächlich durch einen Schleier wahr, dann haben sich die verfluchten Blaualgen ausgebreitet.

Zu ihrer Bekämpfung gibt es mehrere Möglichkeiten. Eine davon ist Gift, das allerdings nicht an jedem Fischchen spurlos vorbeigeht. Eine andere ist Verdunkelung, weil die Blaualgen Licht brauchen. Man verpflanzt die Tiere also vorübergehend in ein Ausweichquartier und verhängt einen extrem harten Lockdown über das ursprüngliche Aquarium, indem man es vollständig in Pappe hüllt. Nach einigen Wochen entfernt man diese, und sieh da, die Blaualgen sind krepiert. Man wechselt also das Wasser, angemessene Einlaufzeit, blablabla. Und irgendwann sind sie wieder da. So ähnlich, denke ich, geht es dem Allerhöchsten, so er denn existiert, mit Corona. Er macht das nicht zufleiß, aber das Biest ist einfach hartnäckiger, als man glauben möchte.

Schönes Wochenende!

Freitag, 21. Januar 2022

Lebe im Jetzt

 

Früher, o lesefreudige Häschen, gab es in der Spatzenpost die Rubrik „Wie es früher war – wie es heute ist“. Dort lernten wir zum Beispiel, dass man einst nur einen Skistecken hatte, später aber zwei, oder dass man den Herd früher mit Holz zu heizen pflegte anstatt mit Strom. So erfuhren wir werdenden Gen-Xer, dass sich die Zeiten allmählich ändern, womit der Grundstein für so etwas wie Geschichtsbewusstsein gelegt war.

Heute ist alles etwas komplizierter, weil man nicht nur wissen muss, dass sich Zeiten ändern, sondern auch, welche Zeiten. Andernfalls ist die politische korrekte Formulierung gefährdet, wie wir vor ein paar Wochen in einem Falter-Interview mit Mithyu Sanal gelernt haben. Frau Sanal, ihres Zeichens Autorin des Erfolgsromans Identitti, arbeitet an einem neuen Werk. Anders als in Identitti wird dort, so erfahren wir, nicht durchgehend gegendert, weil der neue Roman vor über 100 Jahren spielt, und damals hatte man es bekanntlich noch nicht so mit dem Glottisschlag.

Gut, dass wir das klären konnten: In historischer Szenerie darf die Sprache der Epoche verwendet werden, auch wenn sie heutigen Sensibilitätsansprüchen nicht mehr genügt.

 

Außer, es ist doch anders.

Im selben Interview erklärt die woke Autorin nämlich, welcher Schwierigkeit sich die Neuübersetzerin des schwulen schwarzen Klassikers James Baldwin gegenübersieht: Baldwin verwendet nicht selten „das N-Wort“, und das kann man natürlich in der heutigen Übersetzung nicht mehr schreiben. Denn Sanal bemerkt zwar, besagtes mieses Wort meine bei Baldwin ganz häufig einfach das, wozu wir heute „Black“ sagen würden.

Abgesehen davon, dass man sich bei der Bewertung einer Übersetzung ins Deutsche, die ein englisches Wort durch ein anderes ersetzt, an die FPÖ erinnert fühlt ("wos wor mei Leistung?"), kann man nur bedauern, dass dieser Denkschritt zwar Frau Sanal zuzumuten ist, nicht aber dem Wald-und-Wiesen-Leser, der, doof wie er ist, Baldwin wahrscheinlich so liest wie die Kronenzeitung, weil er einfach nicht checkt, dass er gerade ein Buch von früher in Händen hält. So sind Leser halt. Deshalb muss man als Übersetzerin aufpassen, dass man sie nicht zu hart triggert.

Also schenkt sich Frau Sanal zu Recht das Gendern, wenn sie über das Fin de Siècle schreibt, damit ihre Leser sich so richtig in die schlechten genderfreien Zeiten hineinfühlen können. Wenn aber Baldwin ins Deutsche übersetzt wird, wird „das N-Wort“ eventuell zu weichen haben, auf dass man den Autor in seiner ganzen historischen Bedeutung genießen könne, ohne sich der Historie bewusst sein zu müssen.

Als Desiderate für künftigen triggerfreien Kulturgenuss bleiben eine bereinigte englischsprachige Ausgabe von Baldwins Werken (warum soll es den Originallesern schlechter gehen als den Übersetzungskonsumenten) sowie, man will ja nicht immer nur lesen, eine Nachsynchronisation sämtlicher vor 2015 gedrehter Filme. Man kann uns ja nicht umfassend genug vor unangenehmen Erlebnissen schützen, die aus unserer eigenen Geschichtsentfremdung erwachsen. Ausgenommen natürlich, wenn wir das neue Buch von Frau Sanal lesen. Was das alles für die Spatzenpost bedeutet, mögen Eltern von Volksschülern berichten. Schönes Wochenende!

Freitag, 14. Januar 2022

Anders überlegt

 

Er hat, o teure Lesehäschen, das alles nicht so gemeint. Nämlich unser vielgeliebter Ex- und Altbasti, als welcher nun seine wahre Bestimmung gefunden hat, nämlich, für Lex Luthor den Reserveexpolitiker zu geben. Es ist ja nichts dabei, wenn man seine Meinung ändert, die Prioritäten im Leben bleiben auch nicht immer dieselben, und zwischen einem unschuldigen „darf ich ein Eis?“ und einem resignierten „Hauptsache, gesund!“ ist Platz für gar manchen Sinneswandel.

Wir erinnern uns: Anfang Dezember erklärte unser Lieblingskurz, dass seine Leidenschaft für Politik nur mehr glose anstatt zu lodern. Außerdem wolle er sich nunmehro ganz der Familie widmen, weil so ein Konstantinbauxerl einfach das Schönste auf der Welt sei.

Nicht lang, und es kam der alljährliche Sonderfalter heraus, der unter dem Titel Geilzeit die heilige Kurzfamilie zeigte. Allgemein war man der Ansicht, dies sei kein Meilenstein des guten Geschmacks, weil die Designabteilung der Frau Thier einen gemalten Busen anmontiert hatte. Die feine satirische Klinge wurde hier jedenfalls nicht geführt, der Humor bewegte sich eher auf dem Niveau jener Sperrholzwände, wo vorne ein Esel aufgemalt ist. Jedoch hat die Planke anstelle des Eselskopfes ein Loch, durch das man den eigenen Plutzer stecken kann, zum Gaudium des Publikums. So kam die Exkanzlergefährtin (nicht: Kanzlerexgefährtin) zu einer nackten Brust in Öl, was wohl nicht jedermanns Sache ist.

Die Frage ist aber: Ist der wahrscheinlich bedauernswerten Frau Thier eine derbere Verarsche von jenem Grafiker widerfahren, der ihr Antlitz in ein barockes Gemälde gepflanzt hat, inklusive Nippelblitzer? Oder doch von jenem Lebensgefährten, der ganz Österreich und damit auch ihr weisgemacht hat, er wolle sich verstärkt der Familie widmen, um dann einen Pendlerjob in Kalifornien anzunehmen?

Möglicherweise übersiedelt man ja geschlossen in den Golden State. Euer Ergebener würde, wenn man es sich aussuchen kann, ein Kind eher in einer Gegend großziehen, wo es keine Waldbrandsaison gibt, aber Geschmäcker und Watschen sind bekanntlich verschieden.

Doch bleiben weitere Fragen offen. Als Eva Glawischnig einst aus der Politik zu Novomatic wechselte, übernahm die Tagespresse die Agenturmeldung 1:1, weil die Satire der Realität nichts mehr hinzuzufügen hatte. Sie wiederholte diesen Schritt nicht, als bekannt wurde, dass Kurz sein segensreiches Wirken in den Dienst Peter Thiels zu stellen gedachte. Das leuchtet ein, weil bei Glawischnig alle überrascht waren, während man bei Kurz nur versonnen nicken kann: Plötzlich ergibt alles einen Sinn.  

Wahrscheinlich hat sich noch keiner die Macht im Staat mit größerer Zielstrebigkeit gesichert und wusste dann weniger damit anzufangen als Kurz, abgesehen davon, seine Schäfchen und die seiner Haberer ins Trockene zu bringen. Das kann ja nicht alles im Leben gewesen sein! So dachte Sebastian mit Recht. Kein Wunder, dass in seinem Herzen die Flamme für die Politik erloschen ist. Und noch weniger Wunder, dass er sich nun der hehren Aufgabe widmen wird, die Demokratie, dieses überkommene Graffelwerk, endlich plattzumachen. Denn dies ist schließlich das Ziel seines neuen Brötchengebers. Wir wünschen dem kleinen Sebastian viel Glück auf seinem Lebensweg. Denn wahrscheinlich haben wir es nicht anders verdient.

Schönes Wochenende!

Freitag, 7. Januar 2022

Nicht so schlimm

 

Das Gute an Neujahrsvorsätzen, o prinzipientreue Lesehäschen, ist, dass spätestens ab Mitte Februar so oder so kein Hahn mehr danach kräht. Wirst du schwach, weißt du dich in möglicherweise guter, jedenfalls aber zahlreicher Gesellschaft. In der Vorsätzeszene sind die zu Neujahr so etwas wie Mathe in der Schule: Es gehört geradezu zum guten Ton, sie nicht auf die Reihe zu kriegen. Brrr, Mathe war ich auch total schlecht, ja, hihi, gell? Euer Ergebener fand Mathe, ehrlich gesagt, ganz okay und war zwar offensichtlich nicht für eine Mathematikerkarriere prädestiniert, aber für eine vorzeigbare schriftliche Matura hat es gereicht.

Früher, so scheint es mir, musste man skifahren können, um in Österreich was zu werden. Am Lift, auf der Hütte oder zumindest beim Fachsimpeln kam man sich näher. Da aber die Klimakrise den Wintersport allmählich in immer lichtere Höhen treibt, behilft man sich mit mathematischer Ahnungslosigkeit, um eine gemeinsame Basis mit Wildfremden zu finden. Wahrscheinlich liegt es daran, dass hierzulande das Vertrauen in die Wissenschaft besonders gering ist. Umgekehrt wird niemand, der mit beiden Erfahrung hat, bestreiten wollen, dass die Qualitätssicherung im Bereich der Skischulen immer schon weit besser funktioniert hat als in der Schule ohne Ski, was auch einleuchtet, weil man nur erstere den Fremden verkaufen kann.

Doch wir schwiffen ab, zurück zu den Neujahrsvorsätzen. Da mit einer erfolgreichen Einhaltung, wie gesagt, nicht zu rechnen, ja von dieser sogar abzuraten ist, weil man andernfalls gesellschaftliche Ächtung riskiert, gilt es sie sorgfältig zu wählen, so wie die berüchtigten Abschussideen, für die sich der Kunde bekanntlich besonders gern entscheidet. Da man sich mit schlechten Abschussideen den Ruf beschädigt, liefere man stattdessen zu teure. Ähnliches gilt für die Neujahrsvorsätze: Es wäre schade, die so ersprießliche Raucherentwöhnung oder den vermehrten Sport Anfang Jänner zu verheizen, da wird sowieso nix daraus. Viel gescheiter, man nimmt sich ein Beispiel an der Werbung und fasst Neujahrsvorsätze, deren Einhaltung zwar ein hohes Maß an Disziplin erfordert, die aber eigentlich wurscht sind. Geeignet sind zum Beispiel:

Endlich Auf der Suche nach der verlorenen Zeit lesen.

Endlich den Dachboden beziehungsweise den Keller aufräumen (keinesfalls beide im selben Jahr, das kauft euch niemand ab).

Endlich das Pensionskonto prüfen.

Et cetera.

Wem gar nichts einfallen will, woran man scheitern könnte, um sich von anderen schwachen Seelen angenehm verstanden zu fühlen, der nehme sich vor, endlich Mathe zu lernen.

Schönes Wochenende!