Donnerstag, 21. Dezember 2017

Schweinereime

Wenn die Festtage näher rücken,
beginne deine Satzmuskeln zu regen.
Denn willst du mit guten Wünschen entzücken,
kommt dir ein guter Spruch grad gelegen.

Versuch es mit einer Parenthese –
man kann es auch einen Einschub nennen –
darauf reimt sich z. B. die Chaise,
die wir eher als Kutsche kennen.

Die Kutsche mit Kufen heißt man dann Schlitten,
Was sich darauf reimt, liegt dem Ausschnitt inmitten.
Denk schnell an was anderes, sonst heißt es „MeToo“,
und das ist unterm Christbaum nicht de bon gout.

Du merkst schon, der Reimer wird allmählich müde.
Es bröckelt die hochtrabende Attitüde.
Schluss mit Gejeier,
es ist Zeit für die Feier.

Einen auf Kläuschen, einen aufs Christkind,
Im Rohr eine Gans, ein Baum voller Gaben.
Friedlich soll’s sein, und möglichst nicht sprachblind.
Dass lass dir gefallen, zu Heiligabend.

Freitag, 15. Dezember 2017

Shakespeare-Verhandlungen

Ach, teure Lesehäschen, was soll ich sagen? Das Leben ist bekanntlich wie eine Schachtel Pralinen: Wenn man rechtzeitig auf der Rückseite nachschaut, weiß man genau, was man kriegt. Oder so ähnlich. Man erkennt daran, dass das Theater nicht wie das Leben ist, weil hier unverhofft oft kommt. Darin ähnelt es dem Wein. Der wunderbare Schluckspecht Kingsley Amis hatte mit diesem seine Probleme, weil man in Wein ohne Ende investieren und dann trotzdem eine korkige Plörre im Glas vorfinden kann. Bei Cocktails ist es umgekehrt: Wer genügend Zeit und Know-how aufwendet, ist eines vorzüglichen Resultats gewiss.
Was ich sagen wollte: Euer Kolumnator war wieder einmal im Theater, und es war eine sehr erfreuliche Erfahrung. Herr Haußmann hat geil abgeliefert wie ein geübter und einfühlsamer Barkeeper, und es war ein wunderbarer Abend. Allerdings auch – a propos geil – wieder ein Abend, der zusätzliche Komik daraus erzeugt hat, wie er sich auf die Perspektive des Parketts verlässt, beziehungsweise wahrscheinlich nicht verlässt, sondern damit spielt.
Denn im Sommernachtstraum gibt es eine Szene (früher wurde die ein bisschen weniger explizit gelöst, außer in jenen Sommernachtstraum-Verfilmungen, die in Videotheken nur hinterm Vorhang zu finden waren, als es noch Videotheken gab), in der Elfenkönigin Titania einen Esel, nun ja, besteigt. (Wer Clerks II noch nicht gesehen hat, dem sei, a propos des Esels, auch dieses Werk wärmstens anempfohlen.)
In Haußmanns Inszenierung findet das ganz wörtlich statt, indem der vereselte Zettel tief schlummert, während die zauberblumentolle Titania ihr Ding durchzieht (und also, den Kalauer muss einer machen, damit wir nicht alle ein Magengeschwür kriegen: auch seines). Freilich: den Inhabern der kostspieligen Plätze bleibt dieser Anblick dank dem vorgehaltenen weiten Ärmel einer Elfe erspart oder vorenthalten, das ist Geschmackssache. Im Juchhe (und gar seitlich im Juchhe) ist man dagegen mittendrin in der gewagten Action, weil ein Elfenkleiderärmel eben kein Zweimannzelt ist. Ist das Haußmanns Zugeständnis an die Sehgewohnheiten des saturierten Bürgertums? Oder macht er dem Prekariat auf den Plätzen mit sonstiger Sichteinschränkung ein kleines, semipornographisches Theatergeschenk?
Vielleicht ist es aber auch sein Kommentar zu dem Vorspiel, das dieser Tage statthat, damit Türkis und Blau sich so richtig harmonisch-blümchenmäßig vereinigen können: Wenn ein Esel verpennt, was gerade passiert ist, gibt es immer welche, die das geil finden.
Oder, noch anders: Wenn man nicht mitkriegt (übrigens nicht: „nur weil man nicht ...“), was los ist, kann man immer noch hoffen, dass jemand anderer der Gefickte ist.
Tja. Soviel zum Rauchverbot in der Gastronomie.


Freitag, 1. Dezember 2017

Welches der Relativpronomina?

Bald ist Advent, und vielleicht habt ihr euren Brief ans Christkind gleich mir schon abgeschickt. Ich wünsche mir eine Regierung, die keinen allzu großen Blödsinn macht, denn die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Ein kurzer Blick auf die Plakatwände weckt gleich neue Hoffnung: jene, dass die Es-lässt-sich-halt-nicht-ändern-Koalitionäre Zurufe aus der Industriellenvereinigung sorgfältig prüfen. Denn offenbar ist der IV die Wiedereinführung der Fünf-Stufen-Benotung in der Volksschule zu wenig. Sie will ein Bildungssystem analog der Zweiklassenmedizin einführen, nur mit viel mehr Klassen. (Übrigens, war irgendjemand von den Leuten, die vor der dräuenden Zweiklassenmedizin warnen, schon einmal beim Zahnarzt? Anscheinend nicht, sonst wüssten sie, dass die Erhaltung des eigenen Gebisses eine reine Geldfrage ist.)
Woher ich das weiß? Weil die Industriellenvereinigung es plakatiert. Schon seit einigen Wochen hängen Sujets, in denen sich verschiedene Formen der Naivität treffen – von Waldbären, die fragen, wozu Industrie oder Exporte gut seien, bis zu jenem anderen Waldbären, der die treuherzige Versicherung, dass er bei flexibleren Arbeitszeiten natürlich nicht mehr arbeiten müsse, für bare Münze nimmt. Am interessantesten ist aber die Frage des vielleicht zwölfjährigen Mädchens: Bekomme ich die beste Bildung,die mir zusteht?
Damit ist klar, dass nicht jedem die beste Bildung zusteht (wobei die „beste Bildung“ natürlich Verschiedenes bedeuten kann, je nachdem, was der Betreffenden am ehesten frommen wird). Vielmehr gibt es Kinder, denen eine bessere Bildung zusteht als anderen. Das liegt daran, dass die IV (oder ihre Agentur), vor die Wahl zwischen zwei Relativpronomina gestellt, sich für das gängigere und in diesem Fall ungeeignete entschieden hat. Es ist Zeit, sich bei Karl Kraus Rats zu erholen, und siehe, er bringt ein klares Beispiel für einen analogen Fall, nämlich:
Es ist der älteste Wein, den ich getrunken habe.
Es ist der älteste Wein, welchen ich getrunken habe.
Die, damit hier auch mal die Mafo zu Wort kommt, Grundgesamtheit des ersten Satzes ist die Menge der Weine, die ich bereits getrunken habe. Thema ist unter diesen der älteste. Als anspruchsloser Schluckspecht komme ich sicher nicht auf mehr als zwölf oder fünfzehn Jahre.
Der zweite spricht vom ältesten Wein überhaupt und merkt an, dass ich davon getrunken habe. (Wie alt der älteste theoretisch verfügbare Wein ist, weiß ich nicht. Ich glaube mich aber zu erinnern, dass irgendwo Flaschen herumkugeln, deren Inhalt noch die alten Römer gekeltert haben.)
So ist es leider auch mit der IV und der Bildungspolitik. Das Mädchen sagt nicht: Bekomme ich die beste Bildung, welche mir zusteht? Denn es hat bereits verinnerlicht, dass ihm nicht etwa die beste Bildung zusteht, die es gibt, sondern dass es verschiedene Bildungswege gibt, deren einige ihm gar nicht zustehen. Es spitzt daher nicht auf die beste Bildung, sondern nur auf die beste, die (nicht: welche) es eventuell abkriegen könnte. Die IV appelliert anscheinend an unser Mitgefühl, weil es ja sehr schade ist, wenn man bereits in diesem Alter jegliche Illusionen über sein Fortkommen verloren hat.
Ich vermute, auf dem Plakat steht deshalb nicht welches, weil welches als Relativpronomen sehr schriftsprachlich wirkt. Wenn die Zielgruppe damit vertraut wäre, wäre es nicht notwendig, am Bildungssystem viel zu ändern. Man hätte aber nicht in die Falle tappen müssen, unbedingt eine Headline mit Superlativ formulieren zu wollen. Bekomme ich die Bildung, die mir zusteht? hätte zwar die Möglichkeit einer Klassengesellschaft offengelassen, sie aber nicht geradezu postuliert, wie die nun umgesetzte Version es tut.

Freitag, 24. November 2017

Als ob das wurscht wäre

Es gibt nicht nur zwischen Himmel und Erde mehr Dinge, als die unvollständige Schulweisheit sich träumen lässt, und auch nicht nur zwischen den Zeilen, wo ja bekanntlich alles möglich ist – nein: auch auf der Zeile ergeht es dir bisweilen wie jener, die im Dunkeln die Treppe hinunterging und nach der letzten Stufe eine weitere vorfand: Da kann es dich plötzlich und unvermutet auf die Fresse hauen, wenn du glaubst, du bist ein aufgeweckter kleiner Grammatiker.
Es ist nämlich so, als wollte mich als necken. In aller Regel ist klar, welcher Fall an einer gegebenen Stelle im Satz zu stehen kommt. Im vorigen Satz steht die Regel im Dativ, Fall im Nominativ, Stelle und Satz wieder im Dativ. Manchmal freut man sich auch über einen Akkusativ wie diesen, des Genitivs Antlitz lässt sich immer seltener bewundern.
Doch wenn irgendwo als steht, wird der Sprachboden sumpfig.
Nämlich haben wir alle Joycens Buch gelesen: Porträt des Künstlers als junger Mann
Hier ist der Künstler das Bezugswort, dann kommt als, und schließlich junger Mann, die nähere Bestimmung des Bezugswortes. Der eine steht im Genitiv, der andere im Nominativ, weil – ja, warum eigentlich?
Offenbar aus demselben Grund, der das Wirken Ignaz Semmelweis’ als Arzt standardsprachlich sein lässt.
Nun geht aber die SPÖ voraussichtlich in die Opposition, und das dürfte alles ändern.
Denn wenn Christian Kern Stellung nimmt, ist das dann
die Stellungnahme Kerns als Führer der Opposition
oder
die Stellungnahme Kerns als Führers der Opposition
?
Ich bin ganz klar für Letzteres. Aber warum kann mir beim Künstler die Kasuskongruenz (also die Übereinstimmung der Fälle vor und nach dem als) gestohlen bleiben, während sie mir beim Exkanzler wichtig scheint?
Die übliche Autorität weiß keinen Rat, sondern macht alles noch schlimmer. Denn die beiden Beispiele habe ich direkt aus dem Duden gemopst, wo sie kommentarlos nebeneinanderstehen.
Kann es daran liegen, dass „Bezugswort“ nur ein Hilfsausdruck ist? Denn obwohl die beiden Konstruktionen formal völlig analog sind, geschehen semantisch unterschiedliche Dinge.
Im Fall des Porträts ist der Künstler die Hauptperson, von ihm gibt es ein Porträt. Zufällig stellt ihn dies nicht in seinem heutigen Verfallszustand dar, wie ihr ihn von eurem Kolumnator kennt, sondern als jungen Spritzer. Mithin wird hier nicht über den Künstler Zusätzliches ausgesagt, sondern über das Porträt. Die enge Beziehung ist jene zwischen Porträt und Künstler, die zusätzliche zwischen Porträt und jungem Mann.
Wenn aber Kern Richtungsweisendes äußert, ist seine Kernheit zweitrangig. Wichtig ist, dass der Einwurf von der Opposition stammt. Die Stellungnahme und der Oppositionsführer haben sich lieb, Kern schaut zu. Man könnte ihn zur Not sogar weglassen: die Stellungnahme des Führers der Opposition. Hingegen wäre Porträt des jungen Mannes sinnlos und Porträt eines jungen Mannes nichtssagend.
Ich vermute also:
Wenn das sogenannte Bezugswort eine stärkere Beziehung zu jenem Begriff hat, auf den es sich seinerseits bezieht, als zu seiner näheren Erläuterung, dann wird die Kasuskongruenz beachtet, damit die Verbindung nicht noch schwächer wird. Im umgekehrten Fall schenkt man sich die Übereinstimmung, weil eh klar ist, was los ist. Schönes Korinthenkackerwochenende!

Freitag, 17. November 2017

ES

Vor einer Weile, o Häschen, hatte euer Kolumnator ein bisschen Pech. Er wollte sich nämlich einen spritzigen Gaunerfilm mit schnellen Autos anschauen, das aber ausgerechnet an dem Tag, an dem ES anlief. Ihr wisst schon: Die monumentale Verfilmung des Stephen-King-Ziegels aus den 80er Jahren, unter anderem mit Bill Skarsgård (für die Damen: Das ist der kleine Bruder von Alexander „Eric Northman“ Skarsgård) in der Titelrolle. Ganz in Ordnung, besonders die Kinder sind hervorragend (und ich sage das als jemand, der acht Harry-Potter-Filme hindurch zusehen musste, wie Radcliffe und Co. von einigen der größten erwachsenen Schauspieler der Gegenwart an die Wand gespielt werden). Jedenfalls hat man wieder einmal gesehen, dass es ins Auge gehen kann.
Das ist in der Sprache auch so, wie ich anlässlich dieses Satzes am eigenen Leibe erfahren musste:
Ist es einem als Betroffener gelungen, das Briefing zu entschlüsseln, kann es losgehen.
Klappt das so? Oder verbreitete sich weniger Betroffenheit, wenn der Satz lautete:
Ist es einem als Betroffenem gelungen, ...
Euer ergebener Kolumnator war alsbald mit einer Antwort bei der Hand: Beides geht, je nachdem, ob man den Betroffenen als Subjekt des Satzes anlegt („ich als Betroffener“) oder parallel zu „einem“ setzt.
Klingt gut, ist aber leider kompletter Blödsinn.
An dieser Stelle darf ich allen, die noch nie in einem Grammatikforum zugange waren, sagen, dass es dort zugeht wie in allen anderen Onlineforen. Also Schulhof im Brennpunktgebiet ist ein Dreck dagegen, nur ohne körperliche Gewalt. Deshalb hat besagter Kolumnator sich umgehend ein virtuelles Ohrenreiberl abholen dürfen.
Denn natürlich ist nur die zweite Version standardsprachlich und mithin voll korrekt, Alta. Weil warum? Weil vor als das Bezugswort steht, danach die nähere Erläuterung, und beide im selben Fall stehen müssen. Der „Betroffene“ kann nicht das Subjekt sein, weil der Satz schon ein astreines Subjekt hat, nämlich es. Es ist ein sogenanntes Korrelat. Denn das Subjekt eines Satzes kann selbst ein Satz sein: Das Schmusi zu verabschieden, fällt uns schwer. Wie findet man noch schnell das Subjekt? Genau: Mit Wer oder was. Wer oder was fällt uns schwer? Das Schmusi zu verabschieden ist also ein Subjektsatz. „Da steht aber nirgends ES“, höre ich vorlaute Häschen rufen. Ich erwidere: Seid erstens froh, denn ES ist nicht lustig, weder mit Bill Skarsgård noch mit Tim Curry. Zweitens: ES taucht auf, wenn man nicht damit rechnet (ebenfalls als Bill Skarsgård ebenso wie als Tim Curry).
Denn kaum rutscht der Subjektsatz nach hinten, zack! schon lacht ES dich an:
Es fällt uns schwer, das Schmusi zu verabschieden. Wenn die Planstelle für das Subjekt vorn im Satz vakant bleibt, weil der Subjektsatz sich verbummelt hat, muss ES einspringen, damit das klappt.
Und deshalb, ihr Häschen, muss es hier einem als Betroffenem heißen. Natürlich wäre es auch hübsch zu sagen: Ist es einem gelungen, als Betroffener das Briefing zu entschlüsseln ... Aber dann hinge der Betroffene am entschlüsseln anstatt am gelingen, und der Satz wäre nicht mehr derselbe.
Also: Traut keinem Clown, und schönes Wochenende!

Freitag, 10. November 2017

#Ichauchnicht

O Häschen, unser mittlerweile unsichtbarer Hase Harvey hat uns da ein paar ordentliche Eier gelegt. Vor einem Weilchen war hieramts die Rede von der Logik der Verhüllung, die in manchen muslimischen Kreisen Frauen auferlegt wird. Leider ist die aufgelegte Begründung, dass obgedachte Verhüllung dem Schutz der Frauen vor dem unkontrollierbaren Triebtier Mann diene, offensichtlich nicht so schief, wie man gern gedacht hätte.
Dank dem Monsterhasen entsteht wieder einmal eine heftige Diskussion, und weil wir ja unsere Befindlichkeit schneller mit der Welt teilen können als über sie nachdenken, fehlt es beiderseits nicht an Schlaumeiern, die aus der Dumpfheit der jeweils anderen argumentatives Kapital zu schlagen bereit sind. Frau Proll, dass Sie noch nie jemand belästigt hat, ist schön für Sie. Möge es sich nie ändern. Ihre Freude am Flirten beweist aber nichts gegen das Recht anderer Frauen, ebenfalls nicht belästigt zu werden.
Dass Herr Weinstein ein Ungustl und ein Eierbär ist, dürfte mittlerweile auch den meisten klar sein. Ob aber die Sache der gern unbelästigt bleibenden Frauen davon profitiert, wenn jetzt jede zweite Schauspielerin, die einmal mit dem Mann einen Teppich geteilt hat, mit einem Erlebnis herauszurücken sich bemüßigt fühlt, bei dem mehrheitlich am Ende eh nichts herausgekommen ist, außer dass sie sich „bedroht“ oder „ungut“ oder weißdergeier gefühlt hat, wage ich zu bezweifeln. Gerade bei Weinstein beobachten wir ein Phänomen ähnlich jenem in der alten Geschichte vom jungen Hirten, der immer „der Wolf!“ gerufen hat. Alles, was einmal a) im paarungsfähigen Alter und b) in seiner Nähe war, schreit jetzt „der Weinstein!“, sodass die Rufe jener übertönt werden, denen durch ihn tatsächlich Schlimmes widerfahren ist.
Außerdem macht mir an der Sache Sorgen, dass Unbill auf die sexuelle Sphäre reduziert wird. Jede von uns (ja, auch euer Kolumnator) ist schon einmal einem Arschloch über den Weg gelaufen, das sich entsprechend verhalten hat. Wir alle wissen, dass man dann die Wahl hat, sich zu wehren, die Behandlung zu schlucken oder sich zurückziehen.
Nun scheint aber in Sachen sexueller Belästigung eine neue Auschwitzregel zu gelten: Sexuell belästigt zu werden (wir reden hier nicht von Vergewaltigung, wohlgemerkt), das ist anscheinend etwas unsagbar, unvergleichlich Schlimmeres als auf irgendeine andere Art von seinem Nebenmenschen unterbuttert, heruntergemacht oder ausgenutzt zu werden.
Aber warum? Ich bin nicht davon überzeugt, dass es etwas intrinsisch (wollte ich immer schon mal verwenden!) anderes ist, sich auf zwischengeschlechtlicher Ebene als Drecksau zu erweisen, als auf einer anderen, allgemeiner zwischenmenschlichen. Das Gegenüber ist in jedem Fall in seiner Menschlichkeit reduziert, und Menschlichkeit ist nicht nur Sexualität. Wenn es heute relevant ist, ob ich 1998 eine Frau doof angemacht habe (habe ich übrigens nicht, nur so der Vollständigkeit halber), ist es dann nicht ebenso relevant, ob sich einer ebenfalls 1998 mir gegenüber als echt blöde Sau erwiesen hat? Auch ich wurde dadurch heftig belästigt, wenn auch nicht auf sexueller Ebene. Wir beide wurden 1998 verletzt, wir beide haben nach Maßgabe der Verhältnisse gelitten, und wir beide sind darüber hinweggekommen. Fern sei es mir, einer alsbaldigen Verjährung sexueller Verbrechen das Wort zu reden. Aber wenn ihr mich fragt: Irgendwann sind die meisten Trotteleien, die sich ein Trottel zuschulden kommen lässt, Schnee von gestern, ob sie mit seinem Sack zu tun haben oder nicht. Können wir uns darauf konzentrieren, wie wir zu einem gesunden Verhältnis der Geschlechter kommen, ohne uns anhören zu müssen, wer zu Zeiten der Regierung Clinton ein Hotelzimmer nicht betreten hat, weil ein „Mogul“ im Bademantel drin war? Das wäre fein.

Freitag, 27. Oktober 2017

Moment mal


Dass euer Kolumnator mitten in der Umschulung zum alten Sack begriffen ist, ist für euch treue Häschen ja nichts Neues. Damit geht manche Veränderung einher: Man wacht früher auf, hat mehr schon mal gesehen und nervt gerne mit der Versicherung, dass das jetzt aber nichts Neues ist. Positiv formuliert: Man neigt verstärkt der Skepsis zu.
Diese hat heute einen mittelmäßigen Ruf. Denn wir wissen eh, was Sache ist. Leistungsbereitschaft ist gut, Selbstausbeutung ist schlecht. Sexismus ist schlecht, Gender-Mainstreaming ist gut. Einbahnkommunikation ist schlecht, Vernetzung ist gut. Palmfett ist schlecht, vegan ist gut, dass Avocados nicht super sind, spricht sich gerade herum.
Weil wir eh immer schon Bescheid wissen, braucht niemand mehr skeptisch zu sein. Aber ehrlich: Ich wäre da skeptisch.
Denn was ist Skepsis anderes als die Schwester der Neugier? Die vernünftige, die dir die Autoschlüssel wegnimmt, wenn du lieber fahren würdest, weil du dir mit Gehen schon schwertust. Die langweilige, die eh verliebt ist, aber lieber trotzdem ein Kondom nimmt. Die uncoole, die das neue Gadget eh lässig findet, aber erst die zweite Generation kauft, wenn die Kinderkrankheiten geheilt sind.
Skepsis ist nicht geil, aber wenn man hin und wieder skeptisch ist, lebt man länger und erlebt vielleicht später noch was Geiles.
Das wissen sogar Ratten. Bei Häschen bin ich mir nicht sicher, da dürft ihr mir gerne gelegentlich Bescheid stoßen. Ratten aber sind skeptisch. Zumindest die reiferen unter ihnen. Denn Ratten, da erzähle ich euch jetzt nichts Neues, konkurrieren mit uns um die Spitze der Nahrungskette. Wir stellen Fallen auf, sie besiedeln den Vorratskeller. Sie verbreiten Krankheiten, wir kontern mit Gift. Aber Ratten sind nicht doof: Wenn eine von ihnen was scheinbar Köstliches frisst und kurz darauf die Patschen streckt, bleibt die restliche Köstlichkeit übrig. Nun stellt sich natürlich die Frage, wie man den Unterschied feststellt. So als Ratte.
Die Antwort ist einfach: Die alten, erfahrenen Ratten spielen die Skepsiskarte und schicken eine jüngere – nennen wir sie early adopter – vor, um einmal riskant zu naschen. Passiert dem early adopter nichts, dann tun sich auch die andern gütlich. Wenn doch, ist das Rattenvolk zwar um einen jungen Enthusiasten ärmer, aber der Erfahrungsschatz der Skeptiker bleibt erhalten, zum Wohle der Rattenheit (oder muss das Rattheit heißen?). Irgendwo steckt darin eine wichtige Lektion. Ich sage das als jemand, der kürzlich einen Fire-TV-Stick ausprobiert hat und feststellen musste, dass das so mittelsuper funktioniert. Beziehungsweise: Solange ich Blur sage und Alexa bla versteht, fange ich noch nicht an, einen Bunker für den Krieg gegen die Maschinen auszuheben. So skeptisch bin ich auch wieder nicht.  

Freitag, 20. Oktober 2017

In aller Kürze

Ihr seid ja jetzt schon große Lesehäschen, deshalb setzt euch zu mir, ich will euch etwas erzählen. Wisst ihr, wo die kleinen Substantive herkommen?  Vielleicht habt ihr im Internet schon einmal etwas gesehen, das euch verwirrt hat, und nun seid ihr unsicher und wisst nicht, was mit eurer Zunge geschieht. Nur ruhig, euer Kolumnator ist auch ganz vorsichtig!
Also: Die Substantive entstehen auf unterschiedliche Arten, wir wollen jetzt nicht alles aufzählen, das macht auch mehr Spaß, wenn ihr es selber ausprobiert. Kurz: Oft geschieht es, dass sich ein Adjektiv und ein Suffix ganz fest liebhaben. Und dann kann es sein, dass am Ende ein neues Substantiv entsteht.  Mit –heit zum Beispiel können das schon Anfänger. So entsteht aus weise die Weisheit, aus dumm die Dummheit oder aus dunkel die Dunkelheit. Aber Vorsicht: Wie bei den Leuten darf sich nicht jedes Adjektiv einfach auf das kleine –heit stürzen und mit ihm ein neues Substantiv machen, sonst geschehen hässliche Dinge wie etwa Großheit, Hellheit oder Geschicklichheit. Die zwei müssen sich erst einmal kennenlernen, und dann merkt man schon, ob sie zusammenpassen. Wichtig ist: Suffixe sind nützlich, um Adjektive in Substantive zu verwandeln. -heit, -keit und der Underdog -e sind da wahre Tausendsassas. –e? höre ich euch fragen? Ja eh –e: Weite, Kürze und so weiter vermissten wir ohne -e schmerzlich, woran man sieht, dass es auf dieses noch mehr ankommt als auf die Größ-e oder Läng-e.
Warum ich euch das alles erzähle, wo euch doch eh fad genug ist? Aufgemerkt: Mindestens ein Substantiv sieht aus, als stammte es von einem Adjektiv. Doch das zugehörige Adjektiv existiert gar nicht. Nämlich die allseits beliebte Süßigkeit. Dass es süß gibt, weiß ich. Doch das Substantiv zu süß ist nicht Süßigkeit, sondern Süße. Warum also gibt es zu süß und Süße auch noch die Süßigkeit, während wir ohne Langigkeit oder Großigkeit auskommen müssen?
Ja klar: Weil die Süßigkeit eben nicht nur die Eigenschaft von Süßem ist, sondern der Genuss daran. Damit sind wir endlich beim großen Thema unserer kleinen Sendung, nämlich den Koalitionsverhandlungen. Werden sie kurz abgemacht, und werden wir bald erfahren, was die Kurzigkeit für Österreich bedeutet?
Apropos: Der Wahlkampf ist ja gottlob vorbei, und Herr Sobotka ist bei seinem Dienstwagenunfall unverletzt geblieben. Die Sprache ist aber aus der Kollision mit Peter Pilz nicht ohne Blessuren hervorgegangen: „Da gibt es einfach ein fehlendes Bewusstsein darüber, was gehört der Partei und was gehört der Republik.“ kommentierte der Exgrüne (sind wir das jetzt nicht alle?) Sobotkas Ausrutscher. Abgesehen von der interessanten Konstruktion von Bewusstsein mit darüber bleibt leider unklar, ob das Bewusstsein nun existiert, aber woanders (weshalb es hier fehlt), oder ob es nicht existiert, aber trotzdem da ist. Sobotka wollte nicht zurückstehen und tat das Seine zur Verwahrlosung des Ausdrucks: „Ich weiß, dass Herr Pilz Aufmerksamkeit braucht, weil er zu wenig davon hat. Das auf dem Rücken Schwerverletzter zu tun, ist traurig.“ Hier bleibt er zwar schuldig, was Pilz denn tut, (außer etwas zu brauchen), belohnt uns aber mit einem Sprachbild, das die Schwerverletzten nicht etwa in stabile Seitenlage bringt, sondern sie gleich umstandslos auf den Bauch wälzt, damit Pilz auf ihren Rücken etwas „brauchen“ kann. Wenn ich ein grüner Abgeordneter wäre, würde ich schauen, dass ich ihm in nächster Zeit nicht über den Weg laufe. Schönes Wochenende!


Freitag, 13. Oktober 2017

Berufsethos

Lesehäsinnen, -häseriche und mitgemeinte Genders, mir wurde ein höchst bedenkliches Dokument zugespielt. Also, ehrlich gesagt habe ich es in meinem Briefkasten gefunden, wie tausend andere Wahlberechtigtinnen auch, denn es handelt sich um einen Brief von Bundeskanzler Kern („von“ nicht in dem Sinne, dass er ihn selbst verfasst hätte – das hat, wenn ich mich nicht täusche, im Wesentlichen eine liebe Freundin eures Kolumnators erledigt – sondern in dem Sinne, dass sein Team den Inhalt vorgegeben und die Formulierung abgesegnet hat. Alles ist sehr überzeugend, doch bin ich über diesen Satz gestolpert: „Ich bin kein Berufspolitiker.“, gefolgt von der Versicherung, dass der Kanzler keinen Wert auf Dienstwagen, Posten und ähnliches lege.
Mir scheint das sehr sonderbar. Wenn euch, o Häschen, die Nagezähnchen schmerzen, geht ihr vorzugsweise zu einem Hufschmied, der die Zahnmedizin mehr so als Hobby betreibt? Wenn euch der Sinn nach frischen Semmeln steht, geht ihr dann zum Schuster? Wenn euch Steuerfragen plagen, erholt ihr euch dann bei eurem Osteopathen Rats?
Nur in der Politik lohnt es sich anscheinend, zu versichern, dass man diese Tätigkeit nicht von Berufs wegen ausübe. Denn unser Politikverständnis hinkt unserem Sportverständnis um mindestens 45 Jahre nach: 1972 – als wär’s gestern gewesen! – brodelte die Empörung der Nation, weil das Olympische Komitee gegen unseren Karl Schranz das Amateurgesetz anwendete. Heute verspricht sich ein vielversprechender Bundeskanzler (die frischeren unter euch Häschen haben die Durststrecke Klima – Gusenbauer – Faymann nicht über die volle Distanz bewusst miterlebt und können daher auch nicht nachvollziehen, wie kummererprobtere Sozialdemokraten Herrn Kern sehen oder zumindest gern sähen) Wählerstimmen davon, dass er seinen politischen Amateurstatus aus dem Fenster hängt.
Obwohl mir der Journalismus fernliegt, habe ich einen berühmten Rat beherzigt („Lernen Sie Geschichte, Herr Redakteur“) und dabei erfahren, was dem Profi Schranz widerfuhr, als er unteilgenommener Spiele (pfoah, das war jetzt grauslich!) aus Tokio zurückkehrte: Die schwarzen und roten Spitzen empfingen ihn, ebenso wie Tausende Fans, schon am Flughafen, er wurde im Dienstauto des Unterrichtsministers Sinowatz zum Ballhausplatz chauffiert und grüßte vom Balkon des Kanzleramts. Denn er war empfangen worden: Bruno Kreisky stellte sich, wie anscheinend das ganze Land, hinter den Sporthelden. Er hatte mit ihm gemein, dass beide das, was sie taten, professionell taten, „unter Hintanstellung“ (wie man im damaligen Amtsösterreichisch gesagt hätte) anderer Berufe. Das war ganz normal: Obgleich man sich hinsichtlich der Bewertung des Bundeskanzlers uneinig war, hat meines Wissens nie jemand Bruno Kreisky vorgehalten, dass er zeit seines Lebens nur dann etwas anderes als Politik getrieben hatte, wenn ihm nazihalber nichts anderes übrigblieb.
Freilich wäre auch niemand auf die Idee gekommen, dass Kreisky als Politiker hinter lukrativen Pöstchen und dicken Autos her war. Das politische Klima im Österreich der 60er und 70er Jahre war sicher nicht von Frische, Innovation und Opferbereitschaft geprägt. Doch dass uns die Verbindung zwischen Politikberuf und dem Drang, seine Schäfchen ins Trockene zu bringen, heute ganz natürlich scheint, ist das Elend der zweiten Republik. Vor Herrn Kern ziehe ich meinen Hut wegen des mutigen Zukunft-Sujets seiner Plakatkampagne. Es sollte ihm aber der Gedanke nicht fremd sein, dass man nicht nur als ÖBB-Vorstand, Herzchirurg oder Steuerprüfer, sondern auch als Politiker seine Arbeit aus noch edleren Motiven tun kann als es ein größerer Mercedes ist.

Freitag, 6. Oktober 2017

Leerstellen

Mitunter, o teure und überaus ansehnliche Lesehäschen aller Geschmacksrichtungen, findet die Sprache gar wunderbarlich (doch, dieses Wort gibt es, aber ihr müsst schon im DWB nachschlagen und nicht im Wald-und-Wiesen-Duden) zu sich selbst. Nicht umsonst sind Texte, wie das Wort schon verrät, etwas Gewobenes, mithin textil. Sie haben denn auch mit Textilien gemein, dass das Interessanteste nicht immer der Text ist, sondern die Löcher darin, die Leerstellen, das Ungesagte. Wer daran zweifelt, dem sei ein Blick in den Wahlkampf empfohlen. (Wobei der große Kostümbildner William Theiss der Ansicht war, ein Kleidungsstück werde nicht dadurch interessant, dass es Darunterliegendes enthülle. Vielmehr sei es umso spannender, je eher es den Eindruck zu erwecken vermöge, dass es gleich auf interessante Weise verrutschen könnte. Wer einige seiner Alien-Kostüme aus der ersten Star-Trek-Serie vor Augen hat, der weiß, dass er sich daran gehalten und also mit Recht die Theiss Titillation Theory formuliert hat.)
Wo war ich? Genau: Nicht nur Texte können Löcher haben, auch die Sprache selbst.
Wer eine kleine Weile sucht (der nachhaltig orientierte Millennial verwendet dafür natürlich nicht Google, das einst gut war, sondern Ecosia, was noch besser ist), findet allerlei Seiten mit Listen von Wörtern, die uns angeblich abgehen. Doch nicht alles vermissen wir gleich schmerzlich: Auch wenn die Welt anderer Ansicht ist, glaube ich nicht, dass wir 2060 wirklich ein Wort für die unansehnlich herunterhängenden Ohrläppchen jener brauchen werden, die dieselben heute durchtunnelt tragen, noch eines für den schiefen Hals von exzessiven Smartphone-Usern.
Hingegen gibt es anderes (oder vielmehr: gibt es eben nicht), das wir wirklich brauchen könnten. Womit wir wieder bei den Textilien wären. Denn jeder weiß, was Samt und Seide sind. Und jede weiß auch, wie sie sich anfühlen: nach mehr. Damit wir die Freude am Samt-und-Seide-Begrabbeln besser teilen können, gibt es die Adjektive samtig und seidig. Aber wie heißen die entsprechenden Substantive? Kürzlich kam mir in einem Text das Wort Samtheit unter, und hach!, dachte sich euer unbescheidener Kolumnator, das muss doch Samtigkeit heißen. Denkste.
Denn Samtigkeit kennt der Duden ebensowenig wie Samtheit, und im DWB wirst du ebenfalls vergeblich suchen, das sag ich dir lieber gleich. In ersterem gibt es immerhin samtig ebenso wie seidig, während die Grimms – und hier kommen wir jetzt in den Fetischbereich, denke ich – nur seidig aufgenommen haben. Samtfans mussten sich damals noch mit sammetartig behelfen, was natürlich ungeil ist und in puncto Textilvorliebe der Märchensammler tief blicken lässt. Wem aber der Sinn nach Seidig- oder Samtigkeit steht, der muss sich anders behelfen, und eventuell ist es kein Wunder, wenn man in dieser Lage zur Flasche greift: ein Kerl wie Samt und Seide, nur schade, dass er suff. Es gibt einfach keine Substantive zu seidig und samtig (außer Samt und Seide natürlich). Was ein richtiges Lesehäschen ist, das lässt sich aber ohnehin die eigene Flauschigkeit genügen. Die kennt der Duden übrigens auch nicht.

Freitag, 29. September 2017

Leichte Muse

Das Wichtigste, o Herr- und Häschenschaften, zuerst: Es gibt eine neue Definition von First World Problems. Denn irgendwann im Sommer ward mir das Glück zuteil, einen TV-Spot zu sehen. Das allein wäre noch nichts Besonderes, doch beworben wurde ein rezeptfreies Medikament, und eine der wichtigsten erwünschten Wirkungen des Pulvers, so ließ ich mich belehren, ist ein stärkerer Harnstrahl. Da kann ich nur sagen: Eure Sorgen und Rothschilds Geld! (Der Slogan zu dem Mittel lautet übrigens Weniger müssen. Besser können. und sei euch hiermit zur Anwendung in praktisch allen Lebensbereichen empfohlen.)
Nun zur Kultur. Ein Sommernachtstraum ist ja nichts, was man groß vorstellen müsste: Hochgestelltes Volk heiratet in Athen, und einfache Leute machen sich sympathisch lächerlich, indem sie ihren Teil zu den Feierlichkeiten beizutragen versuchen. Neu ist: Man kann sich jetzt wie die Fürsten im Sommernachtstraum fühlen, um den Preis eines Tickets für Die Fledermaus in der Volksoper. 
Denn das Zweckdichterbalg, müsst ihr wissen, schätzt die Musik, weshalb es mich zu einer Darbietung obgedachten Operettenklassikers verschlug. Eine Operette bietet ja den theoretischen Vorteil, dass auch Schweinsohreninhaber wie euer Kolumnator dabei ihren Genuss finden: Wenn es mit der Wertschätzung der gesanglichen Darbietung hapert, bleiben immer noch die Dialoge! Kennt man ja aus der Filmfassung mit Otto „Otti“ Schenk und Peter Alexander.
Doch heutzutage, belehrte mich (zu spät) Wikipedia, haben es Operettenregisseure schwer. Die Sängerinnen und Sänger wollen entweder gleich richtig Oper singen, oder sie wollen gleich richtig Musicalstars werden. Weil man Operetten anscheinend nicht mit Musicalistinnen besetzen kann, findet sich euer Zweckdichter dann auf einem ziemlich guten Platz und staunt, wie eine Riege international gefeierter Soprane, Tenöre und Baritone sich der Fledermaus-Dialoge unterwindet. Die resultierende Hilflosigkeit ist so echt wie jene der Athener Handwerker, weil nämlich die einschlägigen politischen Kleingeldwechsler es bislang versäumt haben, einen Integrationskurs als Voraussetzung einer internationalen Opernkarriere zu fordern. Das Deutsch mancher Stars ist von einer Qualität, dass sie Mühe haben, ihren Text wenigstens in korrekter Satzstellung zu bringen. Von einer pointierten Darbietung des Wiener Klassikers (womöglich mit adäquatem Akzent) ist man so weit entfernt wie Matthias Strolz von elder statesmanship.  Auf gut Deutsch: Wenn Strauß’sche Operettentexte mit dem Zungenschlag einer ostösterreichischen Baustelle geboten werden und damit Applaus zu holen ist, ist auch die Operette als Genre offensichtlich zu einer solchen geworden.
Weil wir (also ich)schon beim Herummotschkern sind: „Irmgard Griss pocht deshalb bereits seit längerem auf eine ‚Politikerhaftung’, wie sie es nennt“, behauptete Der Standard vor ein paar Tagen. Eben nicht! Irmgard Griss hätte gerne eine Politikerhaftung, auf die sie pochen könnte. Da es aber keine gibt, muss sie jene erst fordern, und kann dann vielleicht irgendwann im Anlassfall auf sie pochen. Denn pochen kann man nur auf etwas, was schon da ist. Sonst vergilbt das Sprachbild, kriegt Risse und wird in die Lade verräumt, weil sich keiner überwinden kann, es wegzuschmeißen.
Schließlich gab es noch einen Supradyn-Spot, in dem es hieß, dass 86 % der Frauen in Deutschland sich manchmal müde und erschöpft fühlen. Wenn das so ist, Herrschaften, will ich bitte kein Supradyn. Ich will das, was sich die andern 14 Prozent reinpfeifen. Schönes Wochenende!

Freitag, 22. September 2017

Wirtschaftsoffensive

Es ist, o flauschige Lesehäschen aller Art, immer noch Wahlkampf. Und wieder einmal wird sich um die drängenden Probleme nicht gekümmert. Herrschaften, wir werden überrannt, genauer gesagt: überrollt! von Ausländern und Ausländerinnen, und weder die etablierten Parteien noch die Möchtegerndurchstarter scheren sich darum. Hier haben wir eine Migrationsbewegung, die ausnahmsweise einmal jedes Sprachbild aus Naturgewalt und Militär rechtfertigt. Wo man hinschaut, machen sich die Fremden breit und nehmen uns, UNS! schon vorher Dagewesenen den ach wie dringend benötigten Platz weg. Sie haben nicht den geringsten Respekt vor unseren Frauen, sie sprechend kein Wort Deutsch, ihr Teint geht ins Gelbe oder Schwarze (mitunter auch beides). Mit Christentum haben sie nichts am Hut, unsere abendländischen Werte könnten ihnen nicht gleichgültiger sein. Niemand hat sie gerufen, und gekommen sind sie doch, gleich einer Sturmflut, die Wien unter sich begräbt. Das Stadtbild ist bereits flächendeckend überfremdet, an jeder Ecke fläzen ein oder zwei von ihnen und betteln. Die autochthone Bevölkerung macht einen Bogen nach dem andern um sie, doch das schert sie einen Dreck. Kurz, ihr süßen Hoppler und Hopplerinnen, das kann nicht so weitergehen mit diesen Leihfahrrädern. Ja genau: mit den Leihfahrrädern.
Es ist nämlich so: Der Businessplan Chinas bestand bisher, so mein Eindruck, darin, in atemberaubender Geschwindigkeit Ressourcen zu verbrennen in der Hoffnung, es gelinge der Sprung zu High-Tech und Dienstleistungsgesellschaft, ehe das Land sich in Mordor verwandelt hat. Nun ist der chinesischen Führung anscheinend klargeworden, dass es auch Konkurrenz gibt. Was also tun? Ganz einfach: Dem alten Europa müssen ein paar Knüppel zwischen die Beine geworfen werden. Diese Knüppel sind die neuen China-Leihfahrräder, mit denen europäische Städte zugemüllt werden als seien es Verpackungschips.
Bis vor Kurzem waren die Wiener Citybikes ohne Konkurrenz. Die stehen an ihren speziellen Ständern, zum Entriegeln braucht man eine Bankomatkarte, und sie werden regelmäßig wieder aufgesammelt und sinnvoll auf die Ständer verteilt. Sie wurden und werden gern benutzt, auch wenn eilige Radler sich mitunter in Geduld üben muss, weil ein Citybiker vor ihm unterwegs ist. Die Dinger sind halt eher auf Haltbarkeit optimiert.
Für die neuen Pseudoräder gibt es keine eigenen Ständer, und um sie zu benützen, braucht man angeblich nur eine App. Wichtig aber: Es benützt sie niemals jemand (jedenfalls habe ich noch nie jemanden auf einem solchen Rad gesehen), und trotzdem verteilen sie sich über sämtliche ohnehin schon knappen Fahrradabstellplätze. Sogar zwischen parkenden Autos stehen sie mittlerweile herum, wie Hundstrümmerln oder herbstliche Laubhaufen.
Fertig ist der gefinkelte wirtschaftspolitische Schachzug (das ab sofort so genannte Fahrradgambit). Denn wer fährt Rad? Werdende Eliten, Studenten, nachhaltige Denker (darunter euer Kolumnator), kurz: Leistungsträger! Ihnen macht das ihm Weg stehende, den Fahrradständer versperrende chinesische Nutzlosrad das Leben täglich schwerer, sodass ihnen immer weniger Energie bleibt, um die Wirtschaftskraft der westlichen Hemisphäre wenigstens noch die eine entscheidende Nasenlänge vor der chinesischen zu halten. Kein Wunder, dass sich die chinesischen Fieslinge in ihren chauffierten Langversionen von Luxuslimousinen aus süddeutscher Fertigung zurücklehnen, damit sie sich besser ins Fäustchen lachen können!
Hiermit schreibe ich wieder ein Leberkässemmelforschungsprojekt aus: Es versuche jemand ein solches Gambitrad zu benützen und berichte der Häschenschaft, wie es gelungen ist.
Schönes Wochenende!

Freitag, 15. September 2017

Metaplakate

Teure Häseriche, kluge Lesehäsinnen, wir in der Wolle gefärbten Linkswähler-und-Rechtsverdiener, a.k.a. „grüne Stammwählerzielgruppe“, ich bringe euch, lange vor Weihnachten, gute neue Mär! Denn ihr wisst, euer Kolumnator ist sich für keinen Job zu schade, wenn es der Wahrheitsfindung dient: Ich habe einen Blick auf die Wahlplakate geworfen, damit euch das erspart bleibt. Das Ergebnis ist verblüffend: Die Grünen haben die beste, klügste, großartigste Kampagne der Welt geliefert.
Wenn man als Partei eine anspruchsvolle Zielgruppe anpeilt, erzeugt man damit ja eine Aporie (das ist sowas wie ein logisches Umspringbild) die den Grünen immer schon bewusst war: Frei nach Groucho Marx, der meinte, er würde niemals einem Club beitreten, der einen wie ihn als Mitglied aufnähme, ist den Grünen einerseits kein Wähler recht, der sich von Wahlplakaten beeinflussen lässt. Andererseits wird hier Parteienförderung verheizt, da muss das Wohl des Landes, also die Maximierung grüner Stimmen, im Vordergrund stehen. Deshalb gilt auch die beliebte Ausrede nicht, dass Wahlplakatkampagnen ja nur der Selbstvergewisserung der eigenen Parteikader dienten. Was tun?
Die Antwort ist genial. Man betrachte die grünen Plakatsujets und staune.
Da gibt es zum Beispiel Jedes Kind ist sehr gut. Schöner Spruch, kluges Wortspiel. Noch klüger aber ist die Zielgruppe Eltern mit schulpflichtigen Kindern. Die wissen nämlich, dass das eine fette Lüge ist: Manche Kinder sind sehr gut, manche sind sehr fies, und die meisten sind irgendwo dazwischen. Als einzige Konstante bleibt, dass die eigene Brut nie zur zweiten Kategorie gehört.
Dann haben wir Wo die Liebe hinfällt, fallen wir nicht um. Noch ein kluges Wortspiel, aber mit prekärer Verneinung und, entschuldigen, mittlerer Relevanz.
Als nächstes, und für mich das gelungenste Sujet, Kein Artenschutz für Miethaie, mit dem Bild eines Haifischs. Interessant daran ist, dass man nicht weiß, ob und wie weit die Text-/Bild-Schere hier geöffnet ist. Denn ich kenne mich mit Haien nicht aus, aber mir sieht das Viech wie ein Weißer (Carcharodon carcharias) aus, der sehr wohl Artenschutz vertragen kann.
Heißt das jetzt, dass Weiße Hai dem Kabeljau für eine Substandardbude mit indischem Klo („jenseits des Ganges“) in drittklassiger Rifflage achthundert im Monat abknöpft und womöglich vorher eine illegale Ablöse eingesackt hat?
Oder ist eine Kontrastwirkung zwischen dem schützenswerten Fisch und dem Gemeinen Miethai beabsichtigt?
Auf jeden Fall ist der Betrachter nachher gescheiter als die Macher des Plakats, und darauf kommt es an.
Dies nämlich ist die grüne Lösung für das Wahlkampagnendilemma: Jedes einzelne Sujet kommt oberflächlich brillant und wahr daher, sodass man sich nicht genieren muss. Auf den zweiten Blick tut sich ein gedanklicher Abgrund auf, sodass die denkende potenzielle Grünwählerin weiß: Die befassen sich mit Wichtigerem als mit Schmarren wie Wahlplakaten! Die kann man noch und wieder wählen! Wer kluge Wähler erreichen will, der muss, und diese Logik haben erst die Grünen erst 2017 erkannt, eine Plakatkampagne fahren, die sich selber demontiert. Auch die Basis darf sich verstanden fühlen, wenn sie eine kulturhygienische Selbstverständlichkeit wie die Ehe für alle erfolgreich auf die Plakatstellen reklamiert hat, während der Klimawandel schauen muss, wo er bleibt.
Selbst das letzte Sujet tut das Seine dazu: Zwar haben die Grünen Sei ein Mann. Wähle eine Frau im Paket als Draufgabe bekommen, weil der Front National und die AfD es mangels Inhaltsdichte nicht haben wollten. Doch gerade deshalb dürfen die Grünwählerinnen sicher sein: Sie werden ihr Kreuzerl nicht für Frau Lunacek gemacht haben, weil sie auf derart halbschlaue Werbeschmähs hereingefallen wären.
Glückwunsch dazu!