Freitag, 25. März 2022

Die richtige Art, Perlen zu kombinieren

 

An dieser Stelle, o teure Lesehäschen, gedachte euch euer Ergebener ein wunderhübsches Feedback zu präsentieren. Doch kann man nicht immer, wie man gern wollte, eingedenk der Weisheit, dass ein Kluger, den du auf einen Fehler hinweist, sich bei dir bedanken wird, während ein anderer vielleicht anders reagiert. Deshalb lassen wir das mit dem Feedback lieber und kuscheln uns zur Märchenstunde zusammen. 

Es war nämlich einmal ein armer Perlentaucher, der lebte am Meer. Allmorgendlich erhob er sich vor Tau und Tag von seinem harten Lager, nahm ein karges Frühstück zu sich, wenn er eines hatte, und sprang dann von den Klippen, um zu den Austern hinabzutauchen, freilich nicht ohne sich zuvor dick mit Vaseline einzucremen, das ist sonst nicht gut für die Haut.

Den lieben langen Tag tauchte er hinab und wieder auf, brach die scharfkantigen Austern los und holte sich gar manche tiefe Schramme dabei. Selten genug wurde er mit einer brauchbaren Perle belohnt. Die sammelte er in einem Beutelchen voller Hoffnung.

So ging manches Jahr ins Land, und der arme Perlentaucher wurde nicht reicher dabei. Doch gab er nicht auf, und eines Abends war es so weit: Er hatte genügend Perlen beisammen, um daraus eine ansehnliche Kette zu fertigen. Also setzte er sich hin, nahm die längst vorbereitete Schnur zur Hand und fädelte die Perlen eine nach der anderen auf. Wenn man drüber nachdenkt, war es ein bisschen so, wie wenn einer etwas schreibt und einen Satz nach dem anderen zu Papier bringt. Doch das nur nebenbei.

Schneller als gedacht (so richtig Übung hatte er ja nicht in so etwas, mangels Perlen) war die Perlenschnur vollendet. Er ließ sie durch seine Finger gleiten, betrachtete sie stolz, legte sie sich sogar für einen Augenblick selber um den Hals – nein, das war nichts.

Nun machte er sich auf in die nächste Stadt, um den Ertrag langer Arbeit zu Geld zu machen. Er betrat das Geschäft des einzigen Juweliers, der ihn zunächst misstrauisch ansah, sich aber beruhigte, als er erfuhr, dass der abgerissene Kerl etwas zu verkaufen wünschte. Der Juwelier ließ sich die Perlenkette zeigen, deren Perlen immer noch aufgefädelt waren wie geordnete Sätze in einem Text. Dann rümpfte er ein bisschen die Nase und sprach: „Die wirken aber sehr aneinandergereiht.“

Ja, so war die Geschichte von dem armen Perlentaucher, die absolut nichts mit einem kürzlich stattgehabten Feedback zu tun hat, in dem übrigens auch keineswegs behauptet wurde, die Wendung, Dinge, mit denen sei umgangssprachlich.

Schönes Wochenende!

Freitag, 18. März 2022

Trennungsschmerz

 

Es kommt, o teure Lesehäschen, immer darauf an, mit wem man sich einlässt. So lange ist es gar nicht her, da hattest du – wer erinnert sich noch? – plötzlich einen „Babyelefanten“ vor dir stehen, wenn du auf Sebastian gehört hast. Was natürlich die Frage aufwirft, ob Konstantin ein Babymensch, ein Menschenbaby oder noch etwas anderes ist. So ähnlich ist es, was keinen überraschen wird, bei den Wörtern. Auch für sie macht es einen Unterschied, ob sie brav Abstand halten oder ob Kampfkuscheln angesagt ist. Bei der Groß- und Kleinschreibung weiß man ja, wie wichtig die ist, wobei wir uns mit Schwachheiten wie „der gefangene floh“ nicht aufhalten müssen, denn wenn man anfängt, sich einen Kontext auszumalen, in dem das nicht eh klar ist, wird man nicht fertig damit. Schlagendere Beispiele hat sogar das Englische zu bieten, das ja bekanntlich mit Großbuchstaben nicht so freigebig ist. Wenn dir aber deine Freundin schreibt i helped my uncle jack off a horse, dann wirst du wahrscheinlich inständig hoffen, dass hier außer dem i noch ein Wort fälschlich kleingeschrieben wurde.  

Auch bei der Getrennt- und Zusammenschreibung sollte man wissen, was man anstellt. Dies zeigt das Feedback der Woche. Denn euer Ergebener hatte geschrieben: Wer weiter reicht, erreicht mehr. Zurück kam die Frage: Was reichen wir weiter? Deshalb hier wieder einmal eine serviceorientierte Mitteilung, damit in Zukunft alles paletti läuft.

Also: Verben sind promiskuöse kleine Viecher, die sich bald einmal mit etwas paaren, das ihnen über den Weg läuft. So mit Substantiven (bergsteigen), mit Partikeln (aufgeben, zwischenlagern), mit Adverbien (zusammenschreiben) und so weiter. Da nehmen es die Verben nicht so genau. Manchmal bleibt die Geschichte aber platonisch. Das merkt man daran, dass dabei kein neues Wörtchen entsteht. Denn wenn wir etwas zusammen schreiben, dann sind wir nachher entweder beide stolz auf unser Werk, oder, was wahrscheinlicher ist, nur einer von uns hat etwas geschrieben, aber die Einser fürs gelungene Bioreferat holen wir uns beide ab. Wichtig ist aber: Wir waren zusammen, und wir haben geschrieben. Dabei ist kein „zusammenschreiben“ in die Welt gekommen.

Wenn wir hingegen etwas zusammenschreiben, dann deshalb, weil die neue Verbindung mehr ist als die Summe ihrer Teile. Man kann etwas klein schneiden oder kleinschneiden, am Schluss kommen jedenfalls Zwiebelwürfelchen heraus. Wenn man hingegen etwas großschreibt, dann bringt man wahrscheinlich genau so viele Buchstaben auf einer Seite unter, sie sehen aber anders aus. Deshalb wird hier zusammenschreiben jedenfalls zusammengeschrieben – was es bedeutet, erschließt sich nicht unmittelbar aus der Bedeutung seiner Einzelteile.

Im Feedback der Woche ist es natürlich noch ein bisschen komplizierter zugegangen, indem das Adverb weiter mit der Steigerung des Adjektivs weit verwechselt wurde. Wenn du weiter reichst, hast du längere Arme. Etwas weiterreichen kannst du sogar, wenn du ein längst ausgestorbener Tyrannosaurus rex bist. Ein frisch geschlüpfter T-Rex war übrigens noch ein ganzes Eckhaus kleiner als ein frisch geworfener Elefant, weshalb er in der Pandemie keinen Auftrag hatte. Schönes Wochenende!

 

Freitag, 11. März 2022

Was zu feiern


 

Zappen ist, o bildungsbeflissene Lesehäschen, ja  meistens Zeitverschwendung. Bisweilen aber (vorausgesetzt, das Zweckdichterbalg hat nichts mitzureden, denn dann ist Zappen keine Überraschungstüte, sondern nur ein Umweg zu Home & Garden TV), bisweilen also kommt einem etwas unter, was man ohne Zappen nicht erfahren hätte. Nämlich gibt es seit Jahrzehnten praxistaugliche Kunstherzen. Die werden Leuten eingesetzt, um die Wartezeit auf ein Spenderherz zu überbrücken. Blöd ist, und jetzt kommt die Frucht des Zappens, wenn man eine Frau ist. Denn die Herzerzeuger nehmen als Standardpatienten einen Mann von ungefähr einsachtzig und ungefähr 85 Kilogramm an. Wenn man schmaler gepickt ist, hat so ein Kunstherz eventuell im Brustkorb keinen Platz und es bleibt einem nur der Notausgang aus dem Leben. Erst jetzt kommen kompaktere Modelle auf den Markt. Einem alten, weißen Bosnigl wie eurem Ergebenen drängt sich hier natürlich die Frage auf, wie die Gendertheorie dazu steht, für die das biologische Geschlecht ja lediglich ein Konstrukt ist, und ob Judith Butler, wenn sie, was Gott verhüten möge, in die Lage käme, aus Platzmangel dem Tod ins Auge zu sehen, sich halt einen geräumigeren Thorax herbeiperformieren würde.

Wie wir alten Dekonstruktivisten wissen, geht es bei solchen Dingen um die sogenannte Performativität des Sprechens. Das Sprechen selbst bringt gleichsam den Sprecher hervor, wenn es oft genug geschieht. Oder so ähnlich, das Interessante am Dekonstruktivismus ist ja, dass er immer eine Frage mehr zu stellen vermag, als man Antworten findet. Es sei denn, man ist Judith Butler, dann hat man irgendwann in Dekonstruktivismus gewonnen. Davon zu unterscheiden ist die Performanz. Sie zeigt sich in Äußerungen, die Realität schaffen. Wenn dir der Richter zum Beispiel fünf Jahre aufbrummt, ist das eine performante Äußerung, weil du dann einsitzen gehst.

Weniger dramatisch, und damit sind wir endlich bei den Feedbacks der Woche, geht es zu, wenn sich jemand etwas ausdenkt. Erstens gibt es nämlich einen neuen Feiertag: Euer Zweckdichter entbrach sich kürzlich eines Satzes, in dem das Wort „Weihnachtsgrüße“ vorkam. Dieses verwandelte sich im Dienstweg des Feedbacks in ein viel besseres Wort, die Unternehmensgrüße. An welchem Tag wir Unternehmen feiern, bleibt noch zu klären, ebenso wie die Frage, ob wir einander frohe, fröhliche, besinnliche oder einfach schöne Unternehmen wünschen werden. Hauptsache frei!

Das zweite Meisterfeedback betrifft die Frage, wie man Kunden lockt. Antwort: Man preist die Vorteile dessen an, was man zu bieten hat. Am besten übersichtlich aufgelistet, wenn es mehrere sind. In einer solchen Liste fehlte dem Feedbackspender ein Wort, das er denn auch hineinurgierte: das Wort Einschränkung. Das leuchtet ein, denn wer von uns hätte sich nicht schon beim Überfliegen diverser Angebote gedacht: „Oha, hier kann ich mir eine Einschränkung holen! Wo unterschreibe ich?“ Jaja, so sind die Menschen. Schönes Wochenende!

Freitag, 4. März 2022

Ordentlich

 

Soll man, o bisweilen schon fast unheimlich ordnungsliebende Lesehäschen, überhaupt aufräumen?

Die Meinungen gehen dazu bekanntlich auseinander, wobei die San-Andreas-Verwerfung ebenso bekanntlich zwischen eher Teenagern und eher alten Säcken verläuft. Die einen sind der Ansicht, dass Aufräumen vergebene Liebesmüh’ sei, weil man die Sachen ja sowieso irgendwann wieder braucht. Deshalb kann man sich die Arbeit sparen, sie in Schränke und Laden zu schlichten. Stattdessen lässt man sie einfach griffbereit fürs nächste Mal liegen und hat zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen.

Diesem Argument kann man sich schwer verschließen, vorausgesetzt, es sind ausreichend Quadratmeter vorhanden, um alles auszustreuen. Wenn die Hügelbildung einsetzt, zieht das Griffbereitschaftsargument natürlich nicht mehr.

Doch vorausgesetzt, dass jedes Glumpert seine horizontale Fläche findet und dazwischen noch Pfade freibleiben, die einen auch zu seltener benützten Besitztümern führen (Nudelmaschine, Frackweste, Osterlammbackform – diese Sachen), zahlt sich das Aufräumen aus?

Natürlich nicht. Man tut es nur für die Nachwelt, also die undankbare Brut, die zu faul ist, um auch nur das geringste bisschen Ordnung zu halten, doch eines Tages wird das alles dir gehören. Man tut es, um vor den Erben damit anzugeben, dass man nicht nur so viel Glumpert angehäuft hat, sondern auch noch die nötige Muße besaß, es zu kategorisieren.

Wer also vor der Entscheidung für oder gegen das Aufräumen steht, der muss nur die eingangs gestellte Frage beantworten, ob es genügend Fläche hat, um alles nebeneinander auszubreiten. Die Steinzeitmenschen haben nie aufgeräumt, weil für ein paar Faustkeile überall Platz ist und weil neben Jagen, Sammeln und ein bisschen Höhlenmalerei nach Feierabend auch gar keine Zeit mehr dafür blieb. Vielleicht sollten wir das Genießerprinzip der Aufräumguruette Marie Kondo („macht es mich glücklich?“) überwinden und, so wie in der Ernährung schon längst, den Paleo-Zugang neu zu entdecken: „Ist dafür Platz?“ Denn es gibt entweder zu viel Glumpert oder eine zu kleine Höhle, niemals aber die Notwendigkeit, aufzuräumen.

Und was ist mit dem Feedback der Woche? Na klar gibt es eines: Euer Ergebener verbrach ungefähr die Worte: Die Gebissbox hilft Ihnen, Fleisch- und Gemüseprothesen getrennt zu halten. Abholbereit sind Ihre Gebisse rund um die Uhr. So bleiben Sie jederzeit flexibel.

Man sieht sogleich, wo es hier hakt: Der Leser muss drei Sätze hintereinander aufnehmen, kauen, schlucken und verdauen. Außerdem brauchen wir mehr Ballaststoffe in Gestalt von Substantiven. Die Lösung kann nur lauten:

Die Gebissbox hilft Ihnen, Fleisch- und Gemüseprothesen getrennt zu halten und ermöglich Ihnen eine flexible, diskrete Abholung Ihrer Gebisse rund um die Uhr.

Man sieht also: Auch beim Texten kann man sich viel Arbeit sparen, wenn man einfach alles auf den Boden kippt. Wer etwas braucht, wird es schon aufklauben. Schönes Wochenende!