Freitag, 19. Dezember 2014

Teutsche Alexandriner


Die Christnacht ist schon nah, fast näher als uns recht ist.

Hast du schon alles da, die Lieben zu erfreuen?

Wenn dir noch etwas fehlt: probier’s mit etwas Neuem.

Schreib ihnen ein Gedicht – ein gutes nur, kein schlechtes!

Wie fang ich das nur an? hör ich dich jetzo sudern.

Lies einfach bis zum Schluss, dann werma was z’sammpudern.                       

Zum Anfang such ein Wort, das weckt die Emotion,

lenkt uns hinein ins Thema: Die Jahresend-Saison.

Danach schreib etwas Liebes, mach allen warm ums Herz.

Drück auf die Tränendrüse, mit Engerln und mit Schnee.

Jetzt hast du sie soweit: Reim’ einfach Herz auf Schmerz.

Wenn alles haltlos schluchzt, hast du es bald geschafft.

Sag schnell noch was von Liebe, vom Eise auf dem See.

Nun ist dein Opus fertig, die Frucht von Fleiß und Kraft.

Freitag, 12. Dezember 2014

Beides probiert



Wir alle (fast alle) haben uns mehr oder weit weg von dort hingesetzt, wo wir schon mehr oder weniger lange zu sitzen pflegten. Und die wenigen, die immer noch dort sitzen, wo es schon nach ihnen zu riechen begonnen hätte, wäre ihre Körperpflege nicht so weit erhaben über jeden Zweifel (Fred und Heidi, ich schiele Richtung Südwesten!), um die herum ist auch kein Stein auf dem andern geblieben.

Jetzt ist natürlich die Frage: Was hat das alles gebracht? Kann ich nicht so genau sagen, ich halte mich an das, was ich weiß. Deshalb liefere ich für alle, die darauf schon mit angehaltenem Atem gewartet haben, die Antwort auf die Frage: 

Mit oder ohne Luke – was ist besser? 

Ich hatte ja in den vergangenen Monaten die Gelegenheit, beide Sitzsituationen gründlich zu testen. Hier das Ergebnis dieses beinharten Vergleichstests. 

Ohne Luke sitzt es sich oft ziemlich ruhig. Man darf ruhig sagen: zu ruhig. Der Blick zur Seite geht ins Leere und verliert sich im Prater.

Testosteronseitig fehlt der Punch im unteren Drehzahl- und Schubladenbereich. (Lenny, das ist jetzt nix gegen dich, aber wir müssen hier möglichst objektiv bleiben.) Auch ein beherzter Griff in die Niederungen der eigenen Playlist bleibt nicht selten echolos. 

Mit Luke muss man sich auf einen gewissen wienerischen Basso continuo einstellen. Der Spruch ist zunächst gewöhnungsbedürftig, gewinnt aber bald einlullende Qualität. Nach kurzer Zeit ist ein Leben ohne sanftes Raunzbrummeln nicht mehr vorstellbar. Auch der Stauraum des Luke überzeugt völlig, Getränke für einen entspannten Abend zu zweit finden hier locker Platz.

Mittags irritiert den Luke-Einsteiger zunächst eine starke Neigung zum Übersteuern in die Salatschüssel. Da hätte man sich als Ahnungsloser mehr Gulasch erwartet. Das herannahende Wochenende macht jedoch alles wieder wett: Mit Luke ist man nur jede dritte Woche zum Leberkässemmelholen dran anstatt jede zweite.

Fazit: Du hast mir so gefehlt, mein Schnuckibär!

Freitag, 5. Dezember 2014

Gibt es dein Christkind?


Ich weiß, ihr (ihr beiden) lest diese Kolumnine (soeben kreierter Diminutiv von „Kolumne“) nicht etwa, weil sie so cutting edge wäre. Sondern weil ihr euch dabei vergleichsweise heutig und angesagt fühlen könnt, ohne euch extra anstrengen zu müssen. Heute ist für euch ein besonders guter Tag, denn der Zug, dem wir nachwinken, ist schon vor Tagen abgefahren, ihr seid also gerade um fünf Tage hipper geworden. Nämlich lautet die Frage: Soll man ans Christkind glauben? Für heuer hat sich das schon erledigt, denn bekanntlich haben die Engerln die Briefe ans Christkind am Sonntagabend abgeholt, eingesackt, sortiert und bei Petrus abgegeben.

Schade.

Aber Weihnachten kommt ja alle Jahre wieder. Wie sollt ihr es also 2015 halten – kommt das Christkind zu euch, oder muss jemand einspringen?

In Anlehnung an Pascal und seine Wette sollte man natürlich ans Christkind glauben, denn bestenfalls bringt es einem was, schlimmstenfalls nichts. (Beim Krampus und dem Nikolo ist das Risiko größer, da kann es was auf die Ohren geben, wenn du nicht brav warst.)

Freilich liegt der Teufel mal wieder im Detail. Denn die entscheidende Frage ist natürlich: Wie schlimm ist es, wenn unterm Baum Leere herrscht wie zwischen meinen Ohren nach fünf Minuten Big Bang Theory?  (Alle, die noch nicht gemerkt haben, wie deprimierend Big Bang Theory ist, klicken hier – Hausübung!)

Wem bei der Vorstellung einer geschenkfreien subarborealen Zone die Lippen zu beben anfangen, oder wer sich gar darauf verlassen würde, dass das Christkind gleich auch den Baum bringt und aufkranzt (ich kenne da wen), der sollte sich gut überlegen, bis zu welcher Altersklasse so tiefes Vertrauen angebracht ist.

Wohl der hingegen, die Nirweihna erreicht hat: Völlig entspannt schwebt sie an Punschstandln und Blinkekerzen vorbei, lässt sich Maroniduft um die Nase wehen oder nicht und findet sich schließlich zu Heiligabend auf der Couch ein. Sie weiß nicht, ob sie ans Christkind glaubt, doch sie ist ziemlich sicher, dass das Christkind an sie glaubt.
Wer sich zutraut, es ihr gleichzutun, der zögere nicht und berichte nächstes Jahr, wie es gelaufen ist.

Freitag, 28. November 2014

Political Correctness


Hochverehrte Lesehäschen und –innen, die Political Correctness ist wie viele Beziehungen auf Facebook: kompliziert. Einerseits will man ja ein ordentliches Gesellschaftshasi sein und niemandem auf den Schlips treten.

Andererseits gibt es da ja auch noch die Sprache. Her, nur immer her! mit den politisch korrekten Formulierungen. Nur bitte sollen sie nicht schmerzhaft weniger sauber, treffend oder geschmeidig sein als die herkömmlichen Ausdrücke. Was nützt eine Wendung, die sich bei allen entschuldigt, wenn wir schon von der Entschuldigung einen Tinnitus kriegen? Die Sprache ist eine subtile Angelegenheit, und selbst die scheinbar einfachsten Konstruktionen fangen bisweilen unvermutet zu bröckeln an. Max Goldt hat eine so überzeugende Lösung wie die „Studierenden“ anstatt der „Studentinnen und Studenten“mit dem Beispiel von der „toten Studierenden“ lapidar widerlegt. Studierst du noch oder verwest du schon?

Vorsicht ist also geboten, wenn Wörter die Standarte ihrer Korrektheit vor sich hertragen, als wäre die Substanz wichtiger als die Form. Ein – und jetzt wird es ärgstens subjektiv – unsympathisches Beispiel ist mir kürzlich im Standard untergekommen, wo ichweißnichtmehrwer von „Rolli-Nutzern“ gesprochen hat.

Nun bin ich nicht auf dem Laufenden, was Bezeichnungen für Menschen angeht, die zur Fortbewegung auf einen Rollstuhl angewiesen sind. Akzeptabel kann ich „Rolli-Nutzer“ jedenfalls nicht finden. Einst sprach man von „Rollstuhlfahrern“, und ich kann nur spekulieren, was daran politisch unkorrekt war. Vielleicht die Unterstellung, dass Rollstuhlfahrer stets in Bewegung seien, während realiter auch der Rollstuhl oft einfach als Sessel fungiert?

Wie anders ist da der „Rolli-Nutzer“: Es steht einer jeden frei, ob, wie, wann oder wo sie einen Rollstuhl nutzt oder nicht, unabhängig von ihrer physischen Befindlichkeit. Das ist endlich die selbstbestimmte Offenheit, in der sich keine mehr diskriminiert fühlen muss. Yay.

Seltsam und betrüblich ist aber: Auch die Nutzung von – um im Bereich individueller Mobilität zu bleiben – Autos, Fahrrädern oder Mopeds ist der Einzelnen anheim gestellt. Trotzdem würde ich mich schön bedanken, wollte mich eine als „Fahrradnutzer“ anreden, und mit „Auto-“ oder „Mopednutzern“ ist es genauso bestellt. (Höchstens bei Segways kommt man ins Grübeln ...)

Warum also sitzt im Auto ohne Frage eine Autofahrerin, im Rollstuhl aber ein „Rolli-Nutzer“? Wenn ihr mich fragt, macht sich hier das Unbehagen an der eigenen Korrektheit Luft: Es ist leider nicht zu leugnen, dass die Wahl zwischen Autofahren und Zufußgehen der Willkür mehr Raum lässt als jene zwischen Zufußgehen und Rollstuhlfahren.

Diesen Unterschied spürt die politisch korrekte Sprecherin. Doch anstatt es dabei bewenden zu lassen und die Rollstuhlfahrer gemütlich mit den Mopedfahrern in einem Topf schmurgeln zu lassen, will sie noch extra korrekt sein und den gefühlten Unterschied auslöschen, indem sie ihn erst recht hervorhebt. Also

verwandelt sie den Rollstuhlfahrer in den Rolli-Nutzer.

Mich erinnert das an die Wendung „jüdische Menschen“: Wenn eine sich gehalten fühlt, eigens hervorzuheben, dass Juden eh auch Menschen sind, dann ist sie entweder gefährlich denkfaul oder weniger tolerant, als sie uns glauben machen will. Von „christlichen Menschen“ oder muslimischen solchen liest man jedenfalls in der Regel nicht. Als Trost bleibt nur, dass sich selbst der „Rolli-Nutzer“ hinterm Lenkrad umgehend in einen Autofahrer verwandelt.

Freitag, 14. November 2014

Latein oder nein?


Man kann gar nicht weit genug vorausplanen. Schon deshalb nicht, weil sorgfältige Planung das Leben insofern bereichert, als das Leben ja das ist, was einem widerfährt, während man anderes austüftelt. Anders gesagt: Je sorgfältiger geplant, desto spannender stattdessen gelebt.

Deshalb sollte sich jede zeitgerecht darüber Gedanken machen, ob dem vorhandenen, erhofften oder auch überraschend hereingeschneiten Nachwuchs ein solider Lateinkurs frommen würde.

Bevor es jetzt zu spannend wird und die Nägel bis aufs Leben abgekaut sind: Aus meiner Ecke erschallt ein lauttönendes und klar verständliches „Ja, yes, mais oui, aber klar doch!" 

Warum? Ganz einfach. 

Erstens: Latein entzieht sich höchst elegant der Frage nach der unmittelbaren Verwertbarkeit, weil unsere Zeit einer nennenswerten Durchwirkung mit Latein sprechenden Mönchen aufs Bedauerlichste ermangelt. In your face, Leistungsgesellschaft! 

Zweitens: Latein schmuggelt seine Nützlichkeit ebenso elegant durchs Hintertürl wieder herein. Denn wer Latein halbwegs liest, liest ebenso halbwegig einfaches Italienisch, Französisch und sogar Spanisch.  Nutzt’s nix, schadt’s nix. 

Drittens: Wer Latein gelernt hat, kann leichter mit Vokabeln imponieren, die für Nichtlateiner intrinsisch diffizil wirken. (Autochthone Gräzisten tun sich dabei zwar noch leichter, aber der Aufwand wäre echt zu groß.) Noch besser: Gelernte Lateiner lassen sich von solchem Schmonzes nicht beeindrucken. 

Viertens und allerwichtigstens: Latein lehrt bewusstes Nachdenken über sprachliche Zusammenhänge. Wer wissen will, wie Grammatiken funktionieren, lerne zuerst Latein. Es hält für uns Indogermanen genau den richtigen Abstand zur eigenen Muttersprache, um uns grammatische Muster abstrahieren zu lassen, aber nicht so weit weg, dass man ratlos davor stünde wie der Ochs’ vorm neuen Tor oder die Affen vor dem schwarzen Monolithen. Nachdem man sich gründlich mit den verschiedenen Bedeutungsvariablen des Ablativs auseinandergesetzt hat, ist der deutsche Dativ eine gemähte Wiese. Selbst die deutschen Konjunktive rücken nach Bewältigung eines ciceronischen Textes in beinahe vertraute Nähe.

Deshalb, verehrte Lesehäschen: Latein ist die Sprache der Zukunft! Zumindest für alle, die sich stattdessen gern vom Leben überraschen lassen.

Ceterum censeo, dass nur Jobs mit vollständig ausgefülltem Reinzeichnungskleber die Agentur in Richtung Fulfillment verlassen.

Freitag, 7. November 2014

Feine Formen leicht gemacht


Das Leben besteht nicht nur aus gendersensiblen Pronomina – wer hätte auch gedacht, dass es einmal mehr Genders geben würde als Varieties of Heinz! Das passende Gender zum Leben zu finden ist sicher für so manche keine leichte Aufgabe. Doch tagtäglich stehen wir vor Entscheidungen, die belanglos scheinen mögen, aber in Summe eine Existenz doch spürbar besser machen können – wenn wir denn jeweils das Richtige treffen! Weil es, wie die Neue Frankfurter Schule lehrt, kein richtiges Leben im falschen gibt, sind auch scheinbare Kleinigkeiten nur scheinbar solche. Oder, wie meine Schwiegermutter zu sagen pflegt: Im Kleinen merkt man das Schwein.

Als euer ergebener Kolumnator fühle ich mich selbstverständlich verpflichtet, eure Leben allwöchentlich um ein Alzerl besser zu machen. Deshalb hier drei Entscheidungshilfen für Alltagssituationen, in denen so manche schon hässlich gescheitert ist. 

Erstens: Eier werden nicht geköpft. Menschen von Welt ersparen ihrem frühstücklichen Gegenüber das ekelhafte Geräusch, das beim Durchsägen einer Eierschale mit dem Buttermesser entsteht. Stattdessen klopft man höflich mit dem Messerrücken oder Löffel an und entfernt so viele Schalenpartikel digital (d.h. mit den Fingern), bis der Eiermund hinreichend geöffnet ist, um die Köstlichkeit in den Mund gebären zu können. (Wem jetzt nicht vor Eiern graust, der hat einen echten Saumagen.) In Eierlöffeln aus Kunststoff oder Bein ist Geld übrigens gut angelegt, nur zum Anklopfen eignen sie sich mangels Masse nicht wirklich.

Ach ja, und die Eierklopfgeräte, die aus einem Stab mit beweglicher Kugel und einem Kegel untendran bestehen, mögen funktionieren. Doch wer so etwas in der Messerlade hat, gerät leicht in den Ruch der Spülungsbeutelei (englisch: Douchebaggery). Das muss also bitte jede mit sich selber ausmachen. 

Zweitens: Toilettenpapier wird stets so in den Halter gefädelt, dass das lose Ende sich vorne befindet – der Wand ab- und dem Enduser zugewandt. Das wirkt nicht nur freundlicher, sondern bietet zwei handfeste Vorteile. Erstens lässt sich das praktische Accessoire so leichter mit einer Hand bedienen, was Toilettenleser wie ich besonders schätzen. Zweitens verhindert man so Abschürfungen an den Handknöcheln, wenn der Rollenhalter sich an einer verputzten Wand ohne Fliesen befindet. Das betrifft besonders die Mittelschicht, die zwar hinreichend zarte Haut besitzt, um schürfungsgefährdet zu sein, jedoch keinen finanziellen Ponyhof, sodass sie sich nicht selbst wischen müsste. Eine verkehrt angebrachte Klorolle ist somit ein Affront gegen jene gesellschaftlichen Leistungsträger, die ohnehin schon unter täglich wachsendem Druck stehen und das jetzt echt nicht brauchen. 

Und drittens: Nein, zum Anzug gehören sich keine Sneakers. Klarheit schafft, wie so häufig in dieser Kolumne, die Probe auf das Gegenteil, und da merkt ein Mensch mit Herzensbildung sofort: Sneakers zum Anzug sind genauso super wie Jogginghosen mit Penny Loafers, Budapestern oder Gummizughalbstiefeln. Also überhaupt nicht super.

Ich hoffe, mit diesen kleinen Fingerzeigen gedient zu haben.

Freitag, 31. Oktober 2014

Es ist kompliziert


Liebe Lesehäschen, hochverehrte Leserammler, mir sehr teure Leselangohren von hier nicht eigens angeführter sexueller Orientierung: Es gibt Neues von der Genderfront. Treue Leserinnen erinnern sich vielleicht an die hieramts seither gern zitierte Dozentin Silvia Stoller und ihren Beitrag zur Diskussion um die gendergerechte Sprachnormung. Sie, weder Linguistin noch Typographin, sondern Philosophin, hat sich im vergangenen März für den Unterstrich als Königsweg stark gemacht, also z.B. für die „Philosoph_innen“. Dabei ist sie leider die Antwort darauf schuldig geblieben, wie das im Schriftsatz oder in gesprochener Sprache adäquat umzusetzen sei.

Nun hat sich das Österreichische Normungsinstitut vernünftigerweise dagegen entschieden, die gendergerechte Sprache zu normieren. Nein, halt: Nicht die „gendergerechte“, vielmehr die „geschlechtersensible“ Sprache bleibt ungenormt. Was in diesem Unterschied steckt, möge eine jede für sich entscheiden und es mir dann am Klavier vorspielen. Warum wird es keine Norm geben? Weil kein „breiter Konsens“ zu erzielen sei. Da muss man den Damen und Herren recht geben. 

Nur: Was machen wir jetzt? Ich für mein Teil als angehender Berufsjugendlicher des noch frischen 21. Jahrhunderts täte ja nichts lieber, als für jeden Anlass die geschlechtskorrekte Formulierung parat zu haben. Nicht umsonst lest ihr hier in der Regel (d.h.: wenn ich dran denke) nur die weibliche Form.

Dabei hat mich jedoch schon bisher irritiert, dass die Diskussion sich meist nur um die beiden handelsüblichen biologischen Geschlechter drehte. Und Genders soll es ja noch ein paar mehr geben - Facebook stellt Dutzende zur Auswahl, je nach Quelle irgendwas zwischen 53 und 71. Wie um Himmels willen soll ich dem textlich gerecht werden?

Noch schwieriger wird es infolge der Kluft, die sich zwischen allgemein sprachlicher und individuell gelebter Wirklichkeit auftut. Denn die deutsche Sprache kennt nun einmal nur drei Genera (viele andere haben gleich nur eines). Dafür finden die nicht nur in Substantiven statt, sondern auch in Pronomina wie „sein/ihr“ – Frau Dozentin Stoller, wie gendern wir das mit einem Unterstrich? Und fühlen sich die andern 51–69 (haha) Genders da wirklich adäquat mitgemeint?

Ich fürchte, uns bleibt nur ein Ausweg, wenn wir diese Gendersensibilitäts-Chose wirklich ernst nehmen: Wir müssen uns von Femininum und Maskulinum verabschieden und diese beiden ebenso unzureichenden wie konfliktaffinen grammatischen Zuschreibungen eliminieren, auf dass wir dann endlich in friedlichem und vollständig inklusivem Neutralität formulieren können, wie uns das Schnabel gewachsen ist.

Einzige Alternative, und hiermit schreibe ich ein Forschungsprojekt aus: Die allseits bekannte Rule 34 lehrt, dass es von allem, was ist, auch Pornographie gibt. Wenn die 53-71 Facebook-Genders relevant sind, muss

1. entsprechende Pornographie aufzufinden sein;

2. diese für den Konsumenten aufgeschlüsselt sein.

Da lässt sich sicher alles finden, was man für die adäquate Formulierung geschlechtlicher Wirklichkeit braucht. Bitte recherchieren und mir mitteilen, ich überreiche im Gegenzug eine Leberkässemmel. Los geht’s!

Im Übrigen verlange ich, dass nur Jobs mit vollständig ausgefülltem Reinzeichnungskleber die Agentur in Richtung Fulfillment verlassen. Venceremos!


Freitag, 24. Oktober 2014

Trauerarbeit


Meine hochverehrten und mir sehr teuren Lesehäschen und –rammler! Ich kann nicht sagen, dass ich mich freue, euch heute hier versammelt zu sehen. Ist doch der Anlass, der uns hergeführt hat, ein zu betrüblicher, um von Freude zu sprechen. Ich darf euch aber versichern, dass eure geschätzte Anwesenheit zumindest meinen Schmerz zumindest lindert, zumindest so sehr, wie es eine mittelständische Portion guten Whiskys täte.

Nun denn, ihr Schätzbaren, wir haben uns zusammengefunden, um dem nie erhaltenen Briefing die letzte Ehre zu erweisen. Vielleicht ist es auch die erste Ehre, denn wie gesagt: Dieses Briefing haben wir nie erhalten. Dabei gab es einst zu den schönsten Hoffnungen Anlass. Der Anfang von einem schönen Ende hätte es sein können, das Sprungbrett zu einer Trophäe, vielleicht sogar – man darf schließlich Träume haben – zu einem Lob vom Kunden!

Doch ach! das Briefing haben wir nie erhalten. Stattdessen ward uns das Zweitbeste, und selten spürt man so wie hier die Wahrheit der Sentenz, dass der Zweite der erste Verlierer ist. Denn das Zweitbeste war eine Idee. Ideen vom Kunden gibt es, wie man weiß, in zwei Geschmacksrichtungen: schlecht (schlimm) und gut (vielleicht noch schlimmer). In diesem Fall war es eine schlechte. Doch eine schlechte Idee auf Kundenseite ist wie ein Kuckucksküken. Liegt sie erst einmal im Nest, haben die andern Insassen bald nichts mehr zu lachen. Hinten schubst sie mit ihrem kräftigen Bürzel die berechtigten Einwände in den Abgrund, während sie vorne den Schnabel weit aufsperrt und herzzerreißend „Budget! Budget!“ piepst.

Das Briefing hätte diese traurigen Szenen verhindern können. Doch ach! Wir haben es nicht erhalten.

Stattdessen ist die Kuckucksidee groß und fett geworden und hat sich zum (pro Stück) teuersten Mailing des Jahres ausgewachsen.

Darum, liebe Freundinnen und Freunde, lasset uns kurz in Stille verharren und hoffen, dass das nächste Briefing bis zu uns durchkommt.

Freitag, 17. Oktober 2014

Dass ich das noch erleben darf!


Erinnert sich noch jemand an die erste oder zweite hieramtliche Kolumne, so ungefähr vor einem Jahr? Die verriet einen Trick, um leicht und schnell zu erkennen, ob es sich bei einem Leser um einen Kunden handelt: Man verwende in einem Text das Stilmittel der Wiederholung, um durch diese Wiederholung dem Gesagten besonderes Gewicht zu verleihen oder den Leser einzuladen, erst einen Schritt mitzugehen, dann einen Schritt voraus.

Wenn der Leser die Wiederholung eingedenk des in der Volksschule Gelernten rot anstreicht, womöglich noch mit einem vorwurfsvollen Rufzeichen dazu, dann, so euer Kolumnator damals, handelt es sich um eine Kundin oder eventuell auch einen Kunden. Auf diese Regel war Verlass, seit ich zum ersten Mal „HL“ zwischen Schrägstriche gesetzt habe.

Doch nun, liebe Lesehäschen, ist es Zeit: Zeit, den roten Teppich auszurollen. Das Licht zu dämpfen. Einen Trommelwirbel bitte!

Denn jetzt kommt er: Mein unbekannter Kunde, der eine Wiederholung nicht moniert hat, sondern nur verständnissinnig gefragt: „Ist das beabsichtigt?“ Ja, mein Bester, es ist! Und du hast mir die größte Freude gemacht, die ich mit einem PDF-Kommentar je hatte, seit ich auf bash.org von dem Typen gelesen habe, der Pornobilder nur im Acrobat schaut, damit er mit dem kleinen Händchen drüberfahren kann.

Danke, mein Bester! Schau doch einmal in der Agentur vorbei, dann gebe ich dir einen aus. 

Bis dahin: Auf das Wohl des verständnisvollen Kunden!

Freitag, 10. Oktober 2014

Nicht alles, was glänzt


Willkommen zurück, liebe Lesehäschen! Fad war es diese Woche ohne euch. Aber jetzt, jetzt machen wir uns ein schönes Viertelstündchen. Was machen wir? Fies sein! Nämlich Leute ausrichten, die eurem Kolumnator mit einer kleinen Eigenheit unangenehm auffallen.

Unser heutiges Thema ist nicht spezifisch werbeaffin, es betrifft eher die Journalistinnen. Sie sind es, die sich gerne mit einer Wendung schmücken, die ihnen preziös scheint: 

des nächtens 

Wie glänzt dieses kleine Goldstück so hübsch! Wie klingelt es nostalgisch à la Praterkarrussell, wie elegant schwenkt es seinen Genitiv! Wie neckisch gucken die ä-Punkterln einen an! Gerne kramt die Schreiberin dieses scheinbare Kleinod aus einer hinteren Stilschublade, um einer kleinen Glosse das gewisse je-ne-sais-quoi zu verleihen.

Doch ach!, das Gold ist jenes, das Onkel Dagobert schon am Geruch erkennt und danach wieder in die Gosse kickt, nämlich Katzengold, aka Pyrit, aka Schwefelkies. Denn des nächtens ist eine Chimäre wie ein Kalb mit zwei Köpfen – durchaus interessant, aber schön ist anders.

Die Sache scheint mir kompliziert zu liegen. Denn natürlich ist nächtens ein einwandfreies Wort, ein Synonym zu nachts. Nur dass nächtens eben diesen altertümelnden Gout verbreitet, auf den nachts nur neidisch schielen kann. Wie kommt es zu dem seltsamen des nächtens, wo sich Artikel und Temporaladverb so schlecht vertragen, als schriebe man des tagsüber? Das hässliche Ding entsteht aus einer gebräuchlichen und einer unrichtigen Analogiebildung.

Denn es gibt ja nicht nur nachts, es gibt auch die gleichbedeutende Wendung des Nachts. Diese ist in Analogie zum ebenfalls altväterischen des Tages (meint: tagsüber) entstanden – „Des Nachts, wenn alle Veneri aus Gold sind“.

Irgendein Schlaumeier hat sich wohl gedacht, wenn des Nachts schon mehr Bling hat als nachts, wieviel mehr Bling muss dann erst des nächtens statt nächtens haben! Doch das ist ein Rezept für Vierjährige: Wenn Schnitzel gut ist und Nutella gut ist, wie gut muss dann erst ... ersparen wir uns das.

Der springende Punkt ist: nachts ist ein Adverb, (des) Nachts hingegen ein Substantiv, das analog zu Tages entstanden ist und nur zufällig gleich aussieht wie nachts.

Nächtens seinerseits ist ebenfalls ein Adverb, das genau dasselbe bedeutet wie nachts. Es gibt aber kein Substantiv Nächten, dessen Genitiv nächtens sein könnte. Das spüren sogar die halbseidenen Stilistinnen, die gerne des nächtens auf ihren Text pappen wie ein gefundenes Futzerl Goldfolie: Sie schreiben es fast immer klein und geben damit zu, dass ein trauriger Unterschied besteht zwischen des Nachts (gut so, groß) und des nächtens (schlecht erfunden, klein).

Soviel dazu. Jetzt zum 

Feedback der Woche

Jan Belik ist der einzige, der meiner Einladung zum Einsenden zahlreich gefolgt ist. Applaus bitte für Herrn B.!

Sein Kandidat für das Feedback der Woche ist: 

Von meinem iPhone gesendet 

Diese automatisch angefügte Floskel ist mitunter der einzige Mehrwert, den der Weg durch die Beratung dem Kundenfeedback angedeihen lässt. Bedauerlich!

Ich steuere außer Konkurrenz ein Bleamerl vom Rand des Feedbackackers bei:

großes Interesse an den „attraktiven“ Preisen - erwähnenswert dank der graziösen Anführungszeichen, und das im Herbst 2014.

Freitag, 3. Oktober 2014

Semantik für Melancholiker


So meine Lieben, bitte Ruhe, wir haben ein volles Programm. Erstens als Nachtrag zur letztwöchigen Kolumne eine hübsche Syllepsis, geliefert vom gestrigen Standard: „Zum Start der Messe wird eine eigene Games-Beilage in der Tageszeitung erscheinen und unter den Besuchern verteilt.“ 

Na, haben alle die Syllepsis entdeckt?

Genau: Das „wird“ wird hier über Gebühr beaufschlagt. Mit „erscheinen“ bildet es das Futur, mit „verteilt“ gleichzeitig das Passiv, jedoch im Präsens. Das klappt so nicht. Korrekt müsste die Formulierung entweder lauten „erscheint ... und wird verteilt“ oder aber „wird erscheinen ... und verteilt werden“. 

Zweitens bedarf ein Satz aus dem Briefing eines hoffentlich baldigen Kunden der näheren Betrachtung – etliche kennen ihn schon:

Gemeint ist kein Motto im Sinne eines Promotion-Slogans, sondern ein Motto im Sinne einer deskriptiv verbalisierten „Gedanklichkeit“.

Die scheinbar so unschuldige Erläuterung erweist sich bei näherem Hinsehen als sehr betrüblich, weil aus ihr ein tiefes Misstrauen gegenüber unserem Tun spricht. Ist hier doch ein Gegensatz konstatiert zwischen einem „Promotion-Slogan“ und einer „deskriptiv verbalisierten ‚Gedanklichkeit’“. Sollte ein Promo-Slogan nicht vielmehr genau das leisten? Verständlich ausdrücken, worum es geht, wie die Promo gemeint ist? Beinah noch bedenklicher sind die Anführungszeichen, in denen sich Zweifel daran zu malen scheint, dass eine Promo Gedanken enthalten kann.

Ich glaube, dass die Verfasserin* dieses Satzes von der Werbung einmal tief enttäuscht worden ist und dieses Trauma noch nicht hinreichend verarbeitet hat. Wie gesagt, sehr betrüblich. 

Drittens schließlich begrüßen wir mit einem höflichen Applaus unsere neue Rubrik, für die ich recht herzlich um eure Einsendungen bitte. Gesucht ist 

DAS FEEDBACK DER WOCHE! 

Ich eröffne mit der Frage:

„Eisbär ist doch keine Jahreszeitenbezeichnung oder doch?“

Erhalten habe ich diese beistricharme Reaktion auf die Wendung „von Eisbär bis Hochsommer“.

Nun ist es schon bemerkenswert, dass jemand diese Synekdoché** nicht aufzulösen vermag, besonders, wenn die Jemandin sich einen Hochschulabschluss umgehängt hat. Es drängt sich wieder einmal die Frage auf, ob man es hier mit genuiner Dummheit, mit schlecht verhohlener Bosheit oder doch mit Wald-und-Wiesen-Betriebsblindheit zu tun hat. Das schnippisch nachgesetzte „oder doch“ lässt mich auf Bosheit tippen. Genauso gut könnte sich ein Immobilien-Brand-Manager beklagen, dass „die eigenen vier Wände“ keine geeignete Bezeichnung für eine Eigentumswohnung seien, weil eine Wohnung ja Böden, Decken, Installationen und überhaupt mehr als vier Wände hat.

Zum Feedback der Woche wird der Satz aber erst durch zwei von obgedachter Kundin mitgelieferte Gegenvorschläge:

„Von eiskalt bis Hochsommer“ und „Von bitterkalt bis Hochsommer“.

Jaja, wie wir in der Volksschule schon gesungen haben: 

Es war eine Mutter, die hatte vier Kinder:

den Frühling, den Sommer, den Herbst und bitterkalt. 

Das toppt ihr jetzt mal schön!

*Genderklausel bitte in der BamF vom 11. April nachlesen.

**Die Synekdoché ist jene Redefigur, die einen Begriff durch einen anderen, thematisch verwandten ersetzt. Der bekannteste Spezialfall ist wahrscheinlich das pars pro toto, d.h. es vertritt, wie im Beispiel von den vier Wänden, ein Teil das Ganze.

Freitag, 26. September 2014

Doppelbelastung


Erstens gebe ich jetzt eine Runde nicht etwa aus, denn Wies’n war gestern. Nein, ich gebe eine Runde an, weil ich so super bin. Hat mir doch ein überaus schätzbarer und teurer Freund eine Belegstelle aus einem kürzlich erschienenen germanistischen Werk geschickt, worin meine Dissertation zitiert wird, und zwar mit dem unzweideutig positiven Epithet „lesenswert“. Jawoll, meine Damen und Herren, lesenswert seit 15 Jahren, euer Zweckdichter.

Alsdann, liebe Lesehäschen, bleibt dran, lest weiter und erfahrt, was es heute hier zu erfahren gibt. Als Nächstes klaue ich schamlos, aber anders als Spindelegger und Khol mit Quellenangabe. Ich klaue von Oliver Voß. Dieser ist nicht zu verwechseln mit dem doppelt be-essten Oliver Voss, früher Kreativboss bei JvM und heute sein eigener Chef.

Unser heutiger Gaststar Oliver Voß ist ebenfalls an der Alster tätig, jedoch als maßgeblicher Lektor der ZEIT und damit Gottvater der deutschsprachigen Richtigkeit. In dieser Eigenschaft verfasst er seit einigen Monaten die uneingeschränkt empfehlenswerte Kolumne „Fehlerlesen“ (siehe Link unten), um darin interessante sprachliche Problemstellungen darzulegen. In der jüngsten Ausgabe von „Fehlerlesen“ streift er ein Thema, das immer wieder für kurze, mehr oder weniger fruchtbringende Diskussionen gut ist: die Syllepsis.

„Bitte lauter und in verständlichen Worten“, tönt es aus den hinteren Reihen, und weil „dienstbereit“ mein zweiter Vorname ist, klaue ich sofort ein Beispiel von Voß und serviere es euch: „Das waren Menschen, die uns ablehnend gegenüberstanden, ja hassten.“ Das klappt so nicht, weil man dem Dativ gegenübersteht, aber den Akkusativ hasst. „Uns“ steht hier gleichzeitig in beiden Fällen, und das ist mehr Last, als drei Buchstaben tragen können, weshalb wir sie einfach verdoppeln: „Das waren Menschen, die uns freundlich gegenüberstanden, ja uns verehrten.“ Fertig ist die Gartenlaube: Man darf solche Wörtchen beim zweiten Mal nur weglassen, wenn sie im selben Fall stehen wie beim ersten Mal.

Karl Kraus subsumiert so etwas unter „Zeugma“, während i-Tüpferlreiter das Zeugma von der Syllepsis, unterscheiden, für die sich Kraus von einem Leserbriefschreiber ein korruptes Schiller-Zitat als Beispiel unterschieben hat lassen.

Aber der Reihe nach: Das Beispiel von Voß stellt eine Syllepsis dar. Denn „uns“ bezieht sich auf „gegenüberstanden“ und „hassten“, müsste dazu aber jeweils in unterschiedlichen Fällen stehen. Ähnlich liegt der Fall bei Kraus mit dem ihm von einem Leser zugesandten Titel von Friedrich Schillers Antrittsvorlesung:

Was ist und zu welchem Ende studieren wir Universalgeschichte? 

Die Universalgeschichte steht hier gleichzeitig im Nominativ („sie ist“) und im Akkusativ („wir studieren sie“). Kraus tut damit Schiller ausnahmsweise unrecht, denn der Titel lautet tatsächlich: „Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte?“ Hier hat sich Schiller das erste „man“ (was heißt man) legitimerweise gespart, und die Universalgeschichte steht eindeutig im Akkusativ.

Soviel zur Syllepsis. Und was ist nun ein Zeugma? Das, was Texter manchmal in die Copy zu schmuggeln versuchen, meist aber erfolglos. Ein Prädikat bezieht sich grammatisch korrekt auf mehrere Objekte, die aber semantisch auf unterschiedlichen Ebenen stehen: „Er nahm den Hut und sich das Leben“; „ich heiße Hase und euch willkommen“. Einen ähnlich gelagerten Fall findet ihr am Start dieser Kolumne, wo „eine Runde“ zuerst wörtlich für eine Runde Getränke steht, dann aber adverbiell im Sinne von „vorübergehend“.

Fragen? Immer her damit.


Freitag, 19. September 2014

As above, so below, oder so


Ich rief und genau einer kam: Kollege E. hat als einziger einen Themenwunsch für die heutige Kolumne geäußert, den ich selbstverständlich zu erfüllen eile, so gut ich es vermag. Erich, auf dich ist eben noch Verlass!

Nun denn, die Upperline. Ich hatte sofort keine Ahnung, was Erich damit meint, und habe mir deshalb eines Dienstagvormittags reichlich Mut angetrunken, diesen zusammengenommen und ihn danach gefragt. Alsbald war mir die Antwort, eine Upperline sei so etwas wie eine Subheadline, nur dass sie nicht unterhalb der Headline steht, sondern ganz weit oben. So wie die Subheadline die Headline erweitert und fortführt, führt die Upperline die Leserin zur Headline hin.  Nicht zu verwechseln ist sie deshalb mit der Rubrik, die nur zufällig an derselben Stelle steht.

Weil ich meinen Lesehäschen zu Sorgfalt verpflichtet bin, habe ich Erichs Erklärung jedoch nicht einfach für bare Münze genommen. Zu meiner gelinden Überraschung zeigt sich, dass der gute alte Fachausdruck in der Welt da draußen kaum geläufig ist. Per Google-Suche nach „upperline“ findet man Steuerberater in Michigan, Fresshütten in New Orleans und Berechnungsmodelle für die Entwicklung von Vogel- und Schildkrötenpopulationen, und all das auch nur aus Versehen, nämlich für „upper line“, anstatt für „upperline“. Von Werbung ist da keine Spur. In den maßgeblichen Online-Wörterbüchern sucht man die upperline auch vergebens.

Eine offensichtliche Schwäche hat die Upperline außerdem. Denn gar manchem Kunden fällt es eingestandenermaßen schon schwer, „HL“ zur „Headline“ und „SL“ zur „Subheadline“ aufzulösen. Die wünschen sich dann Manüsse, in denen stattdessen „große Überschrift“ und „kleine Überschrift“ steht.  Wenn wir nun umgekehrt die Upperline abkürzen, steht da „UL“, also ganz klar: die untere Line.

Mein Lösungsvorschlag: Nennen wir die Upperline einfach „Overline“, weil sie over dem Rest steht. Schon haben wir eine OL, und alles ist gut.


Freitag, 12. September 2014

Miszellen


Heute – Moment, da googlet noch einer „Miszellen“ – so, jetzt aber: Heute ist einer von diesen Tagen. Das muss man wohl keiner erklären, besonders keiner, die gestern beim Top Spot war. An solchen Tagen soll man sich nicht in die großen Fragen vertiefen, sondern nur ein bisschen an den kleinen knabbern. Das macht Appetit auf eine Käseleberkässemmel, die der einzig mögliche Ersatz für ein kleines Gulasch ist, mit dem Zusatzvorteil, dass man sich nicht so leicht anpatzt, was peinlich aussieht, besonders, wenn man immer noch das Teil anhat, das man am Vorabend mit Gulasch angepatzt hat, und wenn es nur Gulasch war, kann man noch froh sein, nach dem zu schließen, was ich über die Hasen-App vom Kollegen A. gehört habe.

So. Also. 

Erste Frage: Wie nennt man dieses Gefühl des kognitiven Kribbelns, das sich einstellt, wenn man einer forsch tätowierten Person ansichtig wird, die ein forsch gemustertes Kleidungsstück trägt, sodass man auf den ersten Blick nicht sicher sagen kann, wo die gestaltete Haut aufhört und das Shirt beginnt? Dafür sollte es nämlich ein Wort geben. 

Zweite Frage: Ist das eben beschriebene Gefühl verwandt mit jenem beim Lesen von Verkleinerungsformen, die uns daran zweifeln lassen, ob wir ein „sch“ oder ein „s-ch“ lesen sollen? Ich spreche z. B. vom Höschen, vom Mäuschen und vom Lesehäschen. Antwort: aber klar! 

Dritte Frage, und auch gleich die Antwort darauf: Soll man als Kunde in einem Manus gerade Anführungszeichen (die oben stehen) zu typografischen (die unten stehen) korrigieren?

Nein. Kann man sich sparen. Schließlich ist das ein Manus, da gehen noch Menschen drüber, die wissen, was sich typografisch gehört. Ich für mein Teil bin ja ohnehin kein Freund der deutschen typografischen Anführungszeichen, weil in den meisten Schriften das halbe Anführungszeichen praktisch ununterscheidbar vom Beistrich ist. 

Vierte Frage, ebenfalls mit Antwort: Gibt es tatsächlich Menschen, die glauben, dass in einer zweizeiligen Headline die zweite Zeile „Subheadline“ heißt anstatt „zweite Zeile der Headline“? Ja, leider. Und sie werfen noch andere unerfreuliche Fragen auf, wie ihr gleich feststellen werdet. 

Fünfte Frage:Gibt es dieses Wort in der deutschen Sprache wirklich?“ Kürzlich hatte ich das Vergnügen, diese Frage in einem Kundenfeedback zu lesen.

Antwort: Ja, das Wort „vielgestaltig“ gibt es. Manche meiner Lesehäschen mögen es für fragwürdig halten, dass ich dieses Wort in einem Foldertext verwendet habe. Viel bedenklicher finde ich aber, dass man in Österreich ein Studium der Kommunikationswissenschaften abschließen kann, ohne mit Wörtern dieser Gewichtsklasse Bekanntschaft gemacht zu haben. Mehr muss man über unser Bildungssystem nicht wissen, denke ich.

Nächsten Freitag: Tja, blblblbl, keine Ahnung. Vorschläge?