Freitag, 23. Dezember 2016

Ruhe




















Heiligabend wieder naht,
dein Rechner wird bald abgedraht.
Du hast die Stunden eingetragen,
Den Boss gedrückt und, ohne Fragen,
ihm eine gute Zeit gewunschen.
Vorbei ist’s endlich mit dem Punschen.
Aufs Christkind trinken wir zuhause
Dort hat der Fusel Festtagspause.

Was soll ich euch zur Weihnacht dichten?
Ihr kennt sie doch, die alten G’schichten.
Wie der Knecht Ruprecht die Beine hebt.
Wie Loriots Förster als Filetstück auflebt.
Wie dem Englein die Kekse hinunterfallen
Und von des Weihnachtsmanns Überschall-Knallen –
Von alldem kann ich nichts Neues sagen.

Gut so! Unter Baum bleibt alles beim Alten.
Freu dich, dass du dasitzt, noch immer kaum Falten.
Schalt ein die CD, zünd an die Lichter
Und trink einen Schluck auf deinen Zweckdichter.

Freitag, 16. Dezember 2016

Brieferl


Das Wetter draußen ist furchtvoll, aber das Feuer ist recht erfreulich ... naja, so ähnlich. Jedenfalls ist bald Weihnachten, und ich habe meinen Brief ans Christkind noch nicht weggeschickt. Der Brief ans Christkind ist deshalb so wichtig, weil man dank Brief ans Christkind glauben kann. Denn außer dem Christkind kriegt heutzutage ja niemand mehr Briefe. Aber vorher dürft ihr ihn lesen. Warum? Na, weil ihr meine hochgeschätzten Lesehäschen seid! Also:



Liebes Christkind,

unterm Baum packe ich gerne aus:

1. Eine schöne Regelung für die Satzzeichen in Aufzählungen. D. h. ich will in Aufzählungen am Schluss eines Items einen Punkt setzen, wenn es sich um einen vollständigen Satz handelt, andernfalls hingegen nicht. Die Alles-oder-nichts-Geschichte finde ich blöd.

2. Dass wir € 100,– so schreiben, oder auch EUR 200,, oder meinethalben auch 200 Euro. Hingegen schenken wir es uns nächstes Jahr, 150,40 Euro so zu schreiben und das mit dem „Lesefluss“ zu begründen.

3. Eine gute Idee, wie man postfaktischen Argumenten begegnet.

4. Was Wirksames gegen unansehnliche Anglizismen, und damit meine ich nicht die Verwendung von sympathischen Fremdwörtern wie One-Night-Stand oder challenge, ich meine merkwürdige Konstruktionen wie Sinn machen oder das ist, warum. Denn es macht keinen Sinn. Gemacht werden Männer (dann sind sie gemachte Männer), Kinder (dann existieren sie im Unterschied zu vorher) und Pausen (immer gut). Sinn entsteht, wird gestiftet oder ergibt sich. Und natürlich ist das der Grund, dass. Es ist nicht, warum.

5. Einen Gutschein für Lektoratsdienstleistungen, den ich gleich dem Online-Standard weiterschenken kann. Kürzlich haben Mitterlehner und Lopatka jenem zufolge das Kriegsbeil beigelegt. Seither warte ich als mittelschichtige ÖVP-Zielgruppe mit Privatschulaffinität auf ein schickes Direct Mailing, das mich als potenziellen Wähler anspricht. Allerdings muss dem Mailing ein Kriegsbeil beigelegt sein. Sonst wähle ich nicht schwarz, da bin ich eigen. Im selben Artikel war allerdings auch vom Quertreiben der Regierungslinie die Rede, was mir ein interessanteres Problem zu sein scheint, als man zunächst glauben möchte. Denn man hat zwar den Eindruck, als läge die Schwierigkeit darin, dass der Regierungslinie eine Tätigkeit zugeschrieben wird, während sie in Wahrheit Objekt und nicht Subjekt dieser Tätigkeit ist (nicht die Regierungslinie treibt quer, sondern Lopatka treibt quer zu ihr). Doch hätte der Betreffende vom Hintertreiben der Regierungslinie geschrieben, wäre (zumindest für mein Schweinsauge) alles in Ordnung. Das Dumme ist also wohl, dass quertreiben ein intransitives Verb ist (d. h. kein Objekt im 4. Fall verträgt), hintertreiben hingegen ein transitives, sodass in der Passivkonstruktion der 2. Fall passt: Ich backe den Kuchen (im Akkusativ); das Backen des Kuchens (im Genitiv). Hingegen: Du schaust ob dem Wahlergebnis enttäuscht – das Enttäuscht-Schauen des Wahlergebnisses. Nein, das geht sich nicht aus. (Übrigens wurde das Kriegsbeil mittlerweile korrigiert, quergetrieben wird aber immer noch.)

6. Lesestoff, der dem Aubrey-Maturin-Zyklus das Wasser reichen kann.

Und natürlich 7. die Weigerung der US-Elektoren, für Trump zu stimmen, solange er sich nicht von seinen Besitztümern im Ausland trennt.
Schauen wir, ob ich auch brav war.

Freitag, 2. Dezember 2016

Tarnkappe

Verehrte Lesehäschen, gerne stelle ich mir vor, wie ihr euch allfreitäglich die BamF reinpfeift, andächtig, frisch gewaschen, und überhaupt so, wie gut euch schuf: mit nichts als eurem Lesehäschenfell an. Denn Lesehäschen sind reinen Herzens, da darf man ruhig das Fell sehen und sich nichts dabei denken.
Dass das nicht so sein muss, wissen wir. Gern wird in letzter Zeit über verhüllte Frauen diskutiert, und da reden wir nicht vom Kopftuch, sondern von der Tschador-Niqab-Kombi, für deren Trägerinnen ein Freund vor vielen Jahren den ebenso bild- wie boshaften Ausdruck „Barbapapas“ geprägt hat. Das ist nicht nur leichter zu merken als die Unterschiede zwischen Hidschab, Tschador, Niqab und Burka. Es gibt uns auch einen Hinweis auf die semantische Schlüpfrigkeit, die sich eine anwesende, aber unsichtbare Person anverwandelt, aber davon später. Denn die verhüllte Frau ist ja nicht nur verhüllt, wenn sie dir auf der Straße begegnet, sondern auch, wenn du sie zum Beispiel interviewst, mit ihr eine Proseminararbeit schreibst oder über das korrekte Ankreuzeln bei der Wahl des Bundespräsidenten diskutierst. Nur diskutierst du nicht mit ihr, sondern mit einer sprechenden Stoffbahn. Ohne Mimik und mit wenig Körpersprache.
Katholiken meines Jahrgangs erinnern sich an die Beichtstühle von einst, mit dem Sichtschutz zwischen Beichtkind und –vater. Keiner sollte das Gesicht des andern so genau sehen. Das Gespräch mit einem verhüllten Menschen stelle ich mir genauso vor, nur halt einseitig: für dich ein Telefonat, für die Verhüllte ein Gespräch zu Angesicht (aber eben nicht von).
Natürlich hat dieser unfaire Vorteil den Nachteil, dass er dem Gegenüber von vornherein klar ist und man es daher möglichst vermeiden wird, sich mit verhüllten Menschen auf eine Diskussion einzulassen, in der es um etwas geht. Wenn es aber einmal so weit ist, dann verleiht so eine Tarnkappe bestimmt Superkräfte. Kampfrhetorik ist nur so stark, wie der Kampfrhetor seinen Gegner lesen kann. Kurz gesagt: Hätte van der Bellen sich vor jenen Diskussionen, an die wir so ungern zurückdenken, rechtzeitig eine Burka übergestülpt, dann hätte Nobsi bestimmt dumm aus der Wäsche geschaut.
Merkwürdig scheint mir auch die Logik der Verhüllung: Die Vollverschleierung, darüber sind sich alle einig, ist ein Mittel der Unterdrückung. Zwar dient sie vordergründig dazu, die Frau vor der unkontrollierbaren Sexualität der Männer zu schützen (die die Frau, mit deren unverborgenen Reizen konfrontiert, umstandslos bespringen würden). Damit geht aber natürlich einher, dass die Frau aus der Öffentlichkeit entfernt wird, die den Männern damit allein bleibt. Die Verhüllung ist also politisch, doch ebenso politisch kann, mit umgekehrtem Vorzeichen, die Enthüllung sein: Während die islamische (oder, wenn man Fachleuten glauben darf, unislamische) Verhüllung dem Schutz der Frau vor dem hemmungslosen Mann dienen soll, befreite frau (hier einmal unverzichtbar!) sich in den 70ern vom BH und entsorgte damit auch gleich ihren Objektcharakter als Lustziel des Mannes, der ein Stimulans vertragen konnte, um sexuell in die Gänge zu kommen, har-har. Ob frau sich die Burka über- oder den BH wegwirft – in beiden Fällen wird dem Begehren des Hodenkartells getrotzt. Politik, scheint mir, ist echt kompliziert, und Kleidung auch. Sogar Burkas sind komplizierter als vermutet. Wusstet ihr, dass es Burkas nicht nur in Ist-dieses-Kleid-weiß-und-gold-oder-schwarz-und-Blau gibt, sondern auch in Gelb, Grün und Weißdergeier? Guckt ihr auf Amazon, kriegt ihr Bescheid.

Freitag, 25. November 2016

Messerstecherei


Man fragt sich manchmal, warum die sogenannten Besonnenen, Linken, Wählbaren den Rechten argumentativ nicht gewachsen sind. Woran liegt es, dass nach drei Viertel der Diskussionen der Blaue drei Bier bestellt, zwecks Siegesfeier?

Glücklicherweise war vor einem Weilchen Halloween, mithin Gelegenheit, Menschen in Filmklassikern dabei zuzuschauen, wie sie ins Verderben laufen.

Wir sollten uns aufteilen, um das Gemäuer zu erkunden.

Ich geh mal in diese dunkle Höhle und bin gleich wieder da.

Ich drehe mich sicher nicht um, obwohl in der letzten Dreiviertelstunde schon drei von meinen besten Kumpels von hinten gemeuchelt worden sind.

So läuft das, und es hält den Horror auf Schiene.

Dabei ist mir klargeworden: Wir sind doof. Genauso doof wie die baldigen Opfer in den Slasher-Klassikern. Die Linken servieren den Rechten die Argumente gegen sich selbst auf dem Silbertablett. Ob man jetzt den dummgeilen Jugendlichen in Freitag der 13. zuschaut oder vdB im Clinch mit Nobsi: In beiden Fällen kommt unausweichlich der Augenblick, wo man als Betrachter ausruft „tu’s nicht“, worauf die Angesprochenen prompt ihr Ding durchziehen und sich bald darauf fragen, wie sie in diese Bredouille (dieses Verlies, diesen Sarg) geraten sind.

Ganz einfach: selber schuld. Nehmen wir Brigitte Bailer-Galanda, eine Koryphäe der österreichischen Zeitgeschichtsforschung. Sie schrieb kürzlich über das Handbuch freiheitlicher Politik, das die FPÖ für ihre Funktionäre auflegt, dieses enthalte Aussagen, „wie sie sonst nur in rechtsextremen Publikationen zu lesen sind“.

Damit hat sie ganz sicher recht. Aber die Beispiele hätten sich sorgfältiger wählen lassen. Dass etwa „Betreuung in familiärer Geborgenheit ... staatlichen Einrichtungen wie Kinderkrippen vorzuziehen“ sei, soll ein rechtsextremer Standpunkt sein? Frau Bailer-Galanda schreibt es, allein in ihrem Arbeitszimmer, und fast geräuschlos öffnet eine schwarzbehandschuhte Hand die Eingangstür. Frau Bailer sieht auf. Ein kleines Knacken? Ach, das war nur die Katze. Und sie schreibt weiter:

Die deutsche Sprache stelle einen „Hort der geistigen Überlieferung“ dar, zitiert sie aus dem Handbuch, um dem blauen Wolf das Schaffell herunterzureißen. Wie bitte? An diesem Punkt besteht in der jeweils gültigen Handlungslogik kein Unterschied mehr zwischen der verdienten Historikerin, die Argumente gegen die FPÖ in Stellung bringen will, und einer achtzehnjährigen Filmblondine, die, mit nichts bekleidet als dem Button-down-Hemd ihres Haberers, „nur schnell Bier holen geht“. Beiden wird auf ihrer Mission kein Glück beschieden sein. Denn die Film-Tante mag jung, schnell, behende sein – wurscht, sie hatte vorehelichen GV und ist deshalb designiertes Opfer. Frau Bailer-Galanda ist eine hochkompetente Expertin für Rechtsextremismus, doch das spielt keine Rolle mehr. Wir würden Winston Churchill ohne weiteres die Ansage zutrauen, dass „die englische Sprache ein Hort der geistigen Überlieferung“ sei. Weil es aber in einem FPÖ-Handbuch steht, kann die Expertin der Versuchung nicht widerstehen, die Kotspur von den Nazis zu diesem Satz nachzuverfolgen. Sie existiert zweifellos. Um aber damit zu punkten, müsste man auch einen inhärenten Nationalsozialismus der deutschen Sprache nachweisen. Das geht natürlich nicht, und so sind auch Bailer-Galandas übrige, bessere Argumente desavouiert. Ihr Hinweis ist im Schlagabtausch so wertvoll wie die Beobachtung, dass auch die Nazis klares, deutsches Wasser als Hort der Durstlöschung aufgefasst haben. Es mag schon stimmen, aber es bietet Angriffsfläche für die Frage, ob man denn jetzt auch schon gegen Wasser etwas habe. Wer gegen die Kampfrhetorik eines Hofer oder Strache ankommen will, muss Argumente bringen, die für sich sprechen, und das heißt: mit möglichst wenig Kontext. Denn aus diesem werden sie garantiert gerissen. Auch das Messer bleibt immer gleich scharf, ob es Mike Myers führt oder Jamie Lee Curtis. Wer heil aus der Sache herauskommen will, nehme sich an ihr ein Beispiel.

Freitag, 18. November 2016

Wissenschaft ist schwer

Heute, verehrte Lesehäschen, ist mal wieder Lieblingsthemenfreitag. Nicht etwa „Lieblingsthemafreitag“, denn wir haben gleich zwei prachtvolle Lieblingsthemen, voll aufgezwirbelt mit Mascherln in der Mähne und Schaum vor dem Maul, die ungeduldig mit den Hufen scharren und aus der Startbox preschen: Erstens die Kinderbetreuung, ach ja, die startet los und ist aber schon um die erste Kurve verschwunden, bevor wir so recht erkannt haben, was das jetzt war.
Viel gemächlicher trabt Lieblingsthema Nummer 2 hinterher. Nur weiß man dabei nicht recht, was es ist: Schöne Formulierungen im Journalismus? Oder Wissenschaft, die uns gerade noch gefehlt hat? Es gibt nämlich, und damit kommt jetzt endlich nicht nur der Hengst über die Startlinie, sondern auch die Katze aus dem Sack, eine Dissertation mit dem schönen Titel „Umgang mit religiöser Differenz in elementaren Bildungseinrichtungen. Eine ethnographische Studie an Kindergärten in katholischer und islamischer Trägerschaft in Wien“ von Dr. Helena Stockinger. Leider wurde sie bisher nicht veröffentlicht, sonst könnte ich mehr dazu sagen. Abgesehen von der Frage, welche Mutter, welcher Vater ein Kind so richtig leichten Herzens und fröhlich einer „elementaren Bildungseinrichtung“ anvertrauen würde, ist das jedenfalls eine interessante Fragestellung, auch wenn sie nicht repräsentativ beantwortet wird (weil nur je ein Kindergarten untersucht wurde). 
Glücklicherweise (für uns) oder leider (wahrscheinlich für Dr. Stockinger) wurde die Dissertation auch im Standard besprochen. Dabei passiert, was halt so passiert, wenn eine umfangreiche wissenschaftliche Arbeit in einer halben Spalte abgehandelt wird: Man fragt sich, was das eigentlich soll. Ich bin sicher, Dr. Stockinger hat eine sorgfältige und wichtige Dissertation geschrieben. Doch was die journalistische Radikalbehandlung übriglässt, ist eine Sammlung von Plattheiten. Nach der Lektüre wünscht man sich nur eines: Hätte man es doch im eigenen Beruf auch so leicht wie Dr. Stockinger scheinbar in dem ihren! Der Artikel verkauft uns zum Beispiel dies als promotionswürdige Erkenntnis: Der Kindergartenraum in katholischer Trägerschaft war sehr stark von christlicher Symbolik geprägt.
Ui! Da heißt es aufpassen! Sind wir wirklich so weit vom christlichen Jihadismus entfernt, wie wir uns gern einreden, und so weiter und so fort! Dazu fällt mir ein, dass vor einigen Monaten ein junger Mensch ein Auto in eine Wiener Fußgängerzone gelenkt hat. Beim Aussteigen, so wurde berichtet, habe er irgendwas mit „Allah“ gesagt, sodass er alsbald als islamistischer Attentäter agnosziert war. Mir scheint das nicht völlig beweiskräftig, denn ehrlich: Sollte es mir einmal unterlaufen, dass ich ein Auto in eine Fußgängerzone lenke, wie einem halt einmal ein Blödsinn passieren kann, dann würde ich dieses ebenfalls zügig verlassen, und ich kann nicht garantieren, dass mir dabei kein Jessasmarandjosef auskäme, jedoch ohne dass ich deshalb gleich bereit wäre, mich für die katholische Sache zu opfern.
Übrigens berichtet Dr. Stockinger von einer muslimischen Mutter, die verhindern wollte, dass ihr Kind im katholischen Kindergarten ein Kreuzzeichen macht. Die katholische Pädagogin wies darauf hin, dass es ihr freistehe, ihr Kind einer nichtreligiösen Betreuungseinrichtung anzuvertrauen. Ich hege den Verdacht, dass ich die betreffende Pädagogin kenne. Wenn ja, dann beweist dieser Vorfall mehr für meine Ansicht zu ihrer Intelligenz als gegen konfessionelle „Bildungseinrichtungen“. Soviel zum Freitag.

Freitag, 11. November 2016

Wer ist dieser Trump?

Ooops. Damit hatten wir jetzt nicht gerechnet, oder? Hand hoch, wer gedacht hat, dass Grapschmeister Donald Bürgermeister von Amerika wird! Ich, verehrte und weitblickende Lesehäschen, gebe zu, dass mein Geld auf Frau Clintons Rockschößen in die Taschen der Buchmacher geritten wäre, hätte ich denn welches, um es so frivol zu riskieren. Jetzt ist natürlich alles anders, und das ist erst der Anfang. Ein Gesamtkunstwerk des Grauens nimmt, soweit möglich, Haltung an, um sich an die Spitze der USA zu stellen. Wie das?
Waren es die Single-Issue-Voters, die keine Absonderung eines Kandidaten wahrnehmen, solange er nur ihre Meinung zu Abtreibung, Politikerbezügen, Mexiko oder Hundehaltung teilt? Waren es die Abgehängten? Wer ist das überhaupt?
Mir scheint, wir halbwegs Gebildeten, Situierten, Reflektierten haben uns diesen wirklich ekelhaften neuen Ausdruck deshalb so blitzschnell zu eigen gemacht, weil wir uns damit, wenigstens dieses eine Mal noch, unserer Überlegenheit versichern können. Wir mögen mit den Fingernägeln an der Kante der Mittelschicht hängen, wir mögen uns Sorgen um unsere Kinder machen, wir mögen neidisch nach schräg oben schielen, wo die Wohnungen schicker, die Reisen ferner und die Sorgen stilvoller sind. Aber immerhin haben wir einen höheren Schulabschluss und bessere Zahnversorgung als die, die wir gerade noch abgehängt haben. HansRauscher scheint derselben Ansicht, denn er schreibt:
Bringt eure Angelegenheiten in Ordnung. Zählt eure Aktiva und Passiva, überlegt euch, was ihr tun könnt, um das Schlimmste abzufedern. Besinnt euch auf gemeinsame Interessen, erstellt Notfallpläne für drohende Ereignisse, so unwahrscheinlich sie auch erscheinen mögen. Vor allem: Glaubt nicht, dass es schon nicht so schlimm werden wird.
Ehrlich, Herr Rauscher: Das ist es? Testament machen, Goldbarren im Wald vergraben und Mineralwasser bunkern? Und was ist mit denen, die keine Goldbarren haben? Die sind dann erst recht wieder abgehängt und wählen den nächsten Trump, wenn alles überstanden ist.
Ich denke, das werde ich mir ersparen und stattdessen den Kopf in den Sand stecken. Wenn ich Glück habe, entdecke ich in der Tiefe einen Kaninchenbau, kullere hinab und sehe die andere Seite. Dort wohnt auch eine Wahrheit, und sie lautet: Selbst wenn ein Superschurke Präsident geworden ist, kommen wir ohne Batman klar. Denn der Trumpster ist nicht der Joker, er ist der Pinguin, nicht Heath Ledger, sondern Danny de Vito, kein Horrorclown, sondern die traurige Farce, die von einem Clown bleibt, der das Abschminken versäumt hat.
Wer behauptet, Norbert Hofer sei ein kleiner Trump, dem sage ich: Donald Trump ist ein großer Richard Lugner. Die Unterschiede liegen in den bewegten Summen, im Grad der Integrität, im ausgestellten Rassismus. Die Gemeinsamkeiten sind aber wenigstens ebenso schlagend: Ein Immobilienspezialist kann nicht genug von Trophy Wives bekommen, von medialer Präsenz und von den Lockungen der Macht. Wer die geilere Frisur hat, darüber erübrigt sich jede Diskussion. Stellen wir uns, in Gottes Namen und nicht so wahr mir Gott helfe, auf vier Jahre ein, in denen die schlechten Operetten einmal in Washington gespielt werden anstatt am Ballhausplatz. Auch sie werden vorbeigehen, und dazwischen stehen noch Midterm Elections in zwei Jahren an, die einen Katzenjammer garantieren. Für wen, das wird sich zeigen.
Freilich: Wenn die vier Jahre um sind, werden wir wahrscheinlich froh sein, wenn sich Mörtel noch einmal zur Wahl stellt.

Freitag, 28. Oktober 2016

PSA für Lebensanfänger

Verehrte und bewundernswert knackige Lesehäschen, Jugend ist keine Sünde, und Alter ist kein Verdienst. Geschenkt! Denn wahr ist auch, was Wolfram Siebeck Nachwuchsköchen mitzugeben pflegte: Sie sind noch jung, aber das wird mit jedem Tag besser. Viele, denen es diesbezüglich schon ziemlich gut geht, erstaunen gelegentlich ob der Dinge, die man heute ohne Genierer nicht wissen kann. Deshalb hier einige Punkte, endlich geklärt:
Zu Weihnachten feiert die Christenheit Jesu Geburt, zu Ostern die Auferstehung und zu Pfingsten das Erscheinen des Heiligen Geistes. Muss man nicht dran glauben, aber hier herum ist es nicht übertrieben, es zu wissen. Ich glaube zum Beispiel auch nicht, dass Big Bang Theory eine sehenswerte Serie ist, aber ich weiß, dass es diese Serie gibt, dass eine der Hauptfiguren Sheldon heißt und dass Sheldon ein Dummbeutel ist, der unter echten Physikern keine halbe Stunde überdauern würde.
Die 80er waren nicht cool. Jaja, es gab Metal und NDW. Es gab aber auch ALF, den Kalten Krieg, Tschernobyl und extrem ungute Schulterpolster. Und ganz ehrlich: Wie lange kann man sich zugedröhnte Mattenträger in Stretchhosen anhören, die den Mond anjeiern und glauben, dass ihnen dafür alle zwei Stunden ein frisches Groupie zusteht? Eine der großartigsten und traurigsten Pointen in Boogie Nights kommt im Rahmen der Silvesterfeier 1979, als alle total aus dem Häuschen sind, weil jetzt ganz bestimmt endlich ein richtig lässiges Jahrzehnt kommt. Jungejunge, ihr süßen Pornomäuse und –mäuseriche, wenn ihr wüsstet! In Wahrheit waren die 80er das Hangover unter den Jahrzehnten: lustig, wenn man von weitem zuschaut, aber für die unmittelbar Beteiligten erst schön, als der Schmerz nachließ.
Und täglich grüßt das Murmeltier ist auch ein Film. Ich weiß, der Titel schlängelt sich so unwiderstehlich ins Ohr, dass man glauben könnte, es handelt sich bloß um eine schräge Redewendung. Auch, aber es ist vor allem ein sehr feiner Film mit dem wie immer sehr feinen Bill Murray. Kann man sich ruhig anschauen, gibt’s auf Amazon Video.
Der Lichtschalter für die Scheinwerfer eines Autos ist irgendwo links. Klar kümmern sich viele Fahrzeuge heute selber darum, ob die Scheinwerfer leuchten oder nicht. Aber selbst dafür muss der Schalter auf Auto stehen.
Computerspiele sind nicht besser, nur weil die Grafik höheren Ansprüchen genügt. Auflösung, Geschwindigkeit, Brillanz und weißdergeierwasnochalles von zum Beispiel DOAX 3 verhalten sich zu den entsprechenden Kenndaten von zum Beispiel Day of the Tentacle wie ein neuer Lamborghini zu einem gebrauchten Maultier, nachdem dieses sich in Salami verwandelt hat, und da haben wir vom Gainaxing noch gar nicht angefangen. Das beweist aber nichts gegen die Story und den Witz von DOTT.
Es ist okay, wenn Läden sonntags zu haben. Wenn sie offen haben, sorgt das nur für Stress. Erstens sind wir zu unvorhersehbaren Zeiten gezwungen, Zäune zu umwandern wie Mexikanerinnen mit drei Kindern, die sehnsüchtig auf einen Zimmermädchenjob in Texas schielen, nur dass diese Zäune nicht den erfolgreicheren vom weniger erfolgreichen Kapitalismus trennen, sondern zum Beispiel den Rum von der Cola, die eingelegten Champignons vom Suppengemüse oder die Fischstäbchen von den Erdäpfeln. Doch damit nicht genug: Der Petersil ist aus. Jetzt musst du losradeln und schauen, ob es dir gelingt, eines feiertäglichen Mittwochs in einem der zivilisiertesten Länder der Welt einen Strauß Suppengewürz aufzustellen. Glück gehabt und was dazugelernt: Das Gesetz, das den Spar am Hauptbahnhof verpflichtet, am Feiertag um 14:15 Uhr einen Zaun quer durch den Laden zu errichten, gilt um 14:30 Uhr nicht für den Spar in Wien-Mitte.
Bittesehr: Lassen wir den Spar einfach wieder geschlossen wie früher und bestellen in Zukunft Pizza, wie es dem Feiertag gebührt.

Freitag, 21. Oktober 2016

Wahl ohne Kampf

Sagt mal, Damen und Herren, was ist eigentlich mit unserem Präsidentschaftswahlkampf? Gibt es da schon ein verbindliches Startdatum? Ich finde es ja eh unterhaltsam, was der Donald aufführt. Interessant und bedenklich ist auch, dass die Aluhutfraktion in den USA mittlerweile groß genug ist, um einen beinahe ernstzunehmenden Präsidentschaftswahlkampf zu erlauben, der sich fast ausschließlich an sie richtet. Wer es noch nicht kennt, dem sei beispielsweise dieser Artikel empfohlen. Spoiler: Barack Obama ist schwul, Michelle ist eine Transe und ihre Kinder haben die beiden in Wirklichkeit gestohlen.
So nett das alles auch ist: Spätestens seit die Welt weiß, wie Herr Trump zur Grapschfrage steht, wird es wohl doch nix mit der fetten 80er-Party im Weißen Haus. Herzlichen Glückwunsch, Hillary! Du kannst jetzt auch aufhören, mir diese Bettel-E-Mails zu schicken. Als Ausländer im Ausland könnte ich dir sowieso keine Wahlkampfspenden schicken.
Hingegen höre ich nicht das Allergeringste von Sascha und Nobsi. Ich habe ganz bestimmt öfter auf einschlägige Seiten geklickt und irgendwann mal der Verwendung meiner Daten zugestimmt als im Zusammenhang mit Frau Clinton. Aber keiner unserer hiesigen Kandidaten hat bisher versucht, mich per E-Mail ins Gesinnungsboot zu holen. Was ist los? Auch die Facebook-Seite des Kandidaten Hofer zeugt nicht gerade von Fleiß und Zielstrebigkeit der Verantwortlichen: Dass H.C. Strache etwa 30 mal so viele Abonnenten hat, ließe sich ja noch verschmerzen, immerhin ist Haze ja der Großmeister der Facebook-Mobilisierung. Aber der alte Sascha vdB hat auch 15 Fans für jeden Hofertreuen.
Damit nicht genug: So ziemlich jedes Posting in Hofers Timeline wird umgehend mit kritischen Kommentaren und Links zugeschüttet. Schaut sich das nie jemand an? Also, wenn ich einmal Bundespräsident bin, habe ich einen bestallten Social-Media-Consultant, der so etwas zu verhindern wissen wird. Ich gedenke das stichprobenartig zu prüfen, und wenn mir etwas Missliebiges auffällt, dann kann er sich wen andern suchen, der ihm seine handgerösteten Spezialböhnchen für den morgendlichen Kick finanziert, der Herr Consultant.
Bei HC geht es anders zu, da wird stramm zugestimmt, mit oder ohne Beachtung der Kongruenz von Fall und Zahl: TTIP und CETA ist ein Verbrechen an unser Volk, erklärt Biggi Freund, deren FB-Titelbild Regenbogeneinhörner zeigt. Daran könnte sich Nobsi echt ein Beispiel nehmen.
Aber ich schweife ab. Die Frage, die mich zu bewegen beginnt, ist ja ganz einfach: Wählen wir nun am 4. Dezember oder nicht? Wenn nicht, warum erfahre ich davon nichts?
Und wenn doch, sind dann endlich die Sponti-Zeiten angebrochen, die uns die 70er verheißen haben? Stell dir vor, es ist Wahlkampf, und keiner geht hin? Bitte, die Herren: Haben wir resigniert? Wurde das oberste Amt per Mangel an Akklamation stillschweigend abgeschafft? Was, bittesehr, ist los?


Freitag, 14. Oktober 2016

Das oder was?



Mir ist, ihr flauschigsten aller Lesehäschen, etwas Sonderbares zu Ohren gekommen, was nicht gut klingt. Auch zu Augen ist es mir gekommen, und ich muss euch sagen: Es sieht auch nicht gut aus.
Habt ihr es euch gerade vorbeiflutschen gesehen? Genau: Das „was“, das da einem „das“ seinen rechtmäßigen Platz weggenommen hat. Das, was da passiert ist, passiert, scheint mir, öfter, als uns guttut. Deshalb eine kleine Erinnerung:
Wir leiten Relativsätze – das sind Sätze, die sich auf den vorigen Hauptsatz verlassen, um ihres Themas habhaft zu werden, so wie gerade eben – diese Sätze also leiten wir mit der, die, das ein. Gerne auch entsprechend dekliniert, wenn es die Sache will: Schreiben wir ein Wort, dessen zweiten Fall wir brauchen, dann lösen wir das wie hier gezeigt. Geht es um jemanden, dem wir eine reinwürgen wollen, dann ist das mit dem Dativ kein Problem. Und so weiter.
Was nicht geht? Was. Was macht sich immer breiter. Wo einst ein wohlgestalter Relativsatz stolz sein hübsches Köpfchen reckte, wedelt er jetzt mit unbedecktem was. Aber Damen und Herren, Schreiberinnen und Schreiberlinge: Ein Relativsatz, was so daherkommt, kriegt nie ein fesches und kluges Prädikat ab, dem bleibt nur ehschowissen, dem kleinen Saukerl.
Dieses hat gute Gründe.
Erstens gibt es im Deutschen einstweilen noch die grammatischen Geschlechter. Solange wir uns die antun, sollten wir nicht vor der Mühe zurückschrecken, auf Ordnung zu sehen. Mit was funktioniert das nicht recht. Wenn du einen Satz zimmerst, was so aussieht und in dem sich was auf Satz bezieht: Ist dann der Satz plötzlich neutral geworden oder das was ein Maskulinum?
Zweitens gibt es sehr wohl Umstände, unter denen ein was der korrekte Start in einen Relativsatz ist, der so richtig pfeift. Der erste: Der Relativsatz bezieht sich auf das, und um die langweilige Verdoppelung das, das zu umgehen, darf er mit was loslegen: Das, was ich sagen will, ist, dass hier das was passt.
Die anderen beiden Fälle sind interessanter. Was legt dem Relativsatz auch die Rutsche, wenn er sich auf ein unbestimmtes Zahlwort oder einen hauptwörtlich gebrauchten Superlativ bezieht. Als zum Beispiel: Alles, was ich weiß, habe ich von Lukas gelernt. Oder auch: Das Seltsamste, was mir je untergekommen ist, war ein entspannter Pitch. Warum interessanter? Weil tatsächlich ein semantischer Unterschied besteht zwischen alles, was ich weiß und alles, das ich weiß sowie auch zwischen das Seltsamste, was mir untergekommen ist und das Seltsamste, das mir untergekommen ist. Denn mit was sprechen wir vom seltsamsten Vorkommnis meiner Erfahrung, nicht aber vom seltsamsten Vorkommnis überhaupt (bei dem ich außerdem Zeuge war). Im ersten Beispiel bedeutet alles, das ich weiß, dass es ein alles gibt, das man wissen kann, und dass ich einer bin, der tatsächlich alles weiß. Alles, was ich weiß umschreibt hingegen nur die Gesamtheit meines persönlichen Wissens, dem aber keine äußere Totalität zugeschrieben ist.
Und deshalb, Freundinnen und Freunde des i-Tüpferl-Voltigierens, ist es wichtig, was den Relativsatz lostritt: weil der Unterschied zwischen das und was eine der überflüssigen Zartheiten des Deutschen ist, an denen man sich an kühlen Herbstabenden keusch erfreuen kann, wenn die Snowboardsaison noch nicht begonnen hat. Vom Schnitzel, was ich gegessen habe ist es nicht mehr weit zu You just grab ’er by the pussy. Truck Fump!

Freitag, 7. Oktober 2016

Die neue Ehrlichkeit


Erstens habe ich, es ist schon einige Monate her, einen langen Artikel von einer jungen Frau gelesen, die erklärt hat, wie es jungen Frauen heute so geht:  Es gebe praktisch keine strukturelle Benachteiligung mehr, sie setzen ihren Charme ein, um etwas zu erreichen, und sie suchen sich ein „Gegenüber auf Augenhöhe“ eher unter deutlich älteren Männern, weil die jungen solche Wappler sind. (Dieses ist natürlich für den Zweckdichter, diesen alten Lustsack, eine interessante Neuigkeit.) Abgesehen davon, dass ich gerne von weiteren Fällen höre, wo eine im fünften Monat Schwangere zwei männlichen Bewerbern für eine Stelle vorgezogen wird, hat mich die ganze Geschichte von der neuen Superheit des Frauseins an eine Geschichte erinnert, die ich kürzlich von einer sehr geschätzten Tante gehört habe, einer Tante, die mittlerweile die 80 hinter sich gelassen hat, was ihrer generellen Coolness keinen Abbruch tut. Die hat mir erzählt, dass sie in ihrer Kindheit (sie war die Älteste) gemeinsam mit ihren beiden Schwestern von ihrer Mutter (also meiner Großmutter) routinemäßig zu allen möglichen Arbeiten im Haus herangezogen wurde. Eines Tages stellten sich die drei auf die Hinterbeine und wollten von ihrer Mutter wissen, weshalb sie ständig Tisch decken, Hühner füttern, Geschirr spülen und weiß der Geier was noch alles mussten, während ihren vier faulen Rabauken von Brüdern nichts von alledem abverlangt wurde.
Meine Großmutter lieferte prompt: „Wozu habe ich drei Töchter, wenn ich dann auch noch die Söhne im Haus arbeiten heißen soll!“
Man sieht daraus, dass es der Feminismus sehr weit gebracht hat. Wenn ich den gedachten Artikel noch einmal überfliege, denke ich mir, dass er es vielleicht schon so weit gebracht hat wie die sprichwörtlich denaturierten Stadtkinder, die glauben, dass Milch aus der Steckdose kommt. Ich rate, die feministischen Errungenschaften nicht gering zu schätzen und sich eher weniger über Männer zu mokieren, die einem beim ersten Date erklären, sie wären schon auch bereit, in Elternzeit zu gehen. Denn die Weisheit lautet, dass man sich nie sicher sein soll. Leicht gerät man an einen sehr sympathischen, völlig unverwappelten Mann auf Augenhöhe, von dem man Gleiches überhaupt nie zu hören bekommen wird.
Zweitens hat es auch die Fastfertigfutter-Werbung weit gebracht. Früher verhieß man uns gerne Knuspriges, Herzhaftes, Leichtes, mitunter auch bloß Heißes oder Schnelles, Hauptsache, es ging mit wenig Geschirr und ohne dass man Sachen kleinschneiden musste. Diese finsteren Zeiten haben wir glücklich hinter uns gebracht. Die Strategen von Knorr haben herausgekriegt, was der moderne Convenience-Food-User auf dem Teller haben will. Ist es Frische? Geschmack? Aroma? Nein. Es ist vor allem „authentisches Essen“. Endlich! kann man da nur seufzen und sich freuen, dass man genau an diesem Punkt der Ernährungsgeschichte durchs Zeitfenster schauen darf, so auf halbem Wege zwischen der Raviolidose von Inzersdorfer (authentisch wie bitte?, Essen räusper) und Soylent Green (extrem authentisch, denn It’s people!, aber ob man es essen mag, ist halt eine sehr persönliche Frage). Schön, dass man sich bei Knorr dazu durchgerungen hat, uns endlich Essen als Essen zu verkaufen, anstelle von manwillsichgarnichtvorstellenwas.
Da sage noch einer, dass es in der Werbung zu wenig Ehrlichkeit gibt! 

Freitag, 30. September 2016

Überzeugungskraft

Verschiedentlich haben in den letzten Wochen wertvolle Menschen ein schätzbares Ansinnen an mich herangetragen. Ich möge, so jene, die immer noch an das Gute glauben, jemanden, die Hofer zu wählen plane, dazu bewegen, davon abzustehen.
Nämlich wie? Nämlich mit der Kraft der Argumentation.
Dies nehme ich als gegebenen Anlass für eine bedauerliche, aber unvermeidliche Verlautbarung:
Das geht leider nicht.
Soweit ich die Lage überblicke, sind Argumente ebenso geeignet zur Überzeugung von Hofer-Wählern wie ein Gabelschlüsselsatz für einen Gottesbeweis. Ich habe nach Kräften nachgedacht und bin zu dem Schluss gelangt, dass Hofer-Wähler in der Regel anderweitig zu dem ihren gefunden haben. Denn wer Hofer wählt, beweist damit nicht automatisch, dass er kein Verständnis für rationale Argumentation hat, sondern nur, dass die nicht immer den Ausschlag geben muss. Wir aufgeweckten Zeitungskonsumentinnen und Social-Media-Userinnen wissen ja, dass Hofer Wasser predigt und Wein trinkt, dass er sich erfundener Argumente bedient, dass er Versprechungen macht, die er niemals einlösen wird, und so weiter und noch mehr. Von der Frage, wie rechts oder rechtsextrem Hofer ist oder nicht ist, schweigen wir getrost, weil die Antwort für die Einstellung seiner Wählerschaft entweder unerheblich ist oder genau zum Gegenteil dessen führt, was jene sich erhoffen, die immer wieder nachweisen wollen, dass Hofer aber schon bei den Neonazis oder Identitären oder weißichwem anstreift. Geschenkt! Denn Hofers Klientel wird ihn nicht wählen, weil er mehr oder weniger weit rechts steht. Genauso wenig wie mein alter Kumpel Herb den einen Song lieber hört, weil er ihn mit 33 abspielt und den anderen aber mit 45.
Wer Hofer wählt, so glaube ich, will sich keinen Vertreter wählen, sucht gar nicht einen Präsidenten, der möglichst für seine (des Wählers) Ansichten steht, hat gar kein Bild von einem Österreich, das anders aussieht als das jetzige und in das uns Hofer führen soll.
Hofer-Wähler sind auf etwas anderes und Tieferes aus: Sie wählen keinen Politiker. Sie wählen das Gefühl, zu etwas zu gehören, das größer ist als sie selbst. Hofer bringt in ihr Leben etwas, das mit der lebenslangen Anstellung, dem stetigen Besserwerden und dem überschaubaren Grad der Beschleunigung des Lebens verlorengegangen ist. Das Kreuz bei Nobsi stiftet für die Betreffenden Sinn, der über das zu besetzende Amt und auch die politische Sphäre weit hinausreicht. Es hätte tatsächlich keinen, ihnen das wegargumentieren zu wollen. Wenn Harry Potter auf seinem Besen dem kleinen goldenen Ball nachhetzt, wer stellt sich ihm in den Weg, um ihm zu erklären, dass er in Wahrheit gar nicht fliegen kann? Dabei kann nichts herauskommen als ein schmerzhafter Absturz und die Gewissheit, wer daran schuld ist.
Was also tun?
Ich sehe nur eine Möglichkeit: Wir gehen alle NICHT wählen und fechten die Wahl dann an, weil weniger als die Hälfte der Wahlberechtigten teilgenommen haben. Ist zwar in der Verfassung nicht vorgesehen. Das war die kommende Wahlwiederholung aber auch nicht. Bei der nunmehr bekannten Lese- und Rechenschwäche der Verfassungsrichter gebe ich der Sache gute Chancen.

Freitag, 23. September 2016

Vorraumkunde

Heute, meine Damen, Herren und Häschen, wird mal wieder was weggesudert. Weil es nämlich rundum bergab geht. Wie eine geschätzte Bekannte einmal geschrieben hat: „Früher war alles besser. Gestern zum Beispiel war Sonntag.“ Nicht einmal auf Klebstoff ist mehr Verlass. Kann sich noch jemand an jene US-Präsidentenwahl erinnern, bei der es zu gröberen Unstimmigkeiten kam, weil die Stimmabgabestanzgeräte nicht sauber arbeiteten und die auszustanzenden Futzerln teils in den Löchern steckenblieben? Im Jahr 2000 war das, und was haben wir damals gelacht! Heute darf die Welt sich abhauen, weil in Österreich der Klebstoff nur so heißt. Beziehungsweise: Nachdem aus FPÖ-Kreisen die Existenz eines Wunderkugelschreibers kolportiert wurde, dessen Tinte unsichtbar wurde, wenn man sein Kreuzerln für den Kandidaten Hofer gemacht hatte (und nur dann, sonst wäre die Geschichte ja zwecklos), nehmen wir die Existenz eines nicht ganz so wunderbaren Klebstoffs zur Kenntnis, der vor, während oder nach der Stimmabgabe des Klebens überdrüssig wird, unabhängig von der politischen Ausrichtung des betroffenen Stimmberechtigten. Naja. Einen Wahlkampfsong haben wir ja nun immerhin – Hallihallo, wer sitzt am Klo ...
Aber darüber wollte ich mich ja gar nicht verbreiten. Sondern darüber motschkern, worin fragwürdige Entscheidungen nur allzuoft wurzeln, in einem Erfolg nämlich, genauer gesagt: in erfolgreichem Lobbying. Früher hätte es das nicht gegeben. Denn früher gab es kein Lobbying, früher wurde antechambriert. Das Antechambrieren ist dem Lobbying in jeder Hinsicht überlegen, wie ein denkender Mensch ohne weiteres zugeben muss.
Erstens ist antechambrieren eine dieser seltenen graziösen Mischungen aus französischem Stamm und dem gestelzten –ieren – so wie hasardieren, bajonettieren oder tranchieren. Sehr hübsch!
Zweitens geht es zwar in beiden Fällen darum, dass es sich jemand richtet, wie er’s braucht. Wer antechambriert, tut dies aber eher auf eigene Hand und sozusagen im privaten Rahmen. Denn eine Antechambre gibt es ja nicht bei jeder öffentlichen Bedürfnisanstalt, sondern sie ist Räumen vorgeschaltet, in denen empfangen zu werden pflegt. Seien es private Salons oder Amtsstuben alten Stils – im Vorzimmer wird sorgfältig vorgezimmert, damit später im Allerheiligsten bereits ein tragfähiges Gerüst wartet und man ans erwünschte Ziel gelangt.
Ganz anders die Lobby: Die hat jedes Hotel, jedes Bürohaus, ja jede Mehrzweckhalle, und rechts hinten geht es zu den Klos. Hier hängen Professionelle herum, und wenn ihr mich fragt: Den Körper kann man waschen?. Und es sich selber oder dem Neffen deines Schwagers zu richten, ist eine Sache. Aber Vitamin B für zahlende Kunden? Ich weiß nicht. Wer antechambriert, verfügt sich in die Räume eines Menschen, von dem er sich Entgegenkommen erhofft. Wer lobbyiert, hat eine Geschäftsidee daraus gemacht, fürs „Aufs-Zimmer-Gehen“ zu geizig zu sein. Früher wurde man in solchen Fällen „Berater“, und Besprechungen fanden prinzipiell beim Kunden oder, noch besser, beim absetzbaren Lunch statt. Heute hält man sich an die Lobby und klaut wahrscheinlich die Erdnüsse von der Bar nebenan. Deshalb: Antichambriert mehr, und macht einen Bogen um die Lobby.

Freitag, 16. September 2016

Training on the Job

Bildung ist ja allzumal unser großes Thema hier, teure Lesehäschen. Lernen wir für die Schule, oder hätten wir in der Schule was lernen sollen? Ist aus uns was geworden, weil wir was Gescheites gelernt haben, oder obwohl? Oder hätte aus uns was werden können, hätten wir nur nix Gescheites gelernt? Die Meinungen wechseln, doch ein Schlagwort der Debatte besticht durch seine Zählebigkeit: Lifelong Learning oder, wie auf den Werbemitteln (Bleistifte HB2) des Knabenkonvikts meiner verlorenen Jugend stand: Ma lernt nia us. All jene, die glauben, dies sei nur eine Worthülse, die uns von Politikern gern zugeworfen wird, wie man dem Hund einen Knochen gibt („Kauen beruhigt!“ wissen die Hundetrainer), all jene also werden gleich merken, was beim Glauben am höchsten ist. Denn uns ist ein strahlendes Beispiel erwachsen, wie man dank Lifelong Learning nicht nur etwas Gescheites, sondern etwas noch Gescheiteres werden kann. Wer ist diese Lichtgestalt? Ihr werdet überrascht sein, liebe Häschen: Dr. Josef Ostermayer, der einst auf Faymanns Rockschößen in die Spitzenpolitik geritten kam.
Der Herr Dr. Ostermayer war im April schon bei uns zu Gast. Kurz zur Erinnerung: Der Mietrechtsexperte sammelte Erfahrungen als Leiter des Wiener Wohnfonds, die ihn ministrabel machten, und zwar kulturministrabel, denn nichts qualifiziert mehr für die Kulturpolitik als eine tiefe Kenntnis des Wiener Wohnbauwesens. Wir schließen daraus, dass letzteres ein Riesentheater ist. Noch größer als das Burgtheater, dessen Direktor der Herr Dr. Ostermayer als eine seiner ersten Amtshandlungen schasste.
Nun gut, Herr Dr. Ostermayer ist mittlerweile so sehr Kulturminister, wie Faymann Bundeskanzler ist. Damit hat er freie Kapazität, die er künftig als Vorstand der Sozialbau AG füllen wird. Dies ist in mehrerlei Hinsicht bemerkenswert.
Erstens erfüllt die Sozialbau eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe, da hier Sprösslinge der Wiener Sozialaristokratie sich ein Auskommen verdienen, denen dies andernorts oft schwerfallen dürfte. Vielleicht erzähle ich dazu einmal die eine oder andere Anekdote. Es fällt daher umsomehr auf, dass ein qualifizierter Mensch wie Herr Dr. Ostermayer sich hier nützlich machen darf.
Zweitens sieht das auch Hermann Gugler, Aufsichtsratsvorsitzender der Sozialbau, so: „Wir sind sehr glücklich, mit Herrn Dr. Ostermayer einen ausgewiesenen Experten in den Vorstand berufen zu können.“ Wie sympathisch spüren wir hier die Erleichterung, die Herr Gugler empfunden hat, als er erfuhr, dass der neue Vorstandskandidat einer sein würde, der tatsächlich eine Ahnung von seinem Tätigkeitsfeld hat. Entlarvender kann man das kaum formulieren – danke, Herr Gugler!
Drittens aber ist Herr Dr. Ostermayer ein derart ausgefuchster Immobilienfachmann, dass ihm neben seiner Vorstandstätigkeit noch Zeit bleibt, Vorlesungen an der Universität für Angewandte Kunst zu halten. Ab Herbst referiert Gastprofessor Dr. Ostermayer dort zu Fragen der Kulturpolitik. Damit schließt sich der Kreis: Herr Dr. Ostermayer qualifizierte sich als Wohnrechtsexperte für die Kulturpolitik, von der er zwar so viel Ahnung hatte wie ich vom Wohnrecht, die ihn aber nichtsdestoweniger für die Rückkehr in die Wohnsphäre qualifizierte, wo er sich die freie Zeit mit Vorlesungen über Kulturpolitik vertreibt, worüber er einschlägige Kenntnisse während seiner Tätigkeit als Minister erworben hat. Wie gerne würde nicht jede von uns sich daran ein Beispiel nehmen! Ich zum Beispiel fühle eine gewisse Affinität zum Dasein eines Starmoderators. Zwar habe ich diesen Beruf noch nie ausgeübt, doch das sollte geradezu eine Empfehlung sein, wenn man die Laufbahn des Exministers betrachtet. ORF, bitte kommen!