Man soll, o teure Lesehäschen, den Leuten gut zuhören, dann erfährt man etwas über sie. Weil es aber aufgrund seiner rhetorischen Inselbegabung sehr anstrengend ist, dem Herrn Bundeskanzler zuzuhören, kann man stattdessen „Zur Sache“ lesen, was, wie männiglich bekannt, der nagelneue offizielle Blog des ÖVP-Parlamentsklubs ist und nach Aussage seines Chefredakteurs zur Versachlichung der politischen Debatte beitragen soll. Der Herr Chefredakteur hat einstweilen nur einen einzigen Schackl unter sich, den 23-jährigen Peter Stöckl, der sich mit seinen „Erfahrungen aus (Vorzugsstimmen-)Wahlkämpfen, politischen Kampagnen und der jungen Volkspartei“ optimal für sachlichen Journalismus qualifiziert hat. Das beweist zum Beispiel sein Artikel um die Frage, wann die Wirten wieder aufsperren dürfen. Der Titel ist wundervoll, denn er lautet: Öffnung ist fix. Offen ist wann.
Die graziöse Doppelung von „Öffnung“ und „offen“ lässt eine
freundliche Fata morgana vor uns erstehen von einem überschäumenden Krügel, an
dem die Luftfeuchtigkeit gar verheißungsvoll kondensiert. Möglicherweise auch
eine weniger freundliche, die sich von diesen Sätzen an das englische Sprichwort
erinnert fühlt, dass Meinungen wie Arschlöcher sind: Jeder hat eins, weshalb zumindest
die Körperöffnung fix ist, auch wenn die Öffnung der Gastronomie vorerst ebenso, nun
ja, offen bleiben muss wie möglicherweise das einschlägige Organ bei ÖVP-Mitarbeitern, die sich gehalten sehen, die Diskussion zu versachlichen.
Wenn man wieder zu sich kommt und überlegt, was da
eigentlich drinsteht, stellt man leider fest, dass nur eines fix ist, nämlich,
dass noch nix fix ist. Möglicherweise handelt es sich auch um den Dialog
zwischen übertrieben optimistischem Gastronomiefunktionär: „Öffnung ist fix!“, dem der Möchtegerngast freudig erwidert: „Offen ist wann?“, worauf der Funktionär
keine Antwort weiß. (Am Tag nach der Veröffentlichung dürfte sich der Chef den
Artikel angeschaut haben, weshalb die Headline nun anders lautet, was kein
Wunder, aber doch bedauerlich ist.)
Wer weiterliest, stellt fest: Wo Peter Stöckl hinschreibt, wächst kein Gras mehr. So weiß er zu berichten, warum es im Dezember gescheiter war, die Lokale geschlossen zu halten: „Damalige Berechnungen […] ergaben, dass sich privat weniger Menschen anstecken würden, als wenn man die Lokale geöffnet hätte.“ Anscheinend hat man nicht nur die Lokale, sondern auch die Privatwohnungen geschlossen, da im Hinblick auf beide der Konjunktiv zu stehen kommt. Pass auf, Peter, so wird ein Schuh draus: „… dass sich privat weniger Menschen ansteckten, als wenn man die Lokale geöffnet hätte.“ Gleich darauf zeigt Herr Stöckl, dass er den Finger am Puls der Zeit hat, denn er apportiert nicht etwa bloß „aktuelle Berechnungen“, nein, er hat „die aktuellsten Berechnungen“ parat. Das ist sogar dem Chefredakteur durchgerutscht, der noch nicht behirnt hat, dass, wenn gestern etwas aktuell war und heute etwas Neues dazukommt, das Aktuelle von gestern es heute nicht mehr ist, weshalb aktuell sich ebenso sinnvoll steigern lässt wie schwanger.
Aus dem letzten Absatz erfahren wir endlich, warum zwar die Öffnung fix ist, aber nichts, was dazu beitragen könnte: Schwierig machen die Berechnungen die derzeit wieder leicht steigenden Zahlen. Man muss nicht Mathematik studiert haben, um verständnisvoll zu nicken: Das Rechnen könnte so einfach sein, wenn die lästigen Zahlen nicht wären! Dass es auf die Entwicklungen der nächsten Tage an[kommt], wie Nachwuchshoffnung Stöckl abschließend bemerkt, wird ihm hoffentlich keine Scherereien mit Onkel Anschober eintragen, der ja alles gepachtet hat, was irgendwie darauf schließen lässt, dass „die nächsten /hier Zeitspanne eintragen/ entscheidend sein“ werden.
Also, ihr zwei von Zur Sache, viel Glück! Das hat ja super angefangen, wir schauen sicher wieder vorbei. Schönes Wochenende!