Freitag, 26. Juli 2024

Farbe

Es ist nun, o resignierte Lesehäschen, offiziell. Erstens ist Breakdance olympisch, Poledance aber nicht. Was bitte soll das? Ich orte hier eine höchst verwerfliche Diskriminierung von Menschen, die bei ihrer rhythmischen Gymnastik dem Ball eine Stange vorziehen, von dem lächerlichen Stäbchen mit der Stoffbahn dran ganz zu schweigen. Das ist nicht die Zukunft, die uns versprochen wurde, damals,  als alles immer besser wurde.

Weiters hat Deutsch resigniert. Es ist nämlich nicht mehr statthaft, für eine bestimmte Gruppe von Menschen das Adjektiv „farbig“ oder, auf Englisch, „colored“ zu verwenden. Dies deshalb, weil die Wörter kolonial und damit rassistisch belastet sind, da sie ursprünglich dazu dienten, die weniger geschätzten so bezeichneten Leute von den angeblich wertvolleren Farblosen und also Weißen zu unterscheiden.

So weit, so ungut. Die Lösung aber ist sonderbar. Sie lautet nämlich: „People of Color“. Das darf man vollrohr sagen, weil die „Leute von Farbe“ im Unterschied zu „Farbigen“ klarerweise nicht rassistisch sind, obwohl der eine Begriff ebenso auf die unterschiedliche Pigmentierung ihrer Haut reflektiert wie der andere.

Es dürfte hier dieselbe Logik regieren, die auch schon die „Armen“ abgeschafft und durch „Armutsbetroffene“ ersetzt hat, wie hieramts vor Jahren dargelegt. Denn es gilt jene, die bloß keine Kohle haben, von den anderen zu unterscheiden, denen diese Tatsache zu schaffen macht. Die „Reichen“ hingegen sind, wie das Wort unschwer erkennen lässt, immer schon selber schuld, da es keine „Reichtumsbetroffenen“ gibt.

Resigniert hat das Deutsche, da die „People of Color“ sich offenbar auf Deutsch nicht mehr sinnvoll und beleidigungsfrei bezeichnen lassen. „Leute mit Farbe“ ist, mit Verlaub, strunzdoof. Leute mit Farbe sind entweder Maler oder welche, denen öfters mal das Rouge auskommt.

Und die „Leute von Farbe“ sind, so wie „Leute von Geschmack“ oder „Leute von Stand“ oder gar „Leute von heute“, formulierungstechnisch dermaßen von gestern, dass man angesichts ihrer unwillkürlich nach dem Riechfläschen greift und natürlich keines findet, weil heutzutage nur noch US-Spitzensportler in Hockey und Football die segensreiche Wirkung des Riechsalzes zu schätzen wissen (ja, echt, behauptet zumindest Wikipedia). Wir begrüßen also ein neues Fremdwort und fragen uns ganz fest nicht, worin sein Sinn liegen könnte.

Schönes Wochenende



 

Freitag, 19. Juli 2024

Wie wenn

 

Metaphern sind das Salz der Sprache, nicht wahr, o rhetorisch gewandte Lesehäschen? Eine geglückte Metapher ist wie ein frisch geschlüpfter Käfer, an dem alle Gliedmaßen dran sind, wie ein perfekter Schwung auf dem Snowboard oder ein Schnitzel, dessen Bröselhemd sich sanft vom Fleische löst.

Andere sind freilich eher so, wie wenn man beim Billa an der Kasse mit der ecard zu zahlen versucht. Denn es kommt bei den Metaphern wie im Leben auch darauf an, den richtigen Abtand zu halten. Wenn eine Metapher zu nah an der Wahrheit ist, wird es zwar nicht so unangenehm, wie wenn dein Chatverlauf plötzlich öffentliches Interesse auf sich zieht. Aber  es könnte besser laufen.

Das gute Beispiel zur schlechten Metapher lieferte diese Woche der Falter in einer Geschichte über die gewaltbereiten jungen Syrer und Tschetschenen, die sich inzwischen bei Gelegenheit nicht nur in die Goschen hauen, sondern auch stechen (wenn nicht gar schießen). Folgerichtig stand zu lesen:

Hier munitionieren sich Jugendliche mit Messern und möglicherweise mit Schusswaffen auf.

Leider nein. Das Interessante an der Munition ist, dass sie irgendwann aufgebraucht ist. Sonst müsste man sie ja nicht bevorraten. Mit Messern würde man sich also höchstens aufmunitionieren, wenn es sich um Wurfmesser handelt. Und dass die Schusswaffen etwas anderes sind als die Munition, versteht sich.

Anders läge die Sache, wenn man sich mit Schwedenbomben oder Tintenpatronen aufmunitionierte. Da stimmt die begriffliche Sphäre, und beide sind weg, wenn man sie benützt hat. Doch sich mit einem Messer aufzumunitionieren ist ein bisschen so, als holte man sich Hühner ins Bett, um mit ihnen aufzustehen.

A propos Schusswaffen: Bekanntlich wurde auf Herrn Trump geschossen, und zwar glücklicherweise daneben. Aller Voraussicht nach dürfte ihm das zusätzliche Wählerstimmen bringen. Das ist insofern bemerkenswert, als er schon in seinem ersten Wahlkampf erklärt hat, er könnte in aller Öffentlichkeit auf jemanden schießen, ohne deshalb Stimmen einzubüßen. Offenbar verbessert jeglicher Schusswaffengebrauch Trumps Chancen, ob er schießt oder das Ziel ist. Dieses Ungleichgewicht könnte Biden höchstens wettmachen, indem er selbst auf Trump schösse. Nicht umsonst wurde höchstgerichtlich festgestellt, dass der Präsident für alles, was er in seiner Eigenschaft als Präsident tut, Immunität genießt. Schönes Wochenende!

Freitag, 12. Juli 2024

Feldoberwebel

 

Mit der Wortbildung ist es ja so eine Sache. Wenn sich zum Beispiel zwei Hauptwörter ganz, ganz liebhaben, kann aus dem Rasen und dem Mäher ein Rasenmäher entstehen, wobei das hintere Wort sagt, was abgeht, und das vordere, wo oder warum. Der Bürgermeister erklärt den Bürgern meisterhaft, wo es langgeht, der Club, in dem sich Gleichgesinnte zusammenfinden, ist der Swingerclub, und so weiter. Klappt wie von selbst, und zwar umso leichter, als sich Substantive nicht nur miteinander, sondern auch mit anderen Wortsorten verstehen. So ist der Zucker mit mehr Gelb drin der Gelbzucker, der Nächsthöhere vom Inspektor ist der Oberinspektor, und wenn du vom Rasenmäher genug hast, holst du dir ein Verb und einen Mähroboter. Gewiss geht das auch euch sprachgewandten Lesehäschen wie von selbst von der Hand. Man darf sich nur nicht zu viele Gedanken darüber machen.

Leider gibt es aber das Internet, und damit kommen wir zu Regel 35. Regel 34 ist ja allseits bekannt: If it exists, there is porn of it. Wie man hört, ist diese Regel so wahr, dass sich so manche Kindheit nicht mehr im selben warmen Licht der Verklärung präsentieren will, seit jemand leichtfertig einen einschlägigen Link geklickt hat.

Regel 35 ist nicht so gefährlich, sie sagt uns: Für alles gibt es jemanden, der sich zu viele Gedanken darüber macht. So stellte jemand die Frage, ob es statt „Oberpostinspektor“ nicht vielmehr korrekterweise „Postoberinspektor“ heißen müsste.

Einmal davon abgesehen, dass es heute weder in Deutschland noch in Österreich tatsächlich „Oberpostinspektor“ heißt, schob er auch gleich noch die tragische Anekdote von einem Postinspektor der Nazizeit nach, der ob seiner Beförderung hartnäckig herummotzte, kein Oberpostinspektor, sondern ein Postoberinspektor sein zu wollen, weil es keine „Oberpost“ gebe, wofür er alsbald an die Ostfront weiterbefördert wurde.

Naja.

Auf den ersten Blick könnte man beinahe in Versuchung geraten, dem Betreffenden in sein Kaninchenloch hinabzufolgen. Schließlich mutet es sinnvoller an, einen „Oberinspektor“ durch das Voranstellen der Post genauer zu definieren, als sich einen Bindestrich an der richtigen Stelle vorstellen zu müssen, weil ja das „ober“ tatsächlich zum Inspektor gehört.

Jedoch: That way madness lies. Wer so anfängt, muss in Ermangelung eines Unterstaats auch Staatsuntersekretäre ernennen. Und wer so anfängt und in Deutschland wohnt, wird sogar dem Bürgerobermeister nicht ausweichen können, weil unsere nördlichen Nachbarn bekanntlich keine Bezirksvorsteher kennen und deshalb jemanden brauchen, der noch wichtiger ist als ein Bürgermeister. Lediglich den Hinterradantrieb dürften wir behalten, weil es hier tatsächlich wichtiger ist, welche Räder angetrieben werden als dass überhaupt Räder Drehmoment zugeteilt bekommen.

Deshalb: Augen auf beim Logikeinsatz. Wer zu scharf nachdenkt, kann sich dran schneiden. Schönes Wochenende!

Freitag, 5. Juli 2024

Physik


Schrödingers Katze ist euch, o naturwissenschaftlich ausgeschlafene Lesehäschen, natürlich bestens vertraut: Die Katze befindet sich in der Kiste und ist weder tot noch lebendig, bis man hineinschaut.

Verwandt sind ihr, wie uns ein Meme lehrt, Schrödingers Migranten, die uns Autochthonen die Jobs wegnehmen und dabei fett Sozialleistungen fürs Nichtstun kassieren. Dazu passen Schrödingers Kassenärzte, die euer Ergebener kürzlich entdeckt hat, nämlich in einem Falter-Artikel zur medizinischen Versorgung. Dort hieß es: „Ein Kassenarzt hat zehn bis 20 Patienten pro Stunde, ein Wahlarzt vier bis fünf.“

Man liest es und denkt sich: Jaja, die Kassenärzte müssen schon schauen, dass sie auf ihren Schnitt kommen, bei dem bisschen, dass die Kasse zahlt.

Naja. Mal abgesehen davon, dass dem Artikel zufolge Kassenärzte im Schnitt über 50 % mehr verdienen als Wahlärzte, sollten wir kurz in uns gehen und uns folgende Frage stellen:

Wann haben wir zuletzt das Wartezimmer eines Kassenarztes betreten, dort zehn (oder gar 20) bereits Wartende vorgefunden und uns gedacht: Super, in einer Stunde bin ich dran?

Das ist also Schrödingers Kassenarzt: Er fertigt Patienten im Fünfminutentakt ab, aber nur, solange man selbst nicht hingeht. Dann widmet er sich einem jeden Leidenden mindestens viermal so lang.

Ja, auch dem Zweckdichter ist klar, dass Kassenärzte ihre Patientenscharen nicht aus Geldgier rasch behandeln, sondern weil sie halt müssen. Und dass zu den mindestens zehn Patienten pro Stunde auch jene gehören, die sich von der Sprechstundenhilfe ein Rezept holen oder dieses per E-Mail anfordern und auf die Karte gebucht bekommen.

Damit kommen wir zu Schrödingers Gast. Mit ihm bekommst du es zu tun, wenn du den Fehler machst, in einem Lokal essen zu wollen, dessen Erzeugnisse sich besonders gut zum Mitnehmen eignen. Schrödingers Gast ist nicht zugegen, bis du hungrig wirst. Du betrittst die, sagen wir, Burritoschmiede und freust dich, dass nur zwei Esser in spe vor dir warten, dass ihnen köstliche Flade mit was drin werde.

Nach einer Weile kommst du aber ins Grübeln: Wie kann es sein, dass drei Burritofachkräfte ständig Burritos bauen, während die beiden Hungrigen vor dir immer noch warten? Das liegt an Schrödingers Gästen, die zu faul sind, um das Haus zu verlassen, und sich ihre Labung deshalb liefern lassen. Sie kommen alle vor dir dran. Denn du warst doof genug, extra herzukommen, während ihnen klar ist, dass Google-Rezensionen lieb sind, dass aber Bestellwillige wahrscheinlich gleich die Bewertungen auf Foodora oder was immer gerade der Lieferdienst du jour ist, checken. Das wissen auch die Lokalbetreiber, deshalb musst du warten. Der Lieferdienst, und damit kommen wir zum Schluss, wird jedenfalls einer sein, der eine Flotte von Elektromopeds betreibt, deren jedes die Aufschrift Ich bin ein Fahrrad trägt. Nein, bist du nicht. Sonst hättest du Pedale. Du bist so sehr ein Fahrrad, wie dünne Zucchinistreifen Nudeln sind. Schönes Wochenende!